„Jugend musiziert“ zog Musiktalente aus der ganzen Welt nach Prag.
Neun Uhr morgens, die Frühlingssonne strahlt durch die große Glastürenfront. Durchs Foyer der Deutschen Schule Prag hallen die E-Gitarren-Riffs von Metallicas „Master of Puppets“. Hoch konzentriert bereiten sich junge Musiker in fünf Alterskategorien auf ihre großen Auftritte vor – vorm eigenen Fanclub aus Freunden und Familie, vor der Öffentlichkeit und vor der kritischen Jury.
In der tschechischen Hauptstadt findet der Landeswettbewerb von „Jugend musiziert“ 2019 statt. Aus ganz Europa und der Welt sind 300 Jugendliche nach Prag gereist, um sich mit anderen Jung-Musikern ihrer Altersklasse zu messen, Wettbewerbssituationen zu trainieren und auf eine große Musikkarriere hinzuarbeiten.
Jeweils 60 Wertungsspiele gibt es in den Kategorien Klassik und Pop. Das Programm ist dicht und muss pünktlich ablaufen. Wer in Prag gewinnt, kommt im Juni zum Bundeswettbewerb in Halle.
Im Rocker-Foyer eröffnen Sara Lobnig und Maximilian Morawietz von der Deutschen Schule in Warschau das Programm. Als drittes Stück spielen sie den Evergreen „Zombie“ von den Cranberries. Ein schon zu oft gecovertes Stück? Nicht für sie, denn: „Wir haben das Lied ausgewählt, weil es Protest gegen Gewalt ist!“, betont Sara. Das kleine blonde Mädchen verbreitet mit ihrer kräftigen Stimme starke Emotionen im Raum. Ein guter Start in ein solches musikalisches Festival.
Während im Schulgebäude vor allem Rock, Pop und Jazz erklingen, die Bands voller Coolness und in luftig-lässigen Klamotten daherkommen, das Publikum fröhlich mitsingt, mitwippt und immer wieder brausend applaudiert, geht es im benachbarten Aspira-Businesszentrum gediegener zu: Ernst, streng und meist in Grau- und Schwarztöne gehüllt präsentieren sich Musiker, Juroren und Korrepetitorinnen. Zwischen den Stücken passiert nichts, artig geklatscht wird immer erst am Ende des Auftritts.
Im geradezu sterilen, aber akustisch angenehmen JuMu-Raum im benachbarten Geschäftshaus spielen sich Streicherinnen die Finger warm. Edith Cnockaert ist 16 Jahre alt und extra aus Brüssel nach Prag gekommen. Sie hat schon zweimal am deutschen „Jugend musiziert“ teilgenommen, weil sie den Wettbewerb als sehr große Chance für sich als Musikerin begreift, es in Belgien aber keine vergleichbaren Veranstaltungen gibt.
„So weit wie in diesem Jahr bin ich noch nie gekommen!“ Nach ihrem Vorspiel mit drei Stücken – einem barocken, einem klassischen und einem feurigen Tango – ist sie vor allem eines: erleichtert. „Ich habe gut gespielt, so für mich persönlich. Aber ich weiß natürlich nicht, wie gut die anderen sind.“ Edith spielt fast zehn Jahre schon Violine, angefangen hat sie mit sechseinhalb Jahren.
Zwei Monate übte sie speziell dieses Programm für „Jugend Musiziert“ in Prag. Bach zu spielen, sei ihr empfohlen worden. „Den Tango aber habe ich ausgesucht, weil ich den richtig mag, er mir viel Spaß macht!“ Das war ihr beim Vorspiel anzusehen. Edith spielt nicht nur solo, sondern auch schon im Jugendorchester. Sie will bald ans Konservatorium und professionelle Musikerin werden. Auf die JuMu-Ergebnisse muss sie nun erst einmal noch ein paar Stunden warten. „Wenn ich nicht weiterkomme, kann ich wenigstens noch mehr von Prag sehen“, gibt sie sich zuversichtlich.
Schon jetzt ist sie eine von jährlich rund 20 000 JuMu-Teilnehmern. Seit 55 Jahren veranstaltet der Deutsche Musikrat den Wettbewerb, auch um Nachwuchsmusikern Wettbewerbstraining und erste Karriere-Schritte zu ermöglichen. Denn wer Profi-Musiker werden will, muss diszipliniert sein und sich gegen eine große Konkurrenz aus der ganzen Welt durchsetzen. Vor allem im klassischen Bereich ist das eine sehr ernste und erwachsene Entscheidung.
Die Cellistin Lillian Herrmann scheint sich dann auf den ersten Blick auch kaum von anderen Jugendlichen zu unterscheiden. Solange sie nicht auf der Bühne sitz. Greift sie jedoch zum Bogen und in die Seiten, verfinstert sich ihr Blick. Sie ist hoch konzentriert und macht ihr Gesicht mit einem Mal einige Jahre älter. Alle Geduld, Übung, Durchhalteparolen lösen sich im melancholischen Celloklang auf. Die Mädchen – Sara, Edith und Lillian – scheinen ihren Weg gewählt zu haben.
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