In Tschechien wird intensiv über den Fremdsprachenunterricht gestritten. Doch was denken Schüler und Lehrer über die deutsche Sprache?

Das neue Schuljahr hat begonnen und für viele Schüler beginnt erneut der Deutschunterricht. Seit mehreren Jahren wird in Tschechien über die Abschaffung der zweiten Fremdsprache als Pflichtfach an den Grundschulen diskutiert. Ondřej Šteffl, ein angesehener Bildungsunternehmer, sorgte mit seiner Aussage „Zbytečná němčina“ (dt.: Überflüssiges Deutsch) für Aufsehen. Doch ist Deutsch wirklich so unbeliebt und überflüssig, wie es den Anschein hat?

Sprachideologien und Schülerperspektiven

In meiner Bachelorarbeit im Lehramt für Deutsch an der Masaryk-Universität in Brünn tauchte ich tief in die Welt der tschechischen Schüler und Lehrer und ihre Beziehungen zur deutschen Sprache ein. Diese Forschung führte mich an tschechische Gymnasien, von Prag über Brünn (Brno) bis hin nach Ostrau (Ostrava). Das waren die perfekten Orte, um dem Phänomen der verbreiteten „Sprachideologien“ unter Deutschlernenden auf dem Grund zu gehen. Hinter diesem wissenschaftlichen Begriff verbergen sich die Überzeugungen, Vorurteile und Gefühle, die Menschen mit einer Sprache verbinden.

Die tschechischen Schüler sind gespalten: Für die einen klingt Deutsch unschön, während die anderen von ihrem melodischen Klang schwärmen. Die Einschätzung der Schwierigkeit variiert ebenfalls stark – von „einfach“ bis „schwierig“ ist alles dabei. Historische Assoziationen werfen zusätzliche Schatten auf das Bild: Für manche bleibt Deutsch mit einer düsteren Vergangenheit verbunden, geprägt von Begriffen wie „Nazi-Sprache“ oder ,,Hitler”. 

„Ich glaube, wir alle haben andauernd dieses Vorurteil, dass Deutsch eine hässliche Sprache – eine Sprache der Nazis ist. Aber ich mag Deutsch sehr. Ich glaube, viele Leute denken so und ich dachte auch so – auch, dass es eine grobe Sprache ist, aber das ist sie einfach nicht. Wenn man dann mal Deutsch lernt, entdeckt man ihre Schönheit“ – Gymnasiast, 18 Jahre, Brünn.

Was motiviert Schüler zum Deutschlernen?

Die Motivation, Deutsch in Tschechien zu lernen, ist aus verschiedenen Blickwinkeln eine fesselnde Geschichte. In den Familien der Lernenden spielt der direkte und indirekte Einfluss eine große Rolle: Eltern überzeugen ihre Kinder oft, Deutsch zu lernen, denn mit guten Deutschkenntnissen in der Tasche stünden ihnen alle Türen offen. In der Berufswelt und im Erfahrungsschatz der Eltern und Lehrer sind sehr gute Deutschkenntnisse oft der Schlüssel für eine erfolgreiche Karriere. Doch dieser Einfluss ist zweischneidig: Er kann die Jugendlichen motivieren, aber auch Druck ausüben und ihre Motivation hemmen.

Verwandte aus deutschsprachigen Ländern und inspirierende Lehrer spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Motivation der Schüler. Wirft man einen Blick auf die Landkarte, punktet Tschechien mit seiner Nähe zu den deutschsprachigen Nachbarländern. Somit sind Deutschland und Österreich vor der Haustür und für viele ein Reiseziel. Gerade durchs Reisen haben einige Befragte festgestellt, dass Englisch allein im Ausland nicht immer hilfreich ist.

Bei den letzten beiden Punkten geht es ums Wesentliche: Deutschkenntnisse eröffnen spannende Jobchancen und bieten die Möglichkeit, die Sprache auch auf dem Gymnasium weiter zu vertiefen. Vor allem hier wird das Fundament für die beruflichen Wege gelegt und neue Perspektiven werden eröffnet.

„Ich hatte Deutsch schon an der Grundschule als Pflichtfach, und dann habe ich nochmal überlegt, ob ich mich nicht lieber für Spanisch entscheiden soll. Aber mein Vater hat mir das ausgeredet und gemeint, ich soll lieber Deutsch nehmen, weil ich die Sprache schon ein Jahr hatte. Also habe ich dann mit Deutsch weitergemacht“ – Gymnasiast, 18 Jahre, Ostrau

Natürlich kann es passieren, dass Schüler nach und nach ihre Begeisterung für Deutsch verlieren. Das kann an verschiedenen Dingen liegen, wie zum Beispiel Schwierigkeiten beim Lernen, einem nicht so guten Lehrer oder einfach daran, dass sie eine andere Sprache spannender finden.

Historische Verbundenheit zwischen dem Deutschen und Tschechischen

Trotzdem können Schüler so begeistert von der deutschen Sprache sein, dass sie jegliche Hürden überwinden. Die wahren Treibkräfte hinter dieser hohen Motivation sind vor allem die starken Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien, die Eltern und gute Lehrer sowie die attraktiven Vorteile, die einen mit dem Beherrschen der deutschen Sprache erwarten. All das schlägt die oberflächlichen, negativen Vorurteile und ist essenziell, damit die deutsche Sprache in Tschechien aufblühen kann.

Wir müssen hier auch noch einen Blick auf die Verbundenheit unserer beiden Sprachen werfen: paar – pár, Brille – brýle, Kübel – kýbl… Deutsche Lehnwörter haben ihren Weg in die tschechische Sprache schon lange gefunden. Die Pflege dieser Wörter erinnert uns an die historische Verbundenheit unserer Länder und eröffnet allen einen positiven Zugang zur deutschen Sprache.

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Familiäre Prägung ausschlaggebend

Lassen Sie mich noch kurz die Perspektive der Lehrer auf das ganze Thema einfangen: Wie sehen sie die Motivation ihrer Schüler, Deutsch zu lernen? Auf jeden Fall verschieden: Die familiäre Prägung ist ausschlaggebend. Nicht alle Kinder, aber viele haben Verbindungen zu den deutschsprachigen Ländern. Lehrkräfte meinen, dass das Alter hier einen großen Unterschied macht. Durch ihre Großeltern haben sie Begriffe wie „tepich“ oder „gardína“ kennengelernt.

Dann kommt auch wieder die geografische Lage des Wohnorts ins Spiel. Eine Befragte hat Ostrau und Budweis verglichen. In Budweis sprechen die Leute oft Deutsch, da die Stadt nah an Deutschland und Österreich liegt.

Die letzten drei Punkte sind Vorurteile der Schüler. Vergangene Ereignisse trüben die Sicht auf das Deutsche. Die Attraktivität der deutschen Kultur verblasst im Vergleich zur spanischen, die viele Schüler als reizvoller und interessanter empfinden. Grammatik stellt oft ein Hindernis dar, das den Deutschunterricht schwieriger macht.

Der Deutschunterricht in Tschechien ist mehr als nur Grammatikbüffeln und historische Altlasten. Viele Schüler haben ihre Motivation aus der Familie, von überzeugenden Lehrern und schätzen die Nähe zu Deutschland und Österreich sehr. Trotz einiger Hürden bleibt die Begeisterung für die deutsche Sprache und der Wille sie zu sprechen stark. Darum ist es wenig sinnvoll, den Jugendlichen die Chance, Deutsch auch in der Grundschule zu erlernen, zu verbauen.

Der Beitrag ist zuerst in der September-Ausgabe des LandesEcho erschienen

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