Čauky mňauky, allerseits! Wir Vierbeiner sind sehr mitfühlend. Auch mit den Zweibeinern. Als mein Butler, der Herr Schmidt, neulich mal mit einer typischen „Männergrippe“ im Bett zubringen musste, habe ich mir das eine Weile mit angesehen. Dann bin ich zu ihm ins Bett gehüpft und habe mich an ihn gekuschelt, bis es ihm wieder besser ging. Wie heißt es so schön in der TV-Werbung: „Ist der Mensch gesund, freut sich die Katze.“ Oder so ähnlich.
Ich habe dieser Tage lange bei Julia auf dem Schoß gelegen und sie wohlig gewärmt. Julia ist meine zweibeinige Kumpeline, stammt aus der Ukraine und ist einmal in der Woche bei mir zuhause, um meinem Butler zu helfen, meinen Dreck wegzumachen. Katzen sind zwar überaus reinlich, was den eigenen Körper angeht. Aber bei meinem ständigen Raus und Rein in und aus dem Garten schleppe ich dann doch immer eine Menge Zeug mit rein. Julia arbeitet für eine professionelle Reinigungsfirma. Wenn sie durch die Wohnung gewirbelt ist, blitzt und blinkt es immer. So schön das ist, ich habe vorher immer einen Heidenrespekt vor dem Untier mit dem langen Rüssel, das da zum Einsatz kommt. Ich meine den Staubsauger, der ein richtiges Monster ist und unerhörten Krach macht. Ich flüchte dann lieber aus der Wohnung. Wenn Julia mit dem Ding hantiert, habe ich sie nicht so richtig lieb. Sonst aber schon. Dann sogar ganz doll.
Julia ist eine junge Frau, 25 Jahre alt, nur knapp 1,60 Meter groß, aber wirklich ein richtiger Wirbelwind. Und immer, wenn sie bei uns ist, ist sie lustig und durchflutet meine Wohnung wie die warme Frühlingssonne. Sie ist der einzige Zweibeiner, der nicht auf Tschechisch oder auf Deutsch mit mir spricht. Sie spricht ihre Heimatsprache Ukrainisch mit mir. Und manchmal auch Russisch. Aber das zuletzt nicht mehr.
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Seit einiger Zeit hat sich Julia verändert. Neulich kam sie vormittags mit ganz roten, verweinten Augen zu uns. Der Herr Schmidt hat sie auch gleich in den Arm genommen, sie an sich gedrückt und sie beinahe gar nicht wieder losgelassen. Der Obermacker der Russen, ein gewisser Putin, ist völlig verrückt geworden und hat ohne jeden Grund einen grausamen Krieg gegen Julias Heimat begonnen. Zur Hölle mit ihm!
Im Fernsehen bringen sie jetzt ständig schlimme Bilder mit grellen Blitzen und lautem Donnern. Das ist wie blödes Feuerwerk, das mir an jedem Silvestertag große Angst macht und das ich deshalb hasse. Der Herr Schmidt hat mir aber erklärt, dass Krieg sehr sehr viel schlimmer ist als Silvesterfeuerwerk. Im Krieg verlieren Menschen ihr Leben. Auch auf uns Vierbeiner nimmt niemand Rücksicht. Da ahne ich, wie es unserer Julia jetzt geht, wenn sie an ihre Heimat denkt.
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Julia hat von uns aus in ihrer Heimat angerufen, bei einer Nachbarin, einer Englisch-Lehrerin. Was sie dort hörte, war nicht schön. Die Menschen dort seien sehr ängstlich, hätten Panik vor dem Krieg. Die Läden seien zu, es gebe nichts zu kaufen. Die Tankstellen hätten kein Benzin, das man für die Autos brauche, um vor den Kämpfen zu flüchten. Julia hat am Telefon auch gleich ein paar Fragen von meinem Herrn Schmidt gestellt, der danach etwas für die Zeitung geschrieben hat. Julia hat in den Stunden bei uns viel geweint, und auch mein Butler war fix und fertig. Da bin ich ganz schnell zu Julia auf den Schoß gehüpft, habe mich eingekringelt und sie so getröstet und gewärmt. Julia hat ganz still gesessen und mich ihrerseits dankbar gestreichelt.
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Der Herr Schmidt hält täglich Kontakt zu Julia. Glücklicherweise ist da, wo ihre Familie lebt, immer noch Ruhe. Julia überlegt dennoch, ob sie nicht in die Ukraine fahren sollte. Sie würde auch zur Waffe greifen. Sie hat sich daran ausbilden lassen. Ich möchte nicht, dass Julia fährt. Ich habe große Angst um sie. Wenn sie sich aber doch für die Verteidigung ihres Landes entscheidet, wird sie hoffentlich einen Kater wie mich finden, der sie auch mal wärmt und tröstet. Ich denke an die Zwei- und Vierbeiner in der Ukraine. Ihnen vor allen gilt mein čauky mňauky!
?? Schmidts Kater Loisl und sein Butler Hans-Jörg Schmidt ??
Dieser Beitrag erschien in der LandesEcho-Ausgabe 3/2022.