Der Marktplatz von Kaaden heute, Foto: Steffen Neumann

Das Massaker von Kaaden (Kadaň) ist bis heute eine schmerzliche Wunde im kollektiven Gedächtnis der deutschen Minderheit in Tschechien wie auch der vertriebenen Deutschen. Eine Ausstellung am Ort des damaligen Geschehens arbeitet die Ereignisse von damals sensibel auf. Sie ist noch bis Ende September zu sehen.

Gepflegt und renoviert aber doch leer wirkt der mit Kopfsteinen gepflasterte Marktplatz von Kaaden an diesem späten Juninachmittag. Der berühmte weiße Rathausturm sieht frisch gestrichen aus, die Kaadener Stadtburg ist teilweise schon restauriert, teilweise noch von Gerüsten umgeben und der Eintritt in den Museumsteil verschlossen.

Ich habe Verspätung. Wo ich doch jetzt schon so weit aus Troppau (Opava) nach Westen gekommen bin, laufe ich aber doch noch weiter bis zum Hauptmuseum im Franziskanerkloster. Dieses soll bis 17 Uhr geöffnet sein.

Dort angekommen treffe ich auch nur eine junge Mutter mit zwei Kindern im Klostergarten und einen Mann an der Kasse. „Sind Sie nicht aus Troppau?“, ist sein erster Satz. „Ich habe eine Stunde lang auf Sie gewartet“, sein zweiter. „Ich bitte um Entschuldigung“, schäme ich mich. „Das macht nichts. Es kommt sowieso keiner her. Ich schließe hier noch schnell ab und dann machen wir uns auf zur Burg,“ antwortet er. Auf dem Weg dorthin erfahre ich einiges zur Geschichte der königlichen Stadt Kaaden und kurz darauf öffnet er auch schon die Tür zum Museum.

Kaaden Gedenkplatte web Richard Neugebauer

Aus Anlass der deutsch-tschechischen Unruhen vor 100 Jahren in Kaaden, aber besonders der Ereignisse vom 4. März 1919, läuft hier noch bis zum September eine Ausstellung zu diesem Thema. Sie erstreckt sich über einen großen länglichen Raum und besteht aus zwei Teilen. Im ersten befinden sich Informationstafeln und Gegenstände, etwa Taschen von Soldaten, Werbetafeln oder Bierdeckel. Im zweiten Raum ist der Kaadener Marktplatz nachgebaut, um den Ablauf der Schießerei, bei der 25 Menschen ums Leben gekommen sind, zu visualisieren. Obwohl ich der einzige Besucher bin, gibt sich Lukáš Gavenda alle Mühe, mir die Einzelheiten der Unruhen zu erklären. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Stadtmuseum.

Von ihm erfahre ich zum Beispiel, dass Maschinengewehrschüsse vom Fenster des Postgebäudes in Richtung der Straße abgegeben wurden. Sie prallten aber an runden Pflastersteinen ab und trafen letztlich Frauen und Kinder, die an der Pestsäule standen. Oder aber, dass die tschechische, die deutsche und die rote Fahne am Turm auf gleicher Hohe gehisst wurden. Später nahm man zunächst die deutsche, dann die tschechische ab und hisste schließlich die tschechische Fahne höher als die deutsche, was Unruhen auslöste.

Als man den Fall später untersuchte, so wird mir erklärt, tauchten zwei Probleme auf. Die Untersuchung durch tschechische Organe, die nicht besonders intensiv verlief, scheiterte daran, dass die beteiligten Soldaten landesweit versetzt worden waren. Die Untersuchung durch das Kaadener Rathaus selbst endete, als die ans Brüxer (Most) Gericht geschickten Unterlagen verloren gingen. Es wird mir außerdem offen gesagt, dass das Absperren des Friedhofes durch tschechische Behörden zum fünfjährigen Jahrestag im Jahr 1924 nicht korrekt gewesen sei.

 

20190628 Kaaden Fotos der Opfer web Richard Neugebauer

Während der Nazizeit hatte man auch ein größeres Denkmal geplant, dessen Umsetzung aber aussichtslos war. Es ist wohl besser, denke ich mir, dass dieses Vorhaben nicht verwirklicht worden ist.

Alles in allem ist diese Veranstaltung des Kaadener Museums zu loben. Die hiesigen deutschen Vereine, insbesondere die Komotauer (Chomutov), aber auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft waren bei der Eröffnung sowohl im Museum, als auch am Friedhof mit dabei. Es beweist, wie gut die Zusammenarbeit auf der lokalen Ebene bereits läuft. Schade, dass diese Erinnerung eher räumlich begrenzt ist, von unseren anderen Vereinen finde ich nämlich keinen im Gedenkbuch.

Die Ausstellung „Kadaňsky březen 1919 / Kaadener März 1919“ des Kaadener Museums in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Museum in Komotau ist noch bis zum 29. September 2019 in der Kaadener Burg zu sehen. Der Eintritt kostet 30 Kronen. Für Schulklassen werden halbstündige Sondertermine angeboten.

Ihre Verfügbarkeit kann unter muzeum@kultura-kadan.cz erfragt werden. Weitere Informationen unter www.mesto-kadan.cz.


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Am 4. März 1919 besiegelten Dutzende Tote das Schicksal der deutschen Minderheit innerhalb der neu gegründeten Ersten Tschechoslowakischen Republik.

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