Renata Drössler spricht im LandesEcho-Interview über Fremdsprachen, ihre Entwicklung als Sängerin und Musikdozentin, den perfekten Schlager und ihre kommende Frühjahrstournee.
Freitagnachmittag im schicken Café „Theatro“ des Musiktheaters Karlín. Renata Drössler kommt von der ersten Klavierprobe für ihre Frühjahrstour „Der den ich will“, eine Kooperation mit der Landesversammlung. Seit Mitte Dezember übt die 56-jährige Sängerin täglich die Texte der fünf deutschsprachigen Lieder des neuen Programms. „Wie das ‚Vater unser‘ immer wieder, morgens und abends“, sagt sie lachend. Überhaupt lacht sie viel. Und erzählt ganz beschwingt von dem neuen Projekt.
Renata Drössler: Das wird ein „Theater der Lieder“ – mit Requisiten und Kostümen, die die Liedtexte dann untermalen. Ich bin ja ausgebildete Schauspielerin. Das Dramatische passt sehr gut zum Chanson.
LE In welchen Sprachen werden Sie singen?
Fünf der insgesamt 19 Stücke sind auf Deutsch, unter anderem der Titelsong „Der den ich will“ von Anette Lousian und der Klassiker „Sag mir, wo die Blumen sind“. Die anderen Liedern singe ich auf Tschechisch, Polnisch, Slowakisch und Jiddisch bzw. Hebräisch. „Těšínská“ von Nohavica werde ich zu Teilen in all diesen Sprachen singen: Cieszyn war ja mal eine total kosmopolitische Stadt. Darum geht es in dem Lied.
„Wenn ich vor 100 Jahren geboren worden wäre, (…) würden würden wir auf dem Sachsenberg / beim Juden Kohn wohnen. (…) Ich würde Polnisch und ein bisschen Tschechisch sprechen, / ein paar Worte Deutsch und hübsch lächeln.“
Auch Jaromír Nohavicas „Těšínská“ gehört zum Programm, in allen vier Sprachen.
LE Welche Sprachen sprechen Sie aktiv?
Tschechisch natürlich, Polnisch ist meine zweite Muttersprache. Außerdem Slowakisch und Russisch, wie nahezu jeder in meiner Generation. Und den schlesischen Dialekt meiner Heimatregion.
Deutsch hatte ich im Gymnasium, aber das ist schon bald 30 Jahre her. Wenn ich das Gefühl habe, eine Sprache nicht richtig zu beherrschen, habe ich etwas Angst und schäme mich. Ich kann es zwar gut verstehen und lesen, aber wenig sprechen.
LE Wie fühlt es sich für Sie an, in Fremdsprachen zu singen?
Wenn ich auf Tschechisch oder Polnisch singe, dann verstehe ich natürlich alle Nuancen des Textes, ich kann mit der Interpretation spielen. Mit Fremdsprachen ist das schwieriger: Da muss ich mir alles Wort für Wort übersetzen, muss jede Vokabel und den Kontext kennen. Erst dann kann die Musik mich richtig mitnehmen. Nehmen wir mal „Ich brauche keine Millionen“: Als ich das Lied zum ersten Mal hörte, hat es mir sehr gefallen. Ich war begeistert. Aber diesen Text schnell vorzulesen, war für mich am Anfang schrecklich. Ich dachte, nein, so ein schnelles Lied, das schaffe ich niemals auf Deutsch. Das musste ich ganz intensiv trainieren. Jetzt geht es schon gut.
Auf Deutsch oder in anderen Sprachen zu singen ist für mich wie eine Abiturprüfung. Eine Herausforderung. Wenn ich die dann genommen habe, bin ich sehr stolz auf mich. Aber der Weg dahin ist schwerer und länger, das macht schon zehnmal so viel Arbeit.
LE Was braucht ein richtig gutes Lied, ein perfekter Chanson?
