Vergangenen Samstag gründete sich in Prag ein neues Deutsch-Tschechisches Parlamentarisches Gesprächsforum. Wir haben mit dem Initiator, dem Bundestagsabgeordneten Jörg Nürnberger (SPD), über die Bedeutung und Ziele dieses neuen Formats gesprochen.

LE: Heute [am Samstag, den 11. November 2023] fand die erste Sitzung des neugegründeten Deutsch-Tschechischen Parlamentarischen Gesprächsforums statt, das von Ihnen initiiert wurde: Was hat Sie zu diesem Schritt bewegt?  

Dieser Schritt hatte vor allem zwei Beweggründe: Zum einen war die Corona-Pandemie eine schwierige Zeit für die deutsch-tschechisch-slowakisch-ungarische Parlamentariergruppe und zum anderen wurden kurz darauf beide Parlamente neu gewählt. Dies hatte zur Folge, dass es nun eine solche Parlamentariergruppe im Bundestag gibt, die im Moment dysfunktional ist. Dies liegt vor allem daran, dass eine bestimmte Person dort als Vorsitzender benannt wurde und dementsprechend auf der tschechischen Seite nicht die Bereitschaft besteht, mit dieser Gruppe unter der aktuellen Leitung intensiv zusammenzuarbeiten.

Für mich war es daher wichtig, eine Alternative zu finden und der Ansatz mit unserem neuen Forum ist der, dass wir die Parlamentarier, sei es aus dem Senat, dem tschechischen Abgeordnetenhaus, den beiden Landtagen oder dem Europäischen Parlament, mit den Parlamentariern aus dem Bundestag zusammen an einen Tisch bringen. Denn es gibt verschiedene Probleme, die auf verschiedenen Hierarchiestufen in der staatlichen Verwaltung zu finden sind. Aus diesem Grund wollen wir parlamentarische Vertreter aus allen Ebenen zusammenführen.

LE: Einen internationalen Austausch auf der kommunalen und der Landesebene gab es bisher noch nicht? 

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es jemals in den deutsch-tschechischen Beziehungen ein koordiniertes und bewusstes Zusammentreffen der Abgeordneten der beiden Landtage, Sachsen und Bayern mit den Bundestagsabgeordneten und den tschechischen Abgeordneten gab. 

LE: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, die AfD (Alternative für Deutschland) und die tschechische SPD (Freiheit und direkte Demokratie) aus dem Forum auszuschließen und wie wird das in Zukunft umgesetzt? 

Es handelt sich hierbei um keine offizielle Initiative des Deutschen Bundestags, deshalb können wir in Absprache mit unseren tschechischen Kollegen entscheiden, wen wir dazu einladen möchten und wir haben uns eben dazu entschieden, unsere Gesprächskanäle nicht damit zu verstopfen, in dem wir Menschen einladen, die nicht im Sinne von guten nachbarschaftlichen Gesprächen daran teilnehmen würden. 

LE: Welche konkreten Ziele und Ergebnisse streben Sie mit dem Forum an? Wie soll die konkrete Arbeit des Forums aussehen?  

Die Ziele sind die Vernetzung und der Austausch zwischen den einzelnen Ebenen und den beiden Ländern. Dementsprechend haben wir uns heute als Programmpunkte zunächst einmal die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern und den Tourismus vorgenommen. Im zweiten Programmpunkt haben wir uns über die konkrete grenzüberschreitende Zusammenarbeit ausgetauscht. Dazu haben wir Herrn Ehm, den Geschäftsführer der Euregio Egrensis, eingeladen, der uns dargestellt hat, wie die Zusammenarbeit vor Ort mit den Menschen funktioniert. Dabei hat er uns auch darauf hingewiesen, welche Rahmenbedingungen geschaffen, eingehalten und vielleicht noch ausgebaut werden müssen, um diese Zusammenarbeit noch zu intensivieren. 

LE: … das heißt, in erster Linie ging es um Tourismus, Wirtschaft und den grenzüberschreitenden Austausch? 

… wir haben auch über Schulen, Energiepolitik und Verkehrswege geredet. In einem großen Rundumschlag wurden alle Themenbereiche aufgezeigt, bei denen die Notwendigkeit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit besteht. Und das positive Fazit dieser Veranstaltung ist: Alle Beteiligten wünschen sich eine Fortsetzung dieser Initiative. 

LE: Wurde schon besprochen, wie die nächsten Treffen gestaltet werden sollen? 

In den nächsten Treffen werden wir uns wahrscheinlich thematische Schwerpunkte setzen. Aktuell stellen wir uns vor, diese Treffen in einem halbjährlichen oder jährlichen Rhythmus bis zur nächsten Bundestagswahl zu organisieren. Dann müssen wir sehen, wie sich diese Initiative weiterentwickelt. 

