Vom Aufbegehren zur getrösteten Resignation – Das ist der Spannungsbogen des spätmittelalterlichen Stückes „Der Ackermann und der Tod“ von Johannes von Tepl. Die Ackermann-Gemeinde führte das Werk am 26. März in Lorch in einer musikalischen Inszenierung auf.
Welch zorniges Fluchen! Was für ein erbittertes Zetergeschrei! Gewaltig sind die Verwünschungen, die der Ackermann hinausschleudert. Dreimal steigert er, hingerissen vom Schmerz, seine Klage gegen den Tod, der ihm Margareta, sein über alles geliebtes Eheweib, im Wochenbett geraubt hat. Sie war die Mutter seiner Kinder, seine Hausehre, eine Zierde an Tugend und Maß, die ihm Lebensfreude verliehen und Halt gegeben hatte. Erstaunlicherweise antwortet der Tod, er lässt sich auf Entgegnungen ein und führt gar eine gelehrte Disputation mit dem Kläger, bleibt aber spöttisch überlegen in seiner kühlen Rationalität, unerbittlich und unnahbar. Nach einem furiosen Auftakt mit leidenschaftlichen Ausbrüchen des Ackermanns und höhnischer Geringschätzung des Todes beruhigt sich die so ungleiche Auseinandersetzung, wird sachlicher.
Ein Streitgespräch mit dem Tod
In 16 entrüsteten Schmähreden sucht der vereinsamte Mann den Sensenmann ins Unrecht zu setzen und ihn zu entwerten. Er versteigt sich bis zu der Forderung, Gott möge den Tod richten. Schließlich sei der Mensch Gottes freiestes, ihm ähnlichstes Werkstück, sein allerliebstes Geschöpf, zu dessen Erlösung er sogar seinen Sohn dem Kreuzestod anheimgab. In 16 Erwiderungen stellt der Tod heraus, wie notwendig und gerecht sein Wirken ist. Er vergleicht es mit den Naturgewalten, führt sein Amt auf einen Auftrag zurück, den er von Gott selbst empfangen habe. Da alles menschliche Streben nach Erkenntnis eitel und vergeblich sei, rät er dem Ackermann, sämtliche Gefühle aus dem Gemüt zu tilgen und Verzicht zu üben.
Nach sechs Jahrhunderten ist das spätmittelalterliche Schauspiel „Der Ackermann und der Tod“ des böhmischen Dichters Johannes von Tepl immer noch aufwühlend wie zur Zeit seiner Entstehung, die auf die persönliche Verlusterfahrung des Dichters zurückgeht. Das Streitgespräch zwischen einem Menschen und dem „grimmigen Tilger aller Leute, schändlichen Ächter aller Wesen, schrecklichen Mörder aller Menschen“ wirft erste und letzte, zeitlose Fragen auf. In Vorwurf und Zurückweisung entwickelt sich ein existentielles Szenario, ein kühnes Gedankenexperiment, das keinen unberührt lassen kann.
Musikalische Inszenierung mit kleinem Ensemble
In der St.-Konrad-Kirche in Lorch konnte Prof. Dr. Rainer Bendel, der die Veranstaltung für die sudetendeutsche Ackermann-Gemeinde organisiert hatte, am 26. März 2023 zahlreiche Besucher und ein junges Ensemble begrüßen. Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft katholischer Vertriebenenorganisationen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sieht das Bühnenstück an der Scharnierstelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. Vier Künstler führten es in gestraffter Form als Musikdrama auf, arrangiert von der Organistin Mirjam Haag (1996) und der Pianistin Janita-Madeleine Schulte (1998). Sie begleiteten mit ihren Instrumenten ausdrucksstark und stimmig den Widerstreit zweier unvereinbarer Willenskräfte: die von Leid zerrissenen Verwünschungen, zäh am Leben hängenden Aufwallungen des Ackermanns und die mitleidlos-hämischen Belehrungen des Todes. Direkt vor dem Altar mit Kruzifix spielte sich das sonst kulissenlose, von nur zwei Schauspielern (Sprecherkünstlern) von der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart (HMDK) bestrittene Stück ab. Berenike Beckhaus (1999) als Darstellerin des Todes sowie Emilian Tersek (2001) als Ackermann beeindruckten durch ihr intensives und glaubwürdiges Kammerspiel.
In aller Wandlung sieht der Tod immer nur die negative, dem Sterben und dem Untergang zugewandte Seite des Irdischen. Daher rät er dem Ackermann, von der Trauer um seine Frau abzulassen. Dieser hingegen hat sich im Lauf der Konfrontation mit dem Tod dazu durchgerungen, nicht weiter mit ihm – und indirekt auch mit seinem Schöpfer – zu hadern. Stattdessen erblickt er die Vergänglichkeit als die Voraussetzung dafür, dass neues entstehen kann. Er lernt weiter, an die Unvergänglichkeit allen Lebens im Transzendenten zu glauben. Deshalb nimmt er sich vor, seiner Frau treu zu gedenken. Mit diesem Beweis echter Liebe kann er den Tod innerlich überwinden, auch wenn dieser nach außen den Sieg davonträgt.
Das erste deutschsprachige Denkmal des Humanismus
Im letzten Kapitel dieses existentiellen Streits spricht Gott das Urteil. Er schlichtet, indem er beiden Parteien zugesteht, gut gefochten zu haben. Allerdings relativiert er ihre Rollen als unselbständige, vom Schöpfer lediglich geliehene. Der Tod ist nur ein Werkzeug Gottes. Der Ackermann muss ihn als Folge der Erbsünde hinnehmen, kann aber durch den Opfertod Christi auf ewiges Leben hoffen. Im Schlussgebet erbittet der Hinterbliebene für die Seele seiner Frau eine bleibende Wohnung im Reich Gottes.
Johannes von Tepl, der nach dem Geburtsort seines Vaters auch den Namen Johannes de Sitbor (Šitboř/Schüttwa) führte und später Johannes von Saaz genannt wurde, starb im Jahr 1414. Sein über die Jahrhunderte vielfach neu aufgelegtes und inszeniertes Stück gilt als das „erste große Denkmal des Humanismus in Deutschland“. Der Ackermann-Gemeinde, die ihren Namen seit 1946 von eben diesem Werk entliehen hat, ist es ein natürliches Anliegen, dass das Stück auch weiterhin auf den Bühnen gezeigt wird.