Heute endet die Amtszeit von Miloš Zeman. Es ist sicher noch zu früh, die zehn Jahre seiner Präsidentschaft zu bewerten, aber unter dem Strich ist die Bilanz mager, meint LE-Chefredakteur Steffen Neumann.

Heute endet in Tschechien die Amtszeit des Präsidenten Miloš Zeman. Wahrscheinlich wird der Tag von Abschiedsprogramm geprägt sein. Aber sollte Zeman heute einen der in den letzten Monaten häufigeren Pyjama-Tage einlegen, würde das in Tschechien auch niemand auffallen. Die meisten Menschen in Tschechien haben längst mit ihm abgeschlossen und zählen höchstens noch ungeduldig die Tage und Stunden, wann es endlich vorbei ist. Danach wird ein hörbares Aufatmen durchs Land gehen. Und sogar Zeman-Wähler werden tief im Innern wissen, dass seine Zeit nun abgelaufen ist.

Das Problem an Zeman ist, dass seine Zeit streng genommen bereits vorher abgelaufen war. Auch wenn sein scharfer Intellekt, seine glänzende Rhetorik, seine Antenne für die Stimmung in der Bevölkerung und sein unbestrittenes politisches Talent vor allem in den ersten fünf Jahren seiner Amtszeit immer wieder mal aufblitzten, er hatte dem Land nur noch wenig zu geben. Und ein Präsident der unteren zehn Millionen, wie er einmal sagte, war er schon gar nicht. Im Gegenteil, Zeman polarisierte wie kein Präsident zuvor und pflegte nur seine Eitelkeit. Zeman war sich wohl bewusst, dass er nie eine breite Mehrheit in der Bevölkerung auf seine Seite ziehen konnte. Beide Wahlsiege waren nur sehr knapp. Obwohl die Direktwahl eines Präsidenten damals neu war, gingen nur überraschend wenige Menschen zur Wahl.

Rache-Rentner von der Vysočina

Dass er überhaupt kandidierte, hatte nur ein Ziel: die für ihn erniedrigende Schmach vergessen machen, dass er 2003 von der gemeinsamen Versammlung von Abgeordnetenhaus und Senat und scheinbar unterstützt von der Regierungsmehrheit nicht gewählt wurde. Das hat Zeman nie vergessen und zehn Jahre lang als berühmtester Rentner der Vysočina auf Rache gesonnen.

Und wie ein persönliches Motiv seine Kandidatur bestimmte, so blieb auch seine Präsidentschaft von seinen persönlichen Zielen und Launen bestimmt. Aus Lust an der Provokation schreckte er auch vor Lügen nicht zurück, die er noch aufrechterhielt, als sie längst widerlegt waren. Mit der schadenfrohen Diffamierung von Journalisten, Umweltschützern, Aktivisten, Intellektuellen, Minderheitenvertretern und politischen Gegnern machte er billige Punkte bei einem Teil seiner Wähler und nahm die Unterminierung demokratischer Werte in Kauf und zeugte von wenig Selbstbewusstsein. Viele seiner Auftritte trieben seinen Landsleuten aber nur die Schamesröte ins Gesicht.

Anbiederung an Moskau und Peking

Nicht weniger gefährlich sein Hang, autoritäre Führer zu Freunden haben zu wollen. Seine schon servile Anbiederung an die Regime in Moskau und Peking verbunden mit Attacken gegen Brüssel und die NATO hat Tschechien viel außenpolitischen Kredit gekostet. Ihn selbst hat es in den Augen der politischen Partner in Europa unmöglich gemacht.

Innenpolitisch schuf er durch seine möglichst weite Auslegung der präsidialen Vollmachten mehrere Präzedenzfälle. Der schwerste ist sicherlich seine Ignoranz des Parlaments gleich in seinem ersten Jahr. Über ein halbes Jahr ließ er eine von ihm eingesetzte Regierung seiner Gefolgsleute ohne Vertrauen des Parlaments regieren. Berüchtigt auch seine „Kadergespräche“, wenn es um die von ihm gewünschte Mitsprache bei der Besetzung von Ministerposten ging. Auch dies eine bisher unzulässige Auslegung seiner Vollmachten. Deshalb wird der neue Umweltminister auch erst von Zemans Nachfolger ernannt werden.

Magere Bilanz

Seine von ihm angekündigte aktive präsidiale Politik richtete mehr Schaden als Nutzen an und war auch hier von ganz persönlichen Motiven bestimmt. Ihm ging es um die Beseitigung der Sozialdemokratie und damit der Rache an jenen, die ihn in seinen Augen 2003 verraten hatten. Zumindest hier hat er ein Ziel seiner Präsidentschaft erreicht – die Sozialdemokratische Partei (ČSSD) ist inzwischen von der politischen Bühne verschwunden. Bei den letzten Wahlen verfehlten sie den Sprung ins Parlament.

Es ist sicher noch zu früh, zehn Jahre Zeman zu bewerten. Aber unter dem Strich ist die Bilanz mager. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass er in seiner ebenfalls umstrittenen Zeit als Premierminister zwischen 1998 und 2002 tiefere Spuren hinterlassen hat als in den letzten zehn Jahren.

Welche Vollmachten hat der Präsident

Dagegen ist es ein gutes Zeichen für die tschechische Demokratie, dass sie sich gegen den Versuch Zemans, ein präsidiales System zu schaffen, erfolgreich gewehrt hat. Zeman selbst hatte sein Vorhaben nicht ganz zu Unrecht damit begründet, als direkt gewählter Präsident ein viel stärkeres Mandat zu haben als ein von den zwei Parlamentskammern gewählter. Geschickt wusste er diese Unsicherheit, welche die Direktwahl mit sich brachte, für seine Zwecke zu nutzen.

Hier hat die Politik auch in den kommenden Jahren noch Hausaufgaben zu machen. Die Anpassung, sprich die Einschränkung der präsidialen Vollmachten, ist auf halbem Wege stecken geblieben. Das Parlament sollte sich nicht darauf verlassen, dass Zemans Nachfolger von dem von ihm geschaffenen Präzedenzfällen keinen Gebrauch machen werden.

Mit Miloš Zeman geht keinesfalls eine Ära zu Ende, seine Zeit war längst vorbei. Künftig wird er in eine Villa unweit des Sommersitzes der tschechischen Präsidenten in Lány einziehen, um gewissermaßen seine zweite Rente zu genießen. Den Pyjama muss er dann nicht mehr ausziehen. Vielen in Tschechien wäre das wahrscheinlich das liebste.

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