Vor genau einem Jahr begann der russische Angriffskrieg auf die gesamte Ukraine, Tschechien half dem angegriffenen Land von Anfang an. Ein Rückblick auf ein Jahr an der Seite der Ukraine.

Ein Blick durch die Rubrik Ukraine des LandesEcho zeigt, dass Tschechien von Anfang an an der Seite des angegriffenen Landes stand. Im vollen Bewusstsein, dass Putin bei einem militärischen Erfolg nicht in der Ukraine aufhören würde, stand die Unterstützung der Ukraine in der Regierung zu keinem Zeitpunkt in Frage. Der Blick zurück zeigt, dass diese sogar schon vor dem Einmarsch, als so manch andere Länder noch zögerten oder Putins Absichten unterschätzten, dem Land zur Seite sprangen.

Vorbereitungen auf Putin

Bereits im Januar des letzten Jahres beschloss die tschechische Regierung einstimmig, Artilleriegeschosse im Wert von 37 Millionen Kronen (1,56 Mio. Euro) nach Kiew zur Verteidigung zu schicken. Damit wolle man sich auf schlimmere Szenarien vorbereiten, erklärte Premierminister Petr Fiala (ODS) damals. Die Oppositionspartei ANO kritisierte diesen Beschluss als mögliche Eskalation, zu diesem Zeitpunkt hatte Russland bereits über 100.000 Soldaten an die Grenze gebracht.

Im Februar, wenige Tage vor dem Angriff, stellte sich Tschechien erneut auf die Seite der Ukraine. Die Krise ist bereits voll im tschechischen Bewusstsein angekommen, der öffentlich-rechtliche Nachrichtensender ČT24 widmete der Ukraine auf seiner Webseite sogar eine eigene Rubrik. Der tschechische Außenminister Jan Lipavský (Piraten) besuchte Anfang Februar noch den Donbass in der Ostukraine, um die Solidarität mit dem Land zu bekräftigen. Tschechien beschloss Waffenlieferungen, die Vorbereitung auf die Flüchtlinge und eine Stärkung der NATO. Zugleich erklärte der amtierende Präsident Zeman, dass er keine russische Aggression erkennen könne.

Als Putin schließlich russische Truppen in die Ostukraine entsandte und die Volksrepubliken Donezk und Luhansk zu souveränen Staaten erklärte, forderte die Regierung die härtest möglichen Sanktionen und warnte vor einem Krieg. „Wir stehen für eine freie und unabhängige Ukraine“, erklärte der Premier Petr Fiala (ODS).

Invasion beschwört tschechische Solidarität

Am 24. Februar trat schließlich ein, was in Tschechien bereits viele befürchteten. Putin begann mit der Invasion der Ukraine und drohte allen ehemaligen Staaten des sowjetischen Einflussbereichs. Die Reaktionen erfolgten Schlag auf Schlag, Tschechiens Politik war entsetzt und zeigte sich solidarisch mit der Ukraine, Menschen in ganz Tschechien gingen auf die Straße. Wir berichteten mehrere Tage in Echtzeit auf dem LandesEcho-Twitter-Profil zu den Entwicklungen in Tschechien, auch die deutsche Minderheit in Tschechien erklärte sich an mit dem angegriffenen Land solidarisch.

Demonstrationen zur Solidarität mit der Ukraine Ende Februar 2022 auf dem Wenzelsplatz. Foto: Manuel Rommel

Tschechien erklärte sich zur Unterstützung auf allen Ebenen bereit und schenkte der Ukraine 30.000 Pistolen, 7000 Sturmgewehre, 3000 Maschinengewehre, mehrere Dutzend Scharfschützengewehre und etwa eine Million Schuss Munition im Wert von etwa 188 Millionen Tschechischen Kronen (ca. 7,6 Mio Euro). Auch die tschechische Zivilgesellschaft zeigte ihre Solidarität, es kam zu mehreren Demonstrationen für den Frieden und eine freie Ukraine. Zudem kam es zu großen Spendensammlungen, Bahnfahren wurde für die zahlreichen Flüchtlinge kostenlos und es gab eine Sammelaktion im Haus der nationalen Minderheiten, die dort auch bis heute anhält. Eher symbolischer Natur war die Umbennung der Straße vor der Russischen Botschaft in Prag in „Straße der ukrainischen Helden“.

