Die Ehrenvorsitzende und letztes lebendes Gründungsmitglied der Seliger-Gemeinde, Olga Sippl, verstarb am vergangenen Wochenende.
Die Ehrenvorsitzende und letztes lebendes Gründungsmitglied der Seliger-Gemeinde, Olga Sippl, verstarb am vergangenen Wochenende. Credit: Seliger-Gemeinde

Olga Sippl, Mitbegründerin der Seliger-Gemeinde, Zeitzeugin von Krieg, Exil und demokratischem Neubeginn, ist am vergangenen Samstag mit 105 Jahren verstorben. Die Nachricht von ihrem Tod erreichte die Seliger-Gemeinde am vergangenen Wochenende während ihrer Bundesversammlung in Bad Alexandersbad.

Die Seliger-Gemeinde trauert um ihre Ehrenvorsitzende Olga Sippl, die am vergangenen Samstag, den 18. Oktober 2025, verstorben ist. Im September hatte sie in München noch ihren 105. Geburtstag gefeiert und eine Reihe von Gratulanten aus dem Umfeld der Seliger-Gemeinde empfangen. Mit Olga Sippl geht eine Zeitzeugin, Brückenbauerin und engagierte Sozialdemokratin, deren Lebensweg tief in der Geschichte des 20. Jahrhunderts verwurzelt war.

„Wir gedenken ihrer mit großem Respekt für ihre Lebensleistung und in tiefer Freundschaft. Ihre Persönlichkeit, ihr Weitblick und ihr reichhaltiger Erfahrungsschatz werden uns fehlen!“, so Christa Naaß, Ko-Vorsitzende der Seliger-Gemeinde in einer Mitteilung auf dem Online-Auftritt der Gesinnungsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten. Die Nachricht von ihrem Tod hatte die Bundesversammlung der Seliger-Gemeinde in Bad Alexandersbad am vergangenen Wochenende überschattet.

Mitbegründerin der Seliger-Gemeinde

Geboren 1920 im nordböhmischen Altrohlau (Stará Role) bei Karlsbad (Karlovy Vary), wuchs Olga Sippl (geb. Stohwasser) in einer sozialdemokratisch geprägten Familie auf. Schon als Jugendliche engagierte sie sich im Umfeld der Arbeiterjugend und erlebte früh den Druck des erstarkenden Nationalsozialismus. Als 17-Jährige erlebte sie im Frühjahr 1938 noch die Wahl Wenzel Jakschs zum Vorsitzenden der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP), die schon ein knappes Jahr später – kurz vor der Besetzung des Landes durch die Nationalsozialisten – ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet der damaligen Tschechoslowakei einstellen musste.

Krieg, Verfolgung und der Verlust der Heimat prägten ihren weiteren Lebensweg. 1946 kam sie nach Bayern – nicht resigniert, sondern getragen von dem Wunsch, demokratische Verantwortung neu aufzubauen. Sie schloss sich der SPD an und gehörte 1951 zu den Mitbegründerinnen der Seliger-Gemeinde, die bis heute das demokratische Erbe der sudetendeutschen Sozialdemokratie bewahrt. Bei den Bundesversammlungen war sie, insofern sie konnte, bis ins hohe Alter stets anwesend. Im vergangenen Jahr, damals bereits 104-jährig, hatte sie noch an der Verleihung des Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreises im Münchner Maximilianeum teilgenommen und dem Preisträger, dem ehemaligen tschechischen Premierminister Vladimír Špidla persönlich gratuliert.

„Ein Jahrhundertleben ist zu Ende gegangen“

Für viele war sie nicht nur eine Zeitzeugin, sondern ein lebendiges Band zwischen Geschichte und Gegenwart. Die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag würdigt sie mit den Worten: „Ein Jahrhundertleben ist zu Ende gegangen. Wie kaum eine andere Persönlichkeit stand Olga Sippl für die antifaschistische Tradition der sudetendeutschen Sozialdemokratie. Schon in den 1930er Jahren engagierte sie sich gegen Nationalismus und NS-Ideologie. Nach Krieg und Vertreibung setzte sie sich in Bayern für die SPD und die von ihr mitbegründete Seliger Gemeinde ein. Ihr lebenslanges Wirken galt der Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen sowie der Bewahrung demokratischer Werte. Wir werden sie nicht vergessen und in ihrem Sinne weiterarbeiten!“

Besonders eng verbunden blieb Sippl der Ortsgruppe Waldkraiburg, die sie über Jahrzehnte begleitete. „Sie war uns als Ratgeberin in echter Freundschaft eine große Stütze“, schreibt deren Vorsitzender Peter Schmid-Rannetsperger. „Gerade auch in den letzten Jahrzehnten hielt sie immer einen engen Kontakt zu uns aufrecht.“

Ihr politisches und menschliches Lebenswerk wurde vielfach geehrt – in Bayern wie in Tschechien. Unter anderem erhielt sie 1985 den Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis, 2002 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland und 2016 überreichte ihr der damalige tschechische Premierminister Bohuslav Sobotka die Karel-Kramář-Medaille.

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