Fast sechs Monate nach den Parlamentswahlen hat Tschechien immer noch keine handlungsfähige Regierung.

 

Der letzte Versuch, eine Regierung zu bilden ist Ende letzter Woche gescheitert. Die Sozialdemokraten (ČSSD) brachen die Verhandlungen ab. Sie begründeten das mit dem fehlenden Entgegenkommen durch Andrej Babiš und seiner ANO-Partei.

Die Sozialdemokraten waren bereit, Babiš als Premier hinzunehmen, forderten aber im Gegenzug fünf Ministerien, darunter als wichtigstes das Innenministerium. Babiš bot dagegen das Justizministerium an, was die Sozialdemokraten nicht akzeptierten. ANO und ČSSD hatten um eine Minderheitsregierung mit Tolerierung der Kommunisten (KSČM) verhandelt.

Das weitere Schicksal der Regierungsbildung liegt nun in den Händen von Präsident Miloš Zeman. Der hatte Babiš bereits zum zweiten Mal mit der Regierungsbildung betraut, ihm aber unbegrenzt Zeit gelassen. Der erste Versuch einer reinen Minderheitsregierung von ANO war im Januar gescheitert. Seitdem regiert in Prag das Ein-Parteien-Kabinett unter Andrej Babiš ohne Vertrauen des Parlaments. Diese Regierung bleibt so lange geschäftsführend im Amt, bis Staatspräsident Zeman eine neue Regierung ernennt.

ANO verfügt im Parlament nur über 78 von 200 Stimmen. Der Großteil der Parteien lehnt aber eine Koalition mit Babiš als Premier ab, weil gegen diesen wegen Missbrauchs von EU-Fördergeldern polizeilich ermittelt wird. Die einzigen, die bereit sind, ANO mit Babiš an der Spitze der Regierung zu stützen, sind die rechtspopulistische SPD (22 Stimmen) und die KSČM (15 Stimmen).

Doch Babiš scheut eine offene Zusammenarbeit mit diesen antieuropäisch ausgerichteten Parteien, da er sowohl im Ausland als auch im Inland Kritik fürchtet. Schon der angekündigte Rücktritt seines Justizministers Robert Pelikán dürfte ihn wichtige Prozentpunkte kosten. In Meinungsumfragen sank die Zustimmung zu ANO zuletzt wieder unter 30 Prozent. Genau so viel hatte die Partei im Herbst bekommen. Eine offene Zusammenarbeit mit extremistischen Parteien vom rechten und linken Rand dürfte ANO auch noch die letzten liberaler eingestellten Wähler kosten.

Das ist auch der Grund, warum Babiš am Wochenende Neuwahlen kategorisch ausschloss. Denn er muss damit rechnen, bereits sein Maximum an Potenzial ausgeschöpft zu haben. Dagegen dürften die liberalen Parteien wie ODS oder die Piraten weiter zulegen, so zumindest der Trend der letzten Monate. Auch die Sozialdemokraten, die im Herbst mit 7,27 Prozent und nur 15 Mandaten eine historische Niederlage erlitten, können wieder auf ein besseres Ergebnis hoffen, nachdem eine völlig neue Führung gewählt wurde, die wieder mehr die Vielfalt in der Partei und damit der Gesellschaft widerspiegelt.

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