Die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien ist seit einigen Wochen wieder offen, aber der Tourismus kommt nur langsam wieder ins Rollen. Unsere LandesBloggerin berichtet über ihre Eindrücke von einem weniger touristischen Prag.
Das letzte und zugleich erste Mal, dass ich in Prag war, ist schon eine Weile her. Damals war die Welt noch eine andere und eine Pandemie kannte man höchstens aus den Geschichtsbüchern. Ich suchte mir für meinen ersten Besuch in der tschechischen Hauptstadt vor ein paar Jahren aber nicht den günstigsten Zeitpunkt aus, wie sich hinterher herausstellte. Es war im Dezember, wenige Wochen vor Weihnachten. Im Internet las ich, dass Prag zur Weihnachtszeit durch die vielen Weihnachtsmärkte und historischen Gebäude einen ganz besonderen Zauber entfalten soll. Auf diversen Listen zu den schönsten Orten für den Weihnachtsurlaub findet sich Prag regelmäßig auf dem ersten Platz. Mit der Idee stand ich aber nicht alleine da. Unglaublich viele Touristen drängten sich mit mir durch den bekannten Altstädter Weihnachtsmarkt, um einen Blick auf den riesigen Weihnachtsbaum zu bekommen und die süßen Baumstriezel (Trdelník) zu probieren. Nach dem Wochenende fuhr ich ziemlich erschöpft nach Hause und nahm mir vor, touristische Reiseziele erstmal zu meiden. Jährlich kommen etwa sechsmal so viele Touristen nach Prag wie die Stadt Einwohner hat. „Übertourismus“ (engl. Overtourism) hatte sich in der tschechischen Hauptstadt zu einem Problem entwickelt, bei der nicht nur die Einheimischen die Touristen als Störfaktor wahrnehmen, sondern die Besucher selbst die hohe Zahl der sie umgebenden Touristen als störend empfinden.
Ein bei Touristen beliebter Ort ist auch die Burg Vyšehrad. Von dort lässt sich ein wunderbarer Ausblick auf die „goldene Stadt“ genießen. Foto: Stephanie Bergwinkl
Alles anders durch Corona
Durch die Coronakrise hat sich dieses Problem nun umgekehrt. Der Tourismus ist eingebrochen, die Hotels kämpfen ums Überleben und die Stadt Prag startet ab Juli die Aktion „In Prag wie zu Hause“, um die Besuchszahlen wieder anzukurbeln. Aktuell erlebt man die Hauptstadt wie lange nicht mehr. Leer kommen mir die Straßen aber trotzdem nicht vor. Viele Einheimische tummeln sich in der Altstadt und genießen die Sonnenstrahlen am Moldau-Ufer. Etwas ungewohnt ist es aufgrund der Pandemie aber noch, so viele Menschen in großen Gruppen zu sehen. Die Sperrstunde der Bars um 23 Uhr wird konsequent eingehalten. Die Barbetreiber zeigen sich aber kulant, indem man sein Getränk draußen vor der Tür austrinken kann oder es in Plastikbecher abgefüllt bekommt. Das berühmte Prager Nachtleben ist zwar bei Weitem noch nicht zum Alten zurückgekehrt, aber es finden schon wieder kleine Konzerte und Veranstaltungen statt. Bei dem Konzert einer lokalen Band herrscht Maskenpflicht und ich habe das Gefühl, dass die meisten sehr respektvoll den Sicherheitsabstand einhalten. Vor kurzem hat die Karlsuniversität (Univerzita Karlova), als größte Universität des Landes, bekannt gegeben, wieder Erasmus-Studierende aufzunehmen und zu entsenden. Dabei gibt es laut der Abteilung für internationale Beziehungen nicht weniger Studierende, die für ein Erasmus-Semester nach Prag kommen wollen als vor der Pandemie. Auch die Touristen werden früher oder später wieder zurückkommen. Deswegen ist es umso schöner, aktuell noch ein etwas anderes Prag zu genießen.