Vor fünf Jahren stand die Brücke/Most-Stiftung vor dem Aus. Inzwischen ist sie wieder zurück, dank des Einsatzes wichtiger Partner.
Es ist Tag Zwei der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Tschechien ist in aller Munde. Doch dieser Termin lässt aufhorchen. Die Brücke/Most-Stiftung lädt zum 25-jährigen Jubiläum in die Brücke-Villa im Dresdner Stadtteil Blasewitz. „Wir sind wieder da, auch wenn es bisher nur ein Teil der früheren Tätigkeit ist“, sagt Stiftungsgründer Helmut Köser. Besonders freut ihn an diesem Tag die Anwesenheit der Europaministerin Katja Meier (Grüne). „Das hätten wir uns vor fünf Jahren gewünscht“, so der heute 81-Jährige.
Doch damals wurde die Stiftung fallen gelassen. Jahrelange Hilferufe nach einer kontinuierlichen Förderung durch die sächsische Staatsregierung blieben ungehört. Ausgerechnet im 20. Jahr ihres Bestehens musste die Brücke/Most-Stiftung ihre „operative Tätigkeit“ einstellen, wie es 2017 hieß. Die jahrelange Nullzins-Politik hatte die Erlöse der Stiftung schmelzen lassen. „Operative Tätigkeit“ war ein anderes Wort dafür, dass die Stiftung keine reine Förderstiftung war, sondern das Vermögen durch eigene Projekte potenzierte. Letztendlich war sie im deutsch-tschechischen Kosmos eine Institution, die von einem Tag auf den anderen wegbrach. Deutsch-tschechische Begegnungen in dem Tagungszentrum waren seitdem genauso passé wie grenzüberschreitende Bildungsprojekte und Kulturveranstaltungen. Die Tschechisch-Deutschen Kulturtage konnten mit Hilfe des Freistaats gerettet werden. Zu mehr sah sich die Staatsregierung, die sich sonst gern ihrer engen Kontakte ins Nachbarland rühmte, damals nicht in der Lage.
Der Freistaat hat sich bewegt
Dass es die Stiftung wieder gibt, ist der Intervention von Politikern aus Tschechien und Deutschland zu verdanken, wie dem Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, Tomáš Jelínek, dem langjährigen Co-Vorsitzenden des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, Bundesminister a. D. und heutigen Hohen Kommissar in Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, oder dem grünen Baubürgermeister Dresdens, Stephan Kühn, damals Bundestagsabgeordneter und Mitglied der deutsch-tschechischen Parlamentarierkommission, heute selbst im Vorstand der Stiftung. Immerhin ging es um den Erhalt einer einzigartigen Institution, deren Netzwerk ihrerseits viele Partner in Deutschland und Tschechien verband.
Stiftungsgründer Helmut Köser. Foto: BMSt/Radek Maňák
Entscheidend für die Renaissance der Stiftung war eine dreijährige vorübergehende institutionelle Förderung durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. „Das hat geholfen, uns aus eigener Kraft zu restrukturieren“, sagt Helmut Köser.
Letztendlich bewegte sich auch der Freistaat. Mancher bringt das mit dem Wechsel von Stanislaw Tillich zu Michael Kretschmer in Verbindung. Zumindest fand die Stiftung bei der Staatsregierung wieder Gehör und ist seit 2019 Träger der vom Kultusministerium geförderten Landesservicestelle „Lernorte des Erinnerns und Gedenkens“, die Schulfahrten an Gedenkorte in Sachsen, Deutschland und Europa organisiert, wie ins Ghetto Theresienstadt im tschechischen Terezín. Ein Programm, das es so bisher in Sachsen nicht gab.
Starker Rückgang bei Begegnungen
Der Einschnitt 2017 ist aber immer noch zu spüren. Know-how ging entweder an andere Organisationen oder ganz verloren. Letztendlich bot die Brücke-Villa selbst Raum für Begegnungen, der so nicht mehr da ist. Potenziert wird dieser Verlust durch die Coronapandemie in den letzten zwei Jahren, in denen der deutsch-tschechische Austausch trotz Online-Alternativen fast ganz zum Erliegen kam. Und Akteure wie die Leiterin des Tandem-Koordinierungszentrums in Regensburg, Kathrin Freier-Maldoner, bestätigen, dass diese Begegnungen erst ganz langsam wieder anlaufen. Erst recht in Sachsen, wo Partner fehlen. Gegenüber 16 aktiven Schulpartnerschaften zwischen Tschechien und Sachsen im Jahr 2018 sind in diesem Jahr nur vier Partnerschaften gemeldet. Ähnlich sieht es bei Berufsschulen aus, etwas besser im außerschulischen Bereich. Hier ist also viel Aufbauarbeit nötig, bei der auch die Brücke/Most-Stiftung gebraucht wird. Aber diese ist, das gehört zur traurigen Wahrheit dazu, nicht mehr der große Player, der sie einmal war, räumt nicht nur Stifter Helmut Köser, sondern auch Bildungsmanager Tobias Kley ein, einer der wenigen, der von dem früheren fast 20-köpfigen Team bleiben konnte. „Wir machen auch deutsch-tschechische Begegnungen, aber das ist momentan minimal. Wir würden es gern ausbauen“, sagt Kley.
Konfliktpotenzial Ukraine-Krieg
Umso wichtiger ist das neue Interesse an der Stiftung als zivilgesellschaftlicher Akteur seitens der sächsischen Staatsregierung, wie Ministerin Meier betont. Sie hebt einmal mehr die „prädestinierte Lage“ Dresdens als Verbindungsglied zwischen Deutschland und Tschechien hervor. Und gesteht mit Blick auf den Krieg in der Ukraine: „Wir hätten viel aufmerksamer hinhören müssen, was uns die Menschen in Tschechien zu sagen haben.“ Tomáš Jelínek vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds sieht darin sogar eine neue Belastungsprobe für das deutsch-tschechische Verhältnis. „Ich bin überrascht, wie unreflektiert in Deutschland auf Tschechien geblickt wird, weil wir vehement für Waffenlieferungen eintreten“, sagt er und vergleicht die Situation mit 2015, als in der tschechischen Gesellschaft das Unverständnis über die massive Zuwanderung nach Deutschland groß war. „Es wird höchste Zeit, dass wir zwischen Deutschland und Tschechien wieder ins Gespräch kommen“, hofft Jelínek.
Die Brücke/Most-Stiftung möchte dabei ihren Beitrag leisten. „Wir müssen jetzt Schritt für Schritt wachsen. Es wäre schön, wenn in der Villa irgendwann wieder Begegnungen stattfinden können“, nennt Stifter Köser seinen Herzenswunsch an die Zukunft.