Am Ende liefen schon Babiš-Wähler zu Pavel über und bescherten ihm fast einen Erdrutschsieg. Viel Vorschusskapital und eine große Chance für den Politik-Neuling.
Wahlen sind in Tschechien in der Regel schlecht besuchte Veranstaltungen. In einem Land, in dem die Spiele der Eishockey-Nationalmannschaft die halbe Nation in Atem halten, gelten Wahlen eher als Spannungskiller. Nicht so diesmal. Die Frage, wer neuer Präsident des Landes wird, war das alles beherrschende Thema der letzten vier Wochen. Den Menschen war es nicht gleichgültig, wer in den nächsten fünf Jahren von der Burg aus ihr Land repräsentiert. Das drückt sich auch in Zahlen aus. Mehr als 70 Prozent Wahlbeteiligung sind für Tschechien Rekordwert.
Das hat viel damit zu tun, dass dieses Amt von den ersten Präsidenten Masaryk und Havel, als erster nach der Revolution 1989, so stark geprägt wurde, dass die Menschen mit der Person, die dort amtiert, eine beinahe väterliche Aura verbinden. Es liegt auch an der Direktwahl, die den Menschen die Chance gibt, direkten Einfluss zu nehmen.
Anti-Babiš reicht nicht
Es lag aber auch an der Person von Andrej Babiš. Der Ex-Premier erinnert etwas an seinen Landsmann Vladimír Mečiar, der die Slowakei in den 1990er Jahren autokratisch regierte und in die Isolation führte. Wie Mečiar ist auch Babiš so umstritten, dass er auf seine Gegner mobilisierend wirkt. Wahlsieger Petr Pavel brauchte seine Wähler gar nicht so sehr an die Urnen treiben. Die wussten selbst, warum für sie Wählen Pflicht war.
Doch eine Anti-Stimmung macht noch keinen Wahlsieg. Auch vor fünf und zehn Jahren gab es eine breite Front der Ablehnung gegen den früheren Premierminister Miloš Zeman. Dass dieser doch die Wahlen gewann, hatte mit seinen Gegenkandidaten zu tun, die ihm in der Stichwahl nicht gewachsen waren.
Pavel kann auch Arena
Insofern kann man den künftigen Präsidenten Petr Pavel für Tschechien getrost als Glücksfall bezeichnen. Dass er Erfolg haben wird, war so nicht zu erwarten. Auch er ist Seiteneinsteiger, Chance und Problem der Direktwahl zugleich. Immerhin ließ sich der frühere NATO-General vom Volk aufstellen, bekam also genug Unterschriften für die Wahl zusammen. Aber dass unter den Kandidaten nur zwei von Parteien waren, deutet auch auf die Schwäche der etablierten Parteien hin. Die Direktwahl trägt so das Risiko in sich, Populisten auf die Burg zu spülen. Umso mehr, da der Wahlkampf mit seinen vielen TV-Duellen tatsächlich etwas an die Show „Tschechien sucht den Superstar“ erinnert. Blasse Kandidaten wie vor fünf Jahren der Akademiker Jiří Dráhoš werden in dieser Arena gnadenlos abgestraft.
Petr Pavel hat in den vielen Duellen jedoch eher noch an Profil gewonnen. Die Tschechinnen und Tschechen haben ihn nicht nur als Ruhepol gegenüber dem sprunghaften Babiš erlebt, sondern Pavel zeigte sich auch kompetent. Und ganz wichtig: er bewies Schlagfertigkeit und Witz – eine in Tschechien nicht zu unterschätzende Komponente.
Ohne plumpe Brüssel-Kritik
Als ihm Babiš am Ende sogar noch den Gefallen tat, auf Pavels ureigenem Gebiet rumzutrampeln, indem er Zweifel an Tschechiens Bündnistreue gegenüber Polen und den baltischen Staaten säte, war er geliefert. In Tschechien auf die Friedenskarte zu setzen, was unweigerlich als Entgegenkommen gegenüber Russland verstanden wird, war ohnehin ein strategischer Fehler von Babiš.
Am Ende verbuchte Pavel schon fast einen Erdrutschsieg. Für Tschechiens Position in Europa und der Welt ist das eine sehr gute Nachricht. Die EU-Ratspräsidentschaft ist noch in lebendiger Erinnerung, in der Tschechien sich international Respekt erarbeitet hat, der dem Land ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Mit einem außenpolitisch erfahrenen und geachteten Politiker wie Pavel wird das Land nun Akzente setzen können. Dass Pavel die Wahl gewonnen hat, ohne auf Brüssel oder die EU zu schimpfen, ist eine völlig neue Entwicklung in Tschechien.
Pavel als Vorbild
Pavels klarer Sieg ist aber fast noch wichtiger für die tschechische Innenpolitik. Dass am Ende sogar Babiš-Wähler zu ihm überliefen, gibt ihm die Möglichkeit, tatsächlich ein Präsident aller zu werden. Und er hat möglicherweise unfreiwillig auch etwas für die Demokratie getan. Pavel ist nun Beispiel für alle, dass es lohnt, sich aktiv in die Politik einzubringen. Sicher, Tschechien ist vor allem im Vergleich zu mittel- und osteuropäischen Staaten eine gefestigte Demokratie. Doch in die aktive Politik zu gehen, hat in Tschechien immer noch den Makel des schmutzigen Geschäfts und der Entfremdung vom Volk. Dazu kommen die Mühen der demokratischen Ebene, die zu oft als kompliziert und behäbig wahrgenommen wird. Wenn es Pavel gelingt, politische Prozesse und Entscheidungen zu erklären, transparent und nachvollziehbar zu machen und wenn es ihm gelingt, Menschen nicht nur bei den Wahlen zu politischer Teilhabe zu mobilisieren, wird dies sein größter Dienst an der immer noch jungen Demokratie Tschechiens werden.