Was auch ein Anliegen der tschechischen Seite ist, hinter dem ich voll stehe, ist die Frage, warum es überhaupt eine deutsch-tschechisch-slowakisch-ungarische Parlamentariergruppe gibt. Alle Nachbarstaaten Deutschlands, und seien Sie auch kleiner als Tschechien, haben eine eigene Parlamentariergruppe, außer Luxemburg und Belgien, aber das sind andere Verhältnisse. Nur Tschechien ist in dieser Gruppe mit so heterogenen Staaten wie Ungarn und Slowakei. Wir würden uns daher im Bundestag freuen, wenn das wieder auseinanderdividiert werden könnte. Die tschechische Seite hat diese Initiative auch von sich aus gestartet und ich für meinen Teil unterstütze das sehr gerne. 

Der Bundestagsabgeordnete Jörg Nürnberger (SPD) hat das erste Treffen des Deutsch-Tschechischen Parlamentarischen Gesprächsforums initiiert. Foto: Jörg Nürnberger

LE: Bis 2013 verfügte Tschechien noch über eine eigene Parlamentariergruppe, warum wurde das überhaupt zusammengelegt? 

Das waren damals administrative Gründe auf Seiten des Bundestages. Man war wahrscheinlich einem gewissen Sparzwang unterlegen. 

LE: Wie sah die Arbeit der Parlamentariergruppe aus, bevor Herr Bystron von der AfD die Leitung dieser Gruppe übernommen hat? 

In der Regel treffen sich die Parlamentariergruppen während einer Legislatur mindestens einmal in dem einen und einmal in dem anderen Land mit ihren jeweiligen Delegationen und tauschen sich aus. Es gab bisher nur einen Besuch dieser Parlamentariergruppe jetzt in Berlin, wo uns die tschechische Seite besucht und einen äußerst negativen Eindruck erworben hat, weil man versucht hat, bei mindestens einem der Termine eine Übermacht der AfD ohne Einbeziehung wesentlicher anderer Parteien herzustellen und dort über Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu diskutieren. Es war ein Kollege der Grünen bei diesem Treffen anwesend und ich erfuhr kurzfristig von diesem Termin. Wir saßen am Ende dann nur zu zweit als Vertreter der Regierungskoalition und der demokratischen Opposition in diesem Termin. 

LE: Wie wird Ihre Initiative auf der tschechischen Seite angenommen? 

Natürlich wünscht sich die tschechische Seite, die Parlamentariergruppe wieder mit Leben zu füllen und sich zu separieren von den anderen Ländern, denn auch hier ist man sich dessen bewusst, dass es ohne diese Kooperation und ohne diesen Austausch nicht funktioniert. Mit dem Schwerpunkt auf die grenzüberschreitenden Regionen wurde das von den tschechischen Abgeordneten durchaus positiv aufgenommen. 

LE: Wie möchten Sie sicherstellen, dass das Forum nicht als Ersatzveranstaltung für die bestehende Parlamentariergruppe wahrgenommen wird? 

Wir haben eigentlich drei Kriterien: Erstens, wir fokussieren uns auf den Grenzraum, zweitens sind wir offen für die Parlamentarier aus den Regionen und Landtagen und drittens sehen wir uns als Ergänzung der verschiedenen Aspekte in der parlamentarischen Zusammenarbeit. 

LE: Wie hat sich die Beteiligung des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums auf dieses Treffen ausgewirkt?

Wir sind sehr glücklich, dass das deutsch-tschechische Gesprächsforum uns die logistische Unterstützung in der Vorbereitung dieses Treffens zugesagt hat und dass wir hier im Rahmen des Gesprächsforums unseren eigenen Ort für Gespräche besetzen konnten.

LE: Welche Rolle spielen zivilgesellschaftliche Organisationen und Bürgerinnen und Bürger bei der Arbeit des Forums? Können diese sich auch an Ihrer Initiative beteiligen?

Das ist erstmal nicht unsere Absicht. Hier geht es in erster Linie um den Austausch zwischen den Parlamentariern. Natürlich brauchen wir gelegentlich Input von der Zivilgesellschaft und staatlichen Akteuren in den Sitzungen. So haben wir auch heute bestimmte Experten eingeladen. Dies wird auch in Zukunft der Fall sein. 

LE: Mit welchem Gefühl gehen Sie aus dem Treffen? 

Es war ein sehr positiver Auftakt. Jetzt müssen wir schauen, dass wir einen langen Atem behalten und nachhaltig arbeiten und dann glaube ich, dass dieses Format eine Zukunft hat. Ich bin da sehr optimistisch.  

Das Gespräch führte Maximilian Schmidt

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