Wer an Tschechien denkt, denkt schnell an den Baumstriezel – Trdelník. Doch das wahre kulinarische Highlight des Landes versteckt sich in einem unscheinbaren, runden Gebäck: die Kolatsche. Landesbloggerin Alina nimmt Sie mit auf eine süße Entdeckungsreise rund um das Gebäck.

Haben Sie schon einmal vom Trdelník-Gate gehört? Wenn Sie diese Frage mit Nein beantwortet haben, wird es aber höchste Zeit, das nachzuholen. 2023 sorgte der US-amerikanische Botschafter Bijan Sabet für einen kleinen Eklat rund um ein vermeintlich tschechisches Gebäck. Der frisch ins Amt berufene Botschafter war gerade erst wenige Tage in Tschechien, um seinen neuen Posten anzutreten, als er nach einer Erkundungstour durch die Prager Altstadt seine Eindrücke auf Social Media teilen wollte. Doch dabei unterlief ihm ein kleiner Fehler: In der geposteten Fotoreihe war ein Trdelník mit Eiscremefüllung zu sehen. Das vermeintlich traditionelle Gebäck entpuppte sich als überhaupt nicht so authentisches Streetfood. 

Auch ich bin bei meinem ersten Prag-Besuch in dieselbe Falle getappt und hatte mich zu einem Kauf verführen lassen – aus den kleinen Läden mit den langen Touristenschlangen duftete es einfach herrlich nach Zimt und frisch gebackenem Teig. Zu gut erinnere ich mich an das beinahe entrüstete „Aber das ist doch gar nicht tschechisch!“, eines tschechischen Kommilitonen, als ich Jahre später von meinem Kauf erzählte – einem Trdelník mit Schokolade und Erdbeeren.

Wie ich und viele andere Touristen machte auch Sabet denselben Fehler und hielt das angepriesene Gebäck für ein echtes tschechisches Original. Die Kommentare auf Social Media ließen nicht lange auf sich warten, und auch Zeitungen sprachen prompt vom sogenannten Trdelník-Gate. Der Botschafter löschte den Post und veröffentlichte ihn kurz darauf wieder – diesmal allerdings ohne besagtes Bild. Einige scherzhafte Bemerkungen und Anspielungen später war die Sache schließlich wieder aus der Welt.

Damit man allerdings nicht aus Versehen in die gleiche Falle tappt wie der US-Botschafter, sollte man sich lieber an ein anderes süßes Gebäck wagen. Denn wer wissen will, wie Tschechien wirklich schmeckt, muss etwas anderes probieren: Und zwar die Kolatsche.

Im Café Stará škola werden die Kolatschen nach altem Rezept zubereitet. Credit: Alina Seitz

Das unscheinbare Highlight

Wer einmal das runde Gebäck gekostet hat, wird begeistert sein. Mit dem ersten Bissen schmeckt man den luftigen, weichen – manchmal auch noch lauwarmen – Teig, dann kommt die Füllung mit Obst, Quark und Krümeln, die die Kolatsche einfach perfekt macht.

Ursprünglich stammt das Wort Kolatsche von kolo – dem slawischen Wort für Rad – und tatsächlich erinnert seine Form an die eines kleinen Rädchens. Gebacken wird die Kolatsche seit dem Mittelalter, genauer gesagt, seit dem 13. Jahrhundert. Sie wurde damals sorgfältig von Hand hergestellt und kunstvoll verziert – für Hochzeiten, Kirchenhochfeste oder als Dank für eine gute Ernte. 

Je nachdem, in welche Ecke Tschechiens man reist, findet man zahllose Varianten des Gebäcks. Denn so unterschiedlich das Land ist, so unterschiedlich sind auch die Kolatschen. Während in Westböhmen Kolatschen aus dem Chodenland (Chodský koláč) weit verbreitet sind – ein Gebäck, das wegen seiner aufwendig mit Pflaumen und Mohn verzierten Optik fast zu schön zum essen scheint – gibt es in Mähren Hochzeitskolatschen (svatební koláčky) –Kolatschen in Plätzchengröße, von denen man weitaus mehr als nur eine essen kann. In der Mährischen Walachei um Zlin (Zlín) gibt es zudem valašský frgál, Kolatschen so groß wie ein Kuchen, der ganz oder stückweise verkauft wird.

Die klassische Kolatsche besteht aus Hefeteig, Butter, Milch, Eiern und ein bisschen Zucker. In der Mitte ist dann Platz für die Füllung, je nach Geschmack mit Quark, Mohn, Pflaumenmus oder anderen Früchten. Darüber streut man Streusel aus Butter, Mehl und Zucker und manchmal auch ein bisschen Zimt.

Füllungen mit Bedeutung

Doch die Kolatsche hat nicht nur kulinarische, sondern auch symbolische Bedeutung: Allein der Wahl der Füllung wurde früher eine große Bedeutung zugemessen. Während Kolatschen mit Schokolade für Geld und Reichtum sorgen sollten, überbrachten Pfirsich- und Erdbeerfüllung Glück und Liebe. Quark stärke die Psyche, Mohn hingegen die Fruchtbarkeit. Auch das Gittermuster hatte eine Symbolik und diente wiederum als Schutz vor bösen Geistern. 