Einen guten Text! Das Wort ist der Vermittler der Emotionen. Die Menschen müssen den Text verstehen, er darf nicht zu „überintellektualisiert“ sein. Wenn ich auf der Bühne stehe und ein Lied singe, habe ich dreieinhalb Minuten und keine Zeit für Rückfragen der Zuhörer: „Entschuldigung, wie ist das da jetzt gemeint?“. Die Aussprache ist dabei wichtig. Ich muss dem Zuhörer das Lied auf dem Silbertablett präsentieren, sodass er sich zurücklehnen und einfach nur zuhören kann. Der Sänger muss nicht zaubern. Es muss echt wirken. Der Zuhörer muss das Besungene selbst mitdurchleben oder wenigstens glauben, dass es sich genauso anfühlen würde, wenn er es erleben würde. Die Interpretation muss die Emotionen und Energie des Textes verstärken.
„Es braucht diesen flüchtigen Schmerz /mein rast- und besitzloses Herz / will höllisch vermissen / statt halten zu müssen…“
Das Lied „Der den ich will“ von Anett Louisan stand Pate für Drösslers neues Tourprogramm und darf natürlich nicht fehlen.
LE Wie sind Sie zur Musik gekommen?
Das Singen war mein Kindheitstraum! Ich musste immer dafür kämpfen. Aber ich glaube fest daran, dass sich Träume erfüllen, wenn man nur immer an sie denkt und sie nicht loslässt.
Ich wollte immer auf einer Bühne stehen und singen. In unserer Kleinstadt Třinec im Mährisch-Schlesischen Kreis war das in etwa so wahrscheinlich wie Prinzessin zu werden. Unterstützung erfuhr ich kaum. Musikunterricht musste ich mir selbst organisieren. Meine Eltern wollten, dass ich einen „ordentlichen Beruf“ ergreife, zum Beispiel Lehrerin. Aber ich entschied mich anders und studierte Schauspiel. Seitdem lasse ich es eher laufen. Mal spiele, mal singe ich mehr.
LE Tschechin, Polin, Europäerin, … – wer sind Sie?
Ich bin ein kosmopolitischer Mensch, eine Weltbürgerin!
LE Was machen Sie neben der Musik?
Neben der Musik macht mir besonders viel Freude: die Musik! (lacht)
Ernsthaft: Meine pädagogische Tätigkeit am Internationalen Konservatorium hier in Prag macht mir viel Freude: Ich mag es, meinen Studierenden die Seele zu öffnen. Wenn Du Chanson singst, musst Du Dich bis auf die Seele ausziehen. Wer das nicht möchte, kann diese Lieder nicht singen. Außerdem brauche ich viel Bewegung: jeden Morgen Fitnessstudio oder Yoga. Das ist wichtig für mein Wohlbefinden. All diese halbpsychologischen Dinge interessieren und beschäftigen mich sehr.
LE Wo stehen Sie in zehn Jahren?
Im Ausland, als eine Sängerin, deren Namen die Menschen kennen. Ob sie mich nun hören oder nicht. Japan und China interessieren mich.
Ich will ein guter Mensch sein, der genug Geld hat, um Bedürftigen zu helfen und um selbst frei zu sein. All das will ich mit dem Gesang erreichen. Chanson singen kann ich ja noch bis über 70, wenn Gesundheit und Freude so stark bleiben wie heute.
Außerdem will ich in zehn Jahren Deutsch, Englisch und Italienisch sprechen können!
Sie lächelt pflichtbewusst. Aber nun muss sie wirklich los – zum „Dracula“-Soundcheck. Vor über 27 Jahren spielte sie zum ersten Mal eine von drei Damen des Graf Dracula im gleichnamigen Musical. Heute läuft bereits die vierte Inszenierung in Originalbesetzung im Karlíner Musiktheater. Drössler ist ihren Stücken treu. Im Theater „Pod Palmovkou“ spielt sie seit 23 Jahren die Marlene Dietrich in „Edith und Marlene“. Mit glänzenden Augen und herzlichem Lächeln läuft sie schnell zur nächsten Aufführung.
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