Inzwischen kehrte auch Präsident Zeman von seiner pro-russischen Haltung öffentlich ab, viele hielten dies für Heuchelei.

Der lange tschechische Atem

Putins Ambitionen eines schnellen siegreichen Krieges scheiterten katastrophal, zugleich wurden erste schreckliche Kriegsverbrechen der Invasoren bekannt. Es zeigte sich, dass die Ukraine langfristig auf die Hilfe des Westens angewiesen sein wird, um sich zu verteidigen. Eine aufkommende Strategie war hierbei der sogenannte Ringtausch. Tschechien lieferte der Ukraine hierbei seine alten sowjetischen Panzer und bekommt im Gegenzug Leopard-Panzer aus Deutschland. Tschechien war dabei eines der ersten Länder, die überhaupt Panzer an die Ukraine lieferten. Mit den bekannt gewordenen Kriegsverbrechen nahm der tschechische Staat auch Ermittlungen gegen russische Soldaten auf.

Erste Risse in der Ukraine-Solidarität? Ende September demonstrierten Zehntausende gegen die Ukraine-Politik der tschechischen Regierung. Foto: Jan Handrejch/Borgis/Profimedia

Zugleich wurden die negativen Auswirkungen der russischen Invasion auch in Tschechien spürbar. Die Abmilderungsversuche durch die Regierung und die europäische Solidarität waren einigen nicht genug, im Sommer gingen 70.000 Regierungsgegner auf die Straße. Der erste dunkle Fleck in der tschechischen Ukraine-Solidarität, die bis zu diesem Zeitpunkt ungebrochen war. Rechtsextreme und pro-russische Akteure hatten den Aufmarsch organisiert. Einen Monat später trafen sich an selber Stelle allerdings wieder zehntausende Tschechen, um ihre Solidarität mit der Ukraine zu demonstrieren.

Tschechien steht zu seinen Partnern

Die Zivilgesellschaft zeigte sich weiter solidarisch und beteiligte sich sogar indirekt an der militärischen Unterstützung. So sammelte eine tschechische Organisation über eine Millionen Euro für einen Panzer, den sie in die Ukraine schickte. Im Internet „annektierten“ in der Zwischenzeit einige Tschechen Královec (Kaliningrad) und gaben damit die russischen Großmachts-Fantasien der Lächerlichkeit preis.

Foto: Profimedia
Im November besuchte eine achtköpfige Regierungsdelegation Kiew. Foto: Profimedia

Ende Oktober besuchte schließlich eine achtköpfige Regierungsdelegation Kiew und führte Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Sie versprach weitere konkrete Unterstützung und eine Stärkung der bilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Sechs Monate nach der Absprache zum Ringtausch traf schließlich auch der erste deutsche Leopard-Panzer in Tschechien ein.

Mit der Wahl von Petr Pavel als neuen tschechischen Präsidenten Ende Januar 2023 bekräftigten die tschechischen Bürger erneut ihre Solidarität mit der Ukraine. Pavel forderte, dass die Ukraine der NATO beitreten sollen dürfe. Der tschechische Premier erklärte zuletzt, dass Tschechien inzwischen militärische Ausrüstung im Wert von zehn Milliarden Kronen (435 Millionen Euro) an die Ukraine geliefert hätte. Zudem nahm das Land pro Kopf die größte Anzahl an ukrainischen Geflüchteten in der gesamten EU auf.

Mit einem Blick auf das vergangene Jahr lässt sich also sagen, dass Tschechien fest an der Seite der Ukraine steht und zu großer Kraftanstrengung im Kampf für die Freiheit vor russischer Besatzung bereit war und ist.

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