Bei den sogenannten svatební koláčky, den kleinen, runden Gebäckstücken, die traditionell zu Hochzeiten in großer Zahl verteilt werden, finden sich noch weitere Bräuche. Laut der überlieferten Tradition sollen nur Ledige die Kolatschen aus den Ecken der Backbleche bekommen – denn wer einen davon isst, soll innerhalb eines Jahres und eines Tages heiraten. Wird das Küchlein zudem unter dem Tisch gegessen, verstärkt das angeblich die Wirkung. Die Braut darf beim Backen übrigens nicht mithelfen – und schon gar nicht vor der Hochzeit probieren. Sonst warten auf sie in der Ehe Unglück, weinende Kinder und Armut.

Moderne Varianten und exotische Experimente

Das klingt nach keinen so rosigen Aussichten, doch zum Glück ist auch bei den Kolatschen die Zeit nicht stehengeblieben: Die Bräuche sind zwar eine schöne Erinnerung, werden allerdings nicht mehr häufig beachtet. Stattdessen tauchen neben den klassischen Varianten immer mehr moderne Füllungen auf: Matcha und Himbeer-Cheesecake sind nur einige davon – auch Exoten wie Kiwi oder Banane finden sich vereinzelt in der Auslage. Ob man diese Experimentierfreudigkeit mag oder nicht, sei jedem selbst überlassen – die Kolatsche ist und bleibt vielseitig und (fast) immer lecker.

Klassiker trifft auf Neukreation – die Kolatsche mit Kiwi. Credit: Alina Seitz

Heute gibt es das Gebäck in so gut wie jeder Bäckerei, jedem Café oder Supermarkt – ganz zu meinem Glück. So kann man noch vor der Arbeit schnell in einen Laden huschen, sich eine leckere Kolatsche mit Blaubeerfüllung gönnen und glücklich den Laden wieder verlassen.

Wer Tschechien besucht und an den zahlreichen Ständen vorbeikommt, kann sich natürlich einen verführerisch süßen Trdelník holen und ihn unweit der Rathausuhr oder des Altstädter Rings essen. Wer aber den echten Geschmack Tschechiens probieren möchte, der sollte sich die Zeit nehmen und eine Kolatsche probieren.

Denn vielleicht ist das die eigentliche Pointe hinter dem Trdelník-Gate: Der kleine Fauxpas des Botschafters zeigt, dass Authentizität manchmal unscheinbarer aussieht. Kein spektakuläres Streetfood, sondern ein einfacher, runder kleiner Kuchen. Und das Gute ist: Meistens muss man gar nicht lange dafür anstehen.

Wenn Sie nach dem Lesen dieses Artikels nun zufällig Appetit bekommen haben, kann ich Ihnen die folgenden drei Läden nur empfehlen – weil die Kolatschen dort einfach fantastisch schmecken: Kus Koláče, Kolacherie na rybníčku und Chleba A Kafe.

Dobrou chuť und guten Appetit!

Rezept-Tipp:

Zutaten (für 12 Stück)

Für den Teig:

  • 500 g glattes Weizenmehl
  • 250 ml lauwarme Milch
  • 42 g frische Hefe (1 Würfel)
  • 6 Würfel Zucker (oder etwa 30 g)
  • 2 Eigelb
  • 200 ml Pflanzenöl
  • 1 Prise Salz

Für die Füllung (nach Geschmack):

  • Quarkfüllung mit Zitronenschale
  • Pflaumenmus
  • Mohn- oder Nussmasse
  • oder eine Kombination nach Lust und Laune

Zum Bestreichen:

  • 1 Ei (verquirlt)

Für den besonderen Glanz:

  • etwas geschmolzene Butter
  • 1 Schuss Rum

Zubereitung

  1. Den Vorteig ansetzen:
    Die Milch leicht erwärmen, einen Löffel Zucker und etwas Mehl einrühren, dann die Hefe hineinbröckeln. Etwa 10–15 Minuten stehen lassen, bis sich Blasen bilden.
  2. Den Hauptteig herstellen:
    Mehl in eine Schüssel sieben, Salz, Zucker, Eigelb, Öl und den aufgegangenen Vorteig dazugeben. Alles zu einem geschmeidigen Teig verkneten. Den Teig abgedeckt an einem warmen Ort etwa eine Stunde gehen lassen.
  3. Formen und Füllen:
    Den Teig kurz durchkneten, in etwa 12 Stücke teilen und zu Kugeln formen. Diese auf ein mit Backpapier belegtes Blech setzen und leicht flachdrücken. Mit einem Glas oder den Fingern eine kleine Vertiefung in der Mitte formen und die Füllung hineingeben.
  4. Backen:
    Die Ränder mit verquirltem Ei bestreichen. Nach Belieben mit Streuseln (aus Butter, Zucker und Mehl) bestreuen. Im vorgeheizten Ofen bei 180 °C etwa 20 Minuten goldbraun backen.
  5. Der letzte Schliff:
    Noch heiß mit der Butter-Rum-Mischung bestreichen – das gibt den Kolatschen ihren typischen Glanz und einen feinen Duft.

Tipps

  • Streusel: 1 Teil Butter, 1 Teil Zucker, 2 Teile Mehl verkneten. Für ein besonderes Aroma etwas Vanille oder Rum hinzufügen.
  • Füllungen variieren: Wer mag, kann die Kolatschen halb mit Mohn, halb mit Quark füllen – das sorgt für Farbe und Abwechslung.
  • Altböhmischer Geschmack: Ein Stück Butter statt Öl im Teig verleiht den Kolatschen einen traditionelleren, volleren Geschmack.
  • Frisch genießen: Wie bei allen Hefeteigen schmecken sie am besten noch leicht warm – direkt aus dem Ofen, mit einer Tasse Kaffee.

Quelle: www.toprecepty.cz

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