Seit letzter Woche kann man Václav Havel wieder auf der Leinwand begegnen. Der Dokumentarfilm von Petr Jančárek, der die letzten Jahre des tschechischen Ex-Präsidenten von seinen bekannten und weniger bekannten Seiten zeigt, läuft jetzt in den tschechischen Kinos.
„Hier Havel, hören Sie mich?“, ruft Václav Havel den Schauspielern durch ein Megaphon zu, als er die Regie für seinen einzigen Film, „Odcházení’’ (dt. etwa „Abgang“), übernimmt. Diese Szene lieferte den Titel für den neuen Dokumentarfilm (“Tady Havel, slyšíte mě?”) über das Leben des im Jahr 2011 verstorbenen Dramatikers und Politikers, der von 1989 bis 1992 der letzte Präsident der Tschechoslowakei und von 1993 bis 2003 der erste Präsident der unabhängigen Tschechischen Republik war.
In seinen letzten Lebensjahren bat Václav Havel den tschechischen Dokumentarfilmer Petr Jančárek, ihn mit der Kamera zu begleiten. Das bisher unveröffentlichte Filmmaterial zeigt ein breites Spektrum von Havels Aktivitäten, von der Politik bis zu seinem Privatleben. Das Ergebnis ist ein 85-minütiger, einzigartiger Blick auf Havel als Ex-Präsident und als Staatsmann, aber auch als ganz normaler Mensch, der gerne liest und tschechisches Bier trinkt.
Ein vielseitiger Mann
Der Film beginnt mit einem historischen Überblick über Havels politischen Aufstieg, vom unscheinbaren Dissidenten aus einer wohlhabenden Prager Familie zum weltberühmten Politiker. Jančáreks Kamera fängt auch die Entstehung des umstrittenen Films „Odcházení“ (dt. etwa „Abgang“) ein, den Havel als sein Regiedebüt auf der Grundlage seines eigenen Theaterstücks drehte. Der Film erschien im Jahr 2011, nur wenige Monate vor Havels Tod, und erhielt eher gemischte Kritiken: Der Film sei zu theatralisch und wirke veraltet, da er sich aktuellen Trends des Filmemachens entziehe. In einer der Szenen aus Jančáreks Film sitzt Havel vor einem Fernseher, in dem eine dieser Kritiken läuft. Havel nimmt die Rückmeldungen ernst, trotzdem bewahrt er Gelassenheit. Für den Ex-Präsidenten erfüllte sich mit den Dreharbeiten ein langgehegter Jugendtraum, allgemeine Anerkennung war ihm nicht wichtig.
Der Dokumentarfilm ist reich an Havels Bonmots, verschweigt auch nicht die gesundheitlichen Schwierigkeiten, die ihn begleiteten. Er präsentiert auch die vielen persönlichen Begegnungen mit engen Freunden, darunter die Politikerin Madeleine Albright, der Regisseur Miloš Forman oder der Dalai Lama. Der tibetische Religionsführer war ein enger Freund Havels und erscheint sogar gleich zweimal im Film. Beim zweiten Treffen in Prag, als Havel bereits sehr krank und geschwächt ist, entsteht ein emotionaler Raum von fast magischer Stille, in dem auch ohne Worte das Wichtigste ausgedrückt wird.
Abgesehen von einem etwas komischen Wiedersehen mit seinem Amtsnachfolger Václav Klaus vermeidet die Dokumentation Begegnungen mit politischen Gegnern.
Die fortwährende Mission eines Überzeugungstäters
„Ex-Präsident zu sein ist schlimmer als Präsident zu sein – das ist man ein Leben lang“, sagt Havel im Laufe der Dokumentation, der seine noch immer aktive öffentliche Rolle nach dem Ende seiner Präsidentschaft zeigt. Dabei bringt er seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Aufrechterhaltung von Idealen und Werten ständiges Engagement und Kampf erfordert. Havel offenbart seine Überzeugung, dass er die Interessen der Gesellschaft immer über seine eigenen gestellt hat. Der Film philosophiert u.a. über die Grenzenlosigkeit und die Bedeutung der Hoffnung in unserem Leben und verleiht seiner Persönlichkeit und seinen Ideen eine tiefere Dimension, die weit über Politik hinausgeht.
Eine nostalgische Erinnerung ohne kritische Perspektive
Der Dokumentarfilm stellt Havel nicht in Frage und bringt ihn nicht mit seinen politischen Gegnern in Konflikt. Stattdessen konzentriert er sich auf die Darstellung verschiedener Aspekte seines Lebens und seiner Arbeit. Über Havels politische Aktivitäten und kontroverse Momente gab es mit Pavel Kouteckýs „Občan Havel“ (dt. etwa “Der Bürger Havel”) aus dem Jahr 2008 bereits einen Dokumentarfilm. Das aktuelle Werk ist in erster Linie eine liebevolle Erinnerung an einen scheinbar bescheidenen Mann, wobei der Schwerpunkt auf seinen humanitären Werten und Sympathien liegt.