Der Entwurf zu einem neuen Rahmenbildungsprogramm für die tschechischen Grundschulen sieht vor, dass es keinen verpflichtenden Unterricht in einer zweiten Fremdsprache mehr geben soll. Massiv davon betroffen wäre auch der Deutschunterricht. Die deutsche Minderheit wehrt sich gegen das Vorhaben.
Eine vom tschechischen Ministerium für Schule, Jugend und Sport eingesetzte Expertengruppe hat kürzlich einen Entwurf für ein neues Rahmenbildungsprogramm an den tschechischen Grundschulen (bis zur 9. Klasse) erstellt. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass der Unterricht in der zweiten Fremdsprache (in den meisten Fällen Deutsch, Französisch oder Spanisch) nicht mehr verpflichtend angeboten wird. Der Fremdsprachenunterricht soll demnach nur zustande kommen können, wenn genug Schülerinnen und Schüler Interesse daran angemeldet haben. Dem Entwurf zufolge sollen die Schülerinnen und Schüler stattdessen auch aus dem weiteren Lehrangebot wählen dürfen.
Deutsche Minderheit schickte Protestbrief an die Regierung
Die geplante Bildungsreform hat bei einer Reihe von Institutionen heftige Kritik hervorgerufen. Allen voran stellt sich die deutsche Minderheit in Tschechien vehement gegen die geplanten Änderungen. Die Unterstützung der deutschen Sprache in Tschechien ist eines ihrer zentralen Anliegen. Sollte die Reform in Kraft treten, könnte das dazu führen, dass an vielen Schulen der Deutschunterricht wegfällt. Für die Kinder der deutschen Minderheit selbst gäbe es dann kein staatliches Bildungsangebot in der Muttersprache. Die Landesversammlung der deutschen Vereine, die die deutsche Minderheit in Tschechien auf Landesebene vertritt, hat daher gemeinsam mit den von ihr betriebenen Schulen, der Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung und dem Thomas-Mann-Gymnasium, einen Protestbrief verfasst und an Premierminister Petr Fiala (ODS) geschickt. In dem Brief erinnerten sie an die kulturhistorischen Gründe, aus denen die Wichtigkeit des Deutschunterrichts in Tschechien hervorgeht, sowie an die gemeinsamen deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen, für die Deutschkenntnisse eine wichtige Rolle spielen. Martin H. Dzingel, Präsident der Landesversammlung sieht historische Parallelen: „Der Unterricht der deutschen Sprache wurde der deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg praktisch verwehrt. Deshalb spricht die heutige ältere Generation der Minderheit nur schlecht Hochdeutsch. Es geht zwar jetzt nur um den Unterricht in der zweiten Fremdsprache, aber Deutsch ist die diejenige zweite Fremdsprache, die am häufigsten gewählt wird, und daher erinnert das an Zeiten, als der Deutschunterricht gar nicht möglich war. Das ist eine Parallele, die mir sofort einfällt.“ Darüber hinaus seien Sprachen laut Dzingel eine der praktischsten Dinge im Leben überhaupt. „Sprachkenntnisse können einem das Leben retten, mathematische Formeln dagegen wahrscheinlich weniger“, fügt Dzingel hinzu.
Eine überzeugende Begründung, warum das Unterrichtsangebot in der zweiten Fremdsprache beschränkt werden soll, sucht man in dem Entwurf des Rahmenbildungsprogramms vergebens. Martin H. Dzingel vermutet dahinter jedoch eine starke Lobby der Schulleiter, die der Unterricht in der zweiten Fremdsprache vor administrative und bürokratische Herausforderungen stelle. Es fehlen Lehrer, die Qualität des Unterrichts ist begrenzt, die Lernerfolge leiden. „Aber das ist doch ein sehr schwaches Argument, etwas einfach abzuschaffen, nur weil es Schwierigkeiten macht“, ärgert sich der Vertreter der deutschen Minderheit.
Online-Petition möchte Änderungen beim Fremdsprachenunterricht verhindern
Gegen die Änderungen beim Fremdsprachenunterricht in der geplanten Bildungsreform richtet sich auch eine Online-Petition, die Tomáš Klinka vom Lehrstuhl für französische Sprache und Literatur an der Karls-Universität Prag, ins Leben gerufen hat. Diese wird von einer Reihe von Institutionen unterstützt, dazu gehören Sprachfachverbände (Verband der Englischlehrer in der Tschechischen Republik, Tschechischer Verband der Englischlehrer, Verband der Französischlehrer, Verband der Hochschullehrer für Französisch-Gallisch, Verband der Germanisten und Deutschlehrer SGUN, Verband der Germanisten in der Tschechischen Republik, Verband der Spanischlehrer) sowie von der deutsch-tschechischen Industrie- und Handelskammer und der französisch-tschechischen Handelskammer unterstützt. Bislang haben die Petition 1885 Personen unterzeichnet. Am 20. April soll sie dem tschechischen Schulministerium überreicht werden. Die Petition finden Sie unter diesem Link.
Darüber hinaus hat das Schulministerium die Möglichkeit geschaffen, den Entwurf des Rahmenbildungsprogramms direkt zu kommentieren. Die entsprechende Internetseite mit der Anleitung, wie das funktioniert, finden Sie hier.