Um im Prager Hochsommer dem hitzigen Großstadtleben zu entfliehen, besuchte unsere Landesbloggerin Valerie einen Garten mit viel Geschichte. Der Botanische Garten der Karls-Universität eignet sich hervorragend, um mitten in der Stadt im Grünen zu entspannen.
Prag ist bekannt für Trubel – viele Menschen, viele Autos, viel Lärm. Das wird einem besonders bewusst, wenn man herausfindet, dass das neue Zuhause auf Zeit direkt an einer der größten Verkehrsadern der Stadt liegt: der Legerova. Sie durchquert von Süd nach Nord das gesamte Stadtgebiet. Hier stoppt der Verkehrsfluss also nie und nirgendwo in Tschechien soll die Feinstaubbelastung größer sein als an dieser Achse. Da ist meine erste Mission natürlich klar: Es geht auf die Suche nach grünen Oasen in der Metropole.
Grüne Oase in der Großstadt
Wenn ich in anderen Städten nach etwas Natur und Ruhe Ausschau gehalten habe, war auf eine Adresse eigentlich immer Verlass: der Botanische Garten. Wie es der Zufall will, liegt der Botanische Garten der naturwissenschaftlichen Fakultät der Karls-Universität (Botanická zahrada Přírodovědecké fakulty) nur eine gute Viertelstunde Fußweg entfernt mitten in der Neustadt südlich des Karlsplatzes. Also mache ich mich auf den Weg.
Der Eingang des Gartens liegt relativ unscheinbar an der Straße Na Slupi. Auch weil der Eintritt kostenlos ist, und es keinerlei Pforte gibt, befindet man sich schneller als gedacht zwischen Blumen, Palmen und alten groß gewachsenen Bäumen. Hier ist der Hochsommer auf angenehme Art zu spüren: Im Schatten des satten Grüns lässt es sich auch bei 30 Grad aushalten. Es ist nicht viel los – die Menschen, die da sind, schlendern allein oder zu zweit über die verschiedenen Wege durch den Garten und suchen sich ihre Lieblingsbank. Auf einer der vielen Bänke döst ein Mitarbeiter in grüner Latzhose unter einem Baum, auf einer anderen stillt eine Frau im Schatten ihr Kind. Zwei Rentnerinnen spazieren plaudernd an beschilderten Sträuchern vorbei. Hier ist wirklich nichts zu spüren von Touristenmassen, lauten Motoren und ratternden Straßenbahnen.
Garten mit langer Geschichte
Der Universitätsgarten ist der älteste botanische Garten Tschechiens. Er wurde im Jahr 1775, damals noch in einem anderen Teil in der Stadt, in Smíchov, gegründet. Allerdings eignete sich der Standort nicht besonders gut für die Kultivierung der rund 13.000 Pflanzenarten, da es häufig zu Überschwemmungen kam. Deshalb wurde ein neues, höher gelegenes Grundstück auserwählt und im Jahr 1898 am heutigen Standort der Botanische Garten zusammen mit den botanischen Instituten der tschechischen und deutschen Universität eröffnet. Am 14. Februar 1945 wurden im Zuge einer Razzia die Gewächshäuser der deutschen Universität beschädigt und daraufhin abgerissen. Nach der Befreiung übernahm die Karls-Universität den gesamten Garten.
Heute umfasst er eine Fläche von 3,5 Hektar und beheimatet Pflanzen aller Kontinente. Bekannt ist der Garten jedoch für seine Sammlung mitteleuropäischer Blumen, die vor mehr als hundert Jahren gegründet wurde und seitdem weitergeführt wird. Auf der Website des Gartens kann man sich genau informieren, welche Pflanzen gerade blühen. Daneben zieht ein etwa 130 Jahre alter zweilappiger Gingkobaum die Aufmerksamkeit auf sich.
Tierische Bewohner
Der Besuch der tropischen und subtropischen Gewächshäuser ist kostenpflichtig und nur bis zum Nachmittag möglich. Von außen kann man allerdings auch die zahlreichen Kakteen und Sukkulenten durch die Glaswand bewundern. Zwischen den Gewächshäusern steht außerdem ein großer Käfig, in dem ein Dutzend Papageien leben. Ihre kreischenden Stimmen sind im gesamten Garten zu hören. Auch wenn mir angesichts der Größe des Käfigs und der Anzahl der Vögel etwas mulmig wird, scheinen sich die Tiere gewisser Beliebtheit zu erfreuen. Eine Frau, bei der es sich vermutlich um einen Stammgast des Botanischen Gartens handelt, sitzt die gesamte Zeit meines Besuchs bei den Vögeln und erfreut sich ihrer Gesellschaft.
Mein persönliches Highlight ist allerdings ein hektisches Eichhörnchen, das von Baum zu Baum klettert und wohl schon dabei ist, Vorräte für den Winter zu sammeln und zu vergraben. Ich möchte jedoch noch nicht an den Winter denken, sondern den Prager Sommer in vollen Zügen genießen, zum Beispiel mit einem kühlen Getränk in der Gaststätte Mrtvá Ryba direkt am Botanischen Garten.
Liebe Leserinnen und Leser, ich bin Valerie und absolviere diesen Sommer ein zweimonatiges Praktikum beim LandesECHO. In dieser Zeit freue ich mich darauf, das journalistische Arbeiten kennenzulernen. Denn das bedeutet für mich, in einen ganz neuen Bereich hineinzuschnuppern. Studiert habe ich nämlich evangelische Theologie und im Anschluss daran einen Master in Medizin-Ethik-Recht in Halle (Saale). Ich hoffe, durch mein Studium und meine Interessen in den Bereichen Kultur, Theologie und Geschichte an Themen anknüpfen zu können, die den deutsch-tschechischen Austausch und die Themen der deutschen Minderheit in Tschechien bewegen. Jetzt bin ich bereit, ins kalte Wasser zu springen und gespannt, viel Neues zu sehen, zu lernen und zu erleben, sowohl beim LandesECHO als auch im sommerlichen Prag.