Das dänische Kampfflugzeug F-16 bei der NATO-Übung "Exercise Real Thaw 2018". Foto: NATO

Diesen Vorschlag zur Verbesserung der europäischen Integration unterbreitete Jakub Hotový in seinem Essay, mit dem er beim LE-Essaywettbewerb den 2. Platz belegte.

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1951, gründeten sechs Staaten, darunter auch Deutschland und Frankreich, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Anlass zur Gründung einer supranationalen Organisation stellte damals vor allem die Bemühung um die Verhinderung eines weiteren Kriegs auf europäischem Gebiet mithilfe wirtschaftlicher Kooperation dar. Ein paar Jahre später wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) errichtet, der im Laufe der Zeit 22 weitere europäische Länder beitraten. 1993 wurde die EWG in Europäische Union umbenannt. Aufgrund des Austritts Großbritanniens gehören der EU heute 27 Mitgliedstaaten an. Obwohl im Rahmen der mehr als 60 Jahre dauernden europäischen Integration Zahlreiches erreicht wurde, gibt es immer mehr Skeptiker, die die Zukunftsfähigkeit der EU bezweifeln. Aus diesem Grund nenne ich einen Vorschlag, der aus meiner Sicht zur Vertiefung der europäischen Integration beitragen könnte.

Jakub Hotový ist 23 Jahre alt und studiert das Masterprogramm „Tschechisch-Deutsche Areale Studien“ an der Südböhmischen Universität Budweis. Foto: privat

Jakub Hotový ist 23 Jahre alt und studiert das Masterprogramm „Tschechisch-Deutsche Areale Studien“ an der Südböhmischen Universität Budweis. Foto: privat

Gemeinsames europäisches Heer

Seit langem wird eine Diskussion geführt, ob Europa ein gemeinsames Heer zur Verfügung haben soll. Ich bin sehr dafür, weil es einerseits zu einer dauerhaften Friedenssicherung innerhalb Europas und anderseits zur Bewältigung von bereits entstandenen Auseinandersetzungen in Europa und umliegenden Gebieten beisteuern könnte. Zugleich wäre die engere Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung im Fall einer von außen kommenden Gefahr (z. B. des IS-Terrorismus, der Bedrohung durch Hacker oder eines möglichen, jedoch derzeit unwahrscheinlichen Angriffs eines anderen Kontinents auf einen EU-Mitgliedstaat) sehr behilflich. Aber auch umgekehrt – europäische Truppen könnten in Asien oder Afrika, wo ein Krieg geführt wird, eingreifen und einzelnen Staaten, die ein demokratisches Regime anstreben, helfen. Der Europäischen Union und ihren anderen Institutionen gelang es zwar während ihrer mehrjährigen Existenz, den Kriegskonflikten zwischen den Mitgliedstaaten vorzubeugen, trotzdem war und ist offensichtlich, dass es ihr an Kraft mangelt, den Frieden auch in ihrer Umgebung zu sichern (siehe Jugoslawienkriege oder der Krieg in der Ukraine). Schließlich zeigte auch die Flüchtlingskrise 2015, wie sehr eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie gefragt ist.

Alternative zur NATO?

Zurzeit gilt die NATO als die größte übernationale Militärorganisation, der neben den USA als Führungsmacht mehrere EU-Mitgliedstaaten angehören. Die NATO ermöglicht also nicht nur einen engen Austausch zwischen Europa und den USA, sondern auch zwischen der NATO und der EU. Momentan gibt es jedoch relativ viele NATO-Kritiker, etwa der französische Präsident Emmanuel Macron, die ihren künftigen Beitrag bezweifeln. Falls sich das NATO-Format in Zukunft als nicht funktionell erweisen würde, wäre es auf jeden Fall von Nutzen, eine Alternative zur Verfügung zu haben, die die zunehmenden Einflüsse aus Russland, China oder den USA ausbalancieren würde. Das Modell des europäischen Heers könnte in der Praxis so aussehen, dass jeder Mitgliedstaat eine bestimmte Anzahl von Soldaten, je nach der Größe des Landes, der Europäischen Union zur Verfügung stellen würde. Diese würden dann an einem Ort integriert, wo ein militärisches Training im Sinne der gemeinsamen europäischen Werte und Prinzipien stattfinden würde. Dieser Schritt würde höchstwahrscheinlich zu einer Auflösung der staatlichen Armeen führen, aber meiner Meinung nach würde es im Endeffekt einen Vorteil darstellen, denn falls ein Krieg zwischen einem EU-Mitgliedstaat und einem Nicht-EU-Staat drohen würde, könnte dieses Problem gesamteuropäisch gelöst werden. Zusätzlich würde so eine Zusammenarbeit zwischen den Soldaten aus allen EU-Ländern zweifellos einen wesentlichen Beitrag zum Abbau nationaler Tendenzen leisten. Obwohl die Mehrheit der EU-Bürger die Initiative eines gemeinsamen Militärs unterstützt, wird es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis ein für alle Mitglieder annehmbares Konzept auf den Weg gebracht wird.

Zurück zu den ursprünglichen Werten

Im Laufe der europäischen Integration wurde viel geleistet. Europa bedeutet für uns heute Waren- und Personenfreizügigkeit, gemeinsame Währung, aber vor allem ständige Friedenssicherung, was etwa die jüngere Genration für selbstverständlich hält, weil sie kein anderes Europa kennt. Aber wir leben in herausfordernden Zeiten, mehrere Ereignisse werden Europa auf die Probe stellen. Neben der Klimakrise droht meiner Meinung nach etwas Schwerwiegendes: nämlich, dass sich Europa wegen Uneinigkeit in verschiedenen Fragen zersplittert und jeder Staat in Zukunft nur auf sich angewiesen sein wird. Deswegen ist es gerade jetzt notwendig, zu den Werten und Prinzipen, wegen deren die EU gegründet wurde, zurückzukehren. Man kann definitiv den Fahrstil oder die Fahrtrichtung Europas verändern, das Prinzip und die Beweggründe müssen aber erhalten werden. Europa überstand in der Vergangenheit schon viele schwierige Phasen gemeinsam und ich bin optimistisch, dass es das auch diesmal schafft.

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