Als unsere Landesbloggerin nach Prag zog, wurde sie schnell mit dem Nachtleben konfrontiert. Gleich fiel ihr auf, dass die betrunkenen Menschengruppen und der Lärm ein wirkliches Problem für die Anwohner sind.

Bevor ich nach Prag gezogen bin, stand der 70. Geburtstag meines Opas vor der Tür. Neben den Standardkommentaren darüber, wie groß ich doch geworden bin, folgte prompt die Frage, was ich denn nun für meine Zukunft geplant habe. Studieren schön und gut – aber wie soll es danach weitergehen? „Hast du dich schon für Praktika beworben? Egal was man sagt, irgendwas gibt es in der Regel ja immer auszusetzen. Aber nicht dieses Mal. Als ich ihnen erzählte, dass ich für ein dreimonatiges Praktikum nach Prag gehen würde, waren plötzlich alle ganz baff. 

Es folgte eine Ode an die Stadt Prag. Barocke Paläste, gotische Kirchen, malerische Gässchen, die herrliche Lage direkt am Fuße der Modau und nicht zu vergessen die berühmte Karlsbrücke. Da ich selbst noch nie in Prag war, wuchs bei mir die Vorfreude. Der historische Kern der Stadt wurde 1992 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, zudem gewann die Stadt 2000 den Titel „Kulturhauptstadt Europas“.

Mit hohen Erwartungen nach Prag 

Ich reiste demzufolge mit großem Optimismus an. Mit guter Laune und voller Vorfreude kam ich an einem sonnigen Samstag in Prag an und stürzte mich direkt ins Getümmel. Mein erstes Ziel: die viel beworbene Altstadt. Doch noch bevor ich in den Genuss der Prager Schönheit kommen konnte, rempelte mich ein völlig betrunkener Mann an. Irritiert schaute ich ihn an. Mir sprang sein neongrünes T- Shirt ins Auge. „Er heiratet, wir sind nur zum Saufen hier.“ Der aufgedruckte Pfeil sollte wahrscheinlich auf seinen ebenfalls stark angetrunkenen Freund, den Bräutigam, hindeuten. Junggesellenabschied. Ich dachte mir nichts weiter dabei und ging – zu diesem Zeitpunkt noch – leicht amüsiert weiter. Da ahnte ich noch nicht, mit wie vielen komplett zugedröhnten Touristen ich an diesem Abend konfrontiert werden würde. 

Dass betrunkene Menschen peinlich und laut sind, ist nichts Neues. Aber in welcher Konzentration sich diese Menschen an einem Samstagabend in der Prager Altstadt versammelten, schockierte mich. Überall betrunkene Männer, die lautstark rumgröhlten. Wo mein Blick auch hinfiel, sah ich leere Bierflaschen, T-Shirts mit bescheuerten Saufsprüchen und Erbrochenes. Diese Tatsache hatte ich entweder überhört oder sie fand keine Erwähnung in den überschwänglichen Lobreden meiner Verwandten. 

Prag wehrt sich gegen Partytouristen

Mit knapp sechs Millionen Touristinnen und Touristen im vergangenen Jahr zählt Prag zu den meistbesuchten Städten der Welt. Doch anscheinend kommt ein Teil der Besucherinnen und Besucher nicht nur hierher, um sich die gotischen Kathedralen, Renaissance-Paläste und die Karlsbrücke anzuschauen, sondern um sich mal richtig die Kante zu geben. 

Das könnte unter anderem an den vergleichsweise günstigen Alkohlpreisen liegen. Der Däne beispielsweise wird sich freuen, hier Gin Tonic zum Preis eines einheimischen Bieres trinken zu können. Zudem hat Prag eine große Party-Stripclub und Rotlichtviertelszene. Perfekt, um mit den Jungs nochmal einen drauf zu machen, bevor man sich in die Fesseln der Ehe begibt. Gerade die warmen Sommernächte laden viele Touristen dazu ein, ihre Partys auf die Straßen der Prager Innenstadt zu verlagern. Dass die Gegend rund um das Moldauufer jedoch nicht nur Partygebiet, sondern auch ein Wohngebiet für viele Einheimische ist, scheinen viele Partytouristen zu vergessen.

Bereits seit einigen Jahren ist klar: Prag hat ein Problem mit Alkoholtourismus. Pub-Crawling, Junggesellenpartys und Bierfahrradtouren – viele Prager haben die Nase voll. Die Stadt versucht seit Jahren, sich mit unterschiedlichen Maßnahmen zu wehren – auch um die Anwohner der Prager Altstadt zu schützen. Im Juli 2022 trat eine neue Verordnung in Kraft, die das Konsumieren von Alkohol an 1036 Orten in Prag verbietet. Zudem verbietet die Verordnung das Trinken von Alkohol im Umkreis von 100 Metern vor U-Bahn-Eingängen und an allen Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel. Alleine eine offene Flasche Alkohol kann eine Strafe nach sich ziehen. 

Neben viel Lärm hinterlassen die Partytouristen auch Unmengen an Müll und leeren Flaschen. Foto: Helene Schaarschmidt

Der Nachtbürgermeister sorgte für Ordnung 

Um das Verhältnis zwischen Touristen und Anwohnern zu verbessern, etablierten sich in den vergangenen Jahren in vielen Metropolen sogenannte „Nachtbürgermeister“. Ihre Aufgabe besteht vorrangig darin, das Verhältnis zwischen Partybesuchern, Clubbetreibern und Anwohnern zu verbessern. 2019 beschloss eine Kommission, auch in Prag einen Nachtbürgermeister vorübergehend einzustellen. Jan Štern setzte sich in den vergangenen Jahren für ein maßvolles Feiern ein. Eine Sperrstunde, wie es sie beispielsweise in Amsterdam gibt, hielt er für überzogen, da die Stadt Prag unter anderem vom Tourismus lebt. Vielmehr wollte er das Prager Nachtleben neu organisieren. Zu seinem Lösungsansatz gehörte damals beispielsweise der Vorschlag, dass sich die Kneipen und Clubs im Verbund Soho (in der Gegend um die Dlouhá-Straße) verpflichten, nicht mehr mit von Agenturen organisierten Kneipentouren zusammenzuarbeiten. Eine Plakatkampagne sollte die Touristen darauf hinweisen, dass ab 22 Uhr die Nachtruhe beginnt. Zudem wurde der Autoverkehr in der Gegend um die Dlouhá-Straße eingeschränkt, da ein großer Teil der Lärmbelästigung von den Autos ausging. 

Ob sich die Situation seit der Einführung des Nachtbürgermeisters Jan Štern verbessert hat, kann ich leider nicht einschätzen. Doch eines ist sicher: Das nächtliche Partyleben bleibt ein lauter Teil von Prag. 

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