„Schwester Resoluta“ war der Spitzname der resoluten und schlagfertigen, dennoch immer freundlichen Ordensschwester Maria Restituta (Helene) Kafka, die durch die NS-Justiz zur ersten Märtyrerin Österreichs wurde. Heute vor 80 Jahren wurde sie hingerichtet.
Am 1. Mai 1894 erblickte Helena Kafka in Hussowitz (Husovice), einem Stadtteil von Brünn (Brno), als sechstes Kind ihrer Eltern das Licht der Welt. Ihre Eltern waren der Schuhmachergehilfe Anton Kafka und die Blumenmacherin Maria, geb. Stehlik.
Das Mädchen wuchs in äußerst bescheidenen Verhältnissen auf. Dies änderte sich auch nicht, als die Familie zwei Jahre später in den Zuwandererbezirk Brigittenau, heute ein Stadtteil Wiens ist, umzog. Die sozialen Ungerechtigkeiten, die Helene dort erlebte, sollten ihren Sinn für Gerechtigkeit und Nächstenliebe stärken. Da sie stotterte, musste Helene in ihrer Kindheit einige qualvolle Heilungsversuche über sich ergehen lassen, zu denen auch ein dreimonatiges Redeverbot zählte.
Eine charakterstarke Ordensfrau
Nach der Schulzeit verdingte sie sich zunächst als Dienstmädchen, Tabakverkäuferin und als Köchin. Später arbeitete sie als Hilfsschwester im Krankenhaus von Lainz. Dort begegnete sie auch dem Orden der „Franziskanerinnen von der christlichen Liebe“, den sogenannten Hartmannschwestern. Deren Leben und mildtätiges Wirken beeindruckte sie so sehr, dass sie sich dazu entschloss, dem Orden beizutreten. Ab 1916 wirkte sie als Schwester in der chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses im niederösterreichischen Neunkirchen.
Nachdem mehrere Schwestern den Dienst am Krankenhaus in Mödling bei Wien quittiert hatten, bat Helene Kafka, die seit Ihrem Ordenseintritt Schwester Maria Restituta hieß, dort ihren Dienst als Operationsschwester antreten zu dürfen. Ihre liebenswerte und direkte Art wurde von vielen geschätzt. Ihre fachliche Souveränität und ihre Durchsetzungskraft halfen Ihr bei diesem anspruchsvollen Dienst. Allen Patienten ließ sie die gleiche Fürsorge zukommen, gleich welcher Glaubensrichtung oder Weltanschauung sie sich auch zugehörig fühlten.
„Fromm, aber nicht frömmelnd“
Beispielhaft für Schwester Restitutas Charakter war, dass sie manches Mal in ihrer Ordenstracht durch die Straßen der Stadt rannte, um ein lebenswichtiges Medikament zu besorgen. Aber unsere Heldin konnte auch herzhaft gelassen sein, wenn sie nach einem anstrengenden Tag zu einer befreundeten Wirtin ins Gasthaus ging, um ein deftiges Gulasch und einen Krug Bier zu sich zu nehmen, was so manch einer als „für eine Ordensfrau nicht würdig“ monierte. Und tatsächlich ist sie wohl die erste Selige der Kirchengeschichte, die auf einem Kirchenglasfenster im kanadischen Vancouver mit einem Bierkrug dargestellt wurde. „Fromm, aber nicht frömmelnd“, fasste ihre Vizepostulatorin Sr. Dr. Edith Beinhauer ihren Charakter zusammen.
Ihrem Spitznamen „Resoluta“ sollte sie in der NS-Zeit alle Ehre machen. Von Beginn an machte sie deutlich, dass sie von den Nazis und deren Ideologie nichts hielt. Nach dem „Anschluss Österreichs“ 1938 lebte sie unbekümmert vor, was es heißt, eine Christin zu sein: Erkrankte Zwangsarbeiter behandelte sie genauso wie Einheimische. Sie sorgte dafür, dass auch „Volksfeinde“ Bluttransfusionen bekamen. Immer wieder riet sie ihrem Umfeld davon ab, der Nazi-Propaganda auf dem Leim zu gehen. Als die Kreuze aus den öffentlichen Gebäuden verschwanden, machte sich Schwester Restituta sogleich ans Werk und brachte Kreuze in den OP-Sälen an. Eine ungeheure Provokation in den Augen der Nazis.
Verbindung zur weißen Rose
Als sie aber einer Sekretärin ein Flugblatt der „Weißen Rose“ zum Abtippen gab und ihr ein regimekritisches „Soldatengedicht“ diktierte, wurde sie vom SS-Arzt Dr. Stumfohl belauscht und bei der Gestapo angezeigt.
Schwester Restituta wurde am Aschermittwoch, den 18. Februar 1942, im Operationssaal verhaftet. Zunächst kam sie zum Verhör in das Polizeigefangenenhaus Elisabethpromenade (heute: Roßauer Lände). Selbst unter Folter gab sie weder den Namen des Soldaten, von dem sie den Text des „Soldatenliedes“ erhalten hatte, noch den Namen der Schwester, die ihr bei der Vervielfältigung der Texte half, preis.
Später wurde die standhafte Ordensfrau in das Landgericht Wien I überführt. Etliche Mitgefangene gaben bewegende Zeugnisse ihrer Hilfsbereitschaft ab. Einer schwangeren Gefangenen sparte sie Kartoffeln von ihrer Essensration auf. Sie schmuggelte heimliche Mitteilungen in ihren Strümpfen, als sie wegen eines Gallenleidens im Krankenhaus behandelt werden musste. Sie führte etliche Seelsorgegespräche. Schwester Restituta zeigte, wozu eine Dienerin des Herrn auch angesichts einer aussichtslosen Lage im Stande ist.
Leben und Tod für Christus
Am 29. Oktober 1942 lautete das Todesurteil für Schwester Restituta auf „landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“. Selbst das Gnadengesuch von Wiens Erzbischof Theodor Kardinal Innitzer wurde von Martin Bormann, der mit den Befugnissen eines Reichsministers ausgestattet war, „aus Abschreckungsgründen“ abgelehnt.
Der bayerische Scharfrichter Johann B. Reichhart, der auch die Geschwister Scholl hinrichtete, vollstreckte am 30. März 1943 um 18 Uhr das Todesurteil. Er guillotinierte an diesem Tag neben Schwester Restituta auch einige Kommunisten und zwei weitere Frauen. Noch heute erinnert eine Tafel im Hinrichtungsraum des Wiener Landgerichts an dieses Verbrechen. Bevor die Klinge auf sie niedersauste, rief Schwester Restituta: „Für Christus habe ich gelebt. Für Christus will ich sterben.“
Die Gestapo lehnte die Bitte des Ordens um die Überlassung des Leichnams ab. Stattdessen wurde ihr lebloser Körper in einem Massengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof verscharrt. In einem Schnellbrief der Behörde steht dazu: Da „im Falle der Überlassung der Leiche eine unerwünschte Propagandatätigkeit und Verherrlichung der zum Tode Verurteilten als Märtyrerin zu erwarten ist“. Somit ist Schwester Maria Restituta Kafka zur ersten Märtyrerin Österreichs geworden. Bei seinem Österreich-Besuch im Jahr 1998 sprach Papst Johannes Paul II. sie auf dem Heldenplatz in Wien selig.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe nr. 3/2023
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