Am 20. und 21. September fanden in den 13 Regionen Tschechiens die Wahlen der Regionalparlamente statt. Die Oppositionspartei ANO konnte dabei deutlich zulegen.

In 10 der 13 tschechischen Regionen gewann ANO, die Partei des ehemaligen Premierministers Andrej Babiš, die meisten Stimmen. Von insgesamt 685 Sitzen in allen Regionalparlamenten wird ANO zukünftig 292 Sitze besetzen – ein Zuwachs von 114 Sitzen im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren. Besonders deutlich fiel der Wahlerfolg in der Mährisch-Schlesischen Region aus. Dort verfügt das Regionalparlament über 65 Sitze, von denen ANO nun 35 besetzt. Damit hat die Partei eine Mehrheit, ohne sich an einen Koalitionspartner binden zu müssen. Auch in der Karlsbader Region errang ANO die absolute Mehrheit.

Nach dem starken Wahlergebnis für ANO kündigte Andrej Babiš bereits an, diesen Erfolg bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr fortsetzen zu wollen. Für Babiš spiegelt der Sieg seiner Partei zum einen die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der aktuellen Regierung wider, zum anderen sei er aber auch das Ergebnis einer intensiven und erfolgreichen Oppositionsarbeit. „Nur in der Regierung kann ANO den Menschen helfen und uns in die Lage zurückversetzen, in der wir die Regierung an die Fünf-Parteien-Koalition übergeben haben“, fügte er hinzu.

Schlechtes Abschneiden der Regierungsparteien

Für die Regierungsparteien hingegen verliefen die Regionalwahlen nicht sonderlich erfolgreich. Lediglich in den Regionen Südböhmen (Wahlsieger ODS), Südmähren (Wahlsieger SPOLU) und Reichenberg (Wahlsieger STAN) konnten sie sich gegen ANO durchsetzen. Innenminister Vít Rakušan (STAN) bezeichnete das diesjährige Wahlergebnis daher als klare Niederlage und appellierte an die Regierung, den ärmeren Regionen in Tschechien mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Auch Premierminister Petr Fiala (ODS) bewertete die Regionalwahlen als Misserfolg. Allerdings betonte er zugleich, dass sich an der Arbeitsweise des Regierungskabinetts nichts ändern werde. Dieser Haltung schlossen sich auch Umweltminister Petr Hladík (KDU-ČSL) und Verkehrsminister Martin Kupka (ODS) an, die ebenfalls eine Änderung des Stils und der Inhalte der Regierungsführung ausschlossen.

Wahlergebnisse bringen Piratenpartei starke Verluste

Die Piratenpartei musste bei den Regionalwahlen deutliche Verluste hinnehmen.Von 99 Mandaten aus der letzten Wahlperiode konnten sie lediglich drei verteidigen. Das schlechte Abschneiden bei den Regionalwahlen führte dazu, dass am Montag die gesamte Parteiführung zurücktrat, darunter auch Ivan Bartoš, der seit 2021 Minister für regionale Entwicklung und Digitalisierung war. Premierminister Petr Fiala kündigte jedoch am Dienstagvormittag auf einer Pressekonferenz an, am 30. September Präsident Pavel die Entlassung von Bartoš aus der Regierung vorzuschlagen. „Nach der Diskussion über die Analyse des digitalen Bauverfahrens in der Regierung letzten Mittwoch und nach dem heutigen Morgengespräch (mit Ivan Bartoš) bin ich leider zu der Überzeugung gelangt, dass er nicht in der Lage ist, diese Digitalisierung erfolgreich zu einem Ende zu führen,“ erklärte Fiala. Trotz des schlechten Abschneidens bei den Regionalwahlen und dieser Personalentscheidung steht für Fiala ein Ausscheiden der Piraten aus der Regierung nicht zur Debatte.

Ob dies auch für die Piratenpartei gilt, bleibt abzuwarten. Nicht einmal eine Stunde nach der Ankündigung, Bartoš entlassen zu wollen, wurde im internen Internetforum der Piraten bereits eine Initiative gestartet, die den Austritt der Partei aus der Regierung fordert. Die Initiative, die von Ondřej Ručka aus Ostrava eingereicht wurde, lautet: „Hiermit schlage ich vor, eine Abstimmung über den Austritt aus der aktuellen Regierungskoalition zu beginnen. Die Begründung ist einfach, aber offensichtlich. Wir haben es nicht geschafft, unsere wichtigsten politischen Prioritäten durchzusetzen, und gleichzeitig können wir den Handlungen von Petr Fiala nicht mehr vertrauen.“ Sollte die Initiative genügend Unterstützung finden, könnte sie im Bundesforum der Piratenpartei eingereicht werden, worüber dann alle Parteimitglieder abstimmen können.

Kaum Interesse an den Regionalwahlen

Die Beteiligung an den Regionalwahlen sank von 38 Prozent im Jahr 2020 auf 32,9 Prozent in diesem Jahr. Damit ging weniger als ein Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung zur Abstimmung.

In den kommenden Wochen stehen in den Regionen, in denen ANO keine absolute Mehrheit erringen konnte, Koalitionsverhandlungen an. Der Tschechische Rundfunk bietet hierzu eine Übersicht, wie die Verhandlungen in den einzelnen Regionen verlaufen.

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