Ende 2021 kündigte der achte Prager Stadtteil der Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung den Mietvertrag. Ob der Vertrag verlängert wird oder die Schule bis 2026 ausziehen muss, ist nach wie vor unklar.
Etwas unscheinbar wirkt der Bau in der Straße Chabařovická 1125/4 in Prag-Kobylisy – ein Plattenbau aus den 1970er Jahren. Bunte Säulen stützen das Vordach des Gebäudes, in dem die Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung (Základní škola německo-českého porozumění) ihren Sitz hat.
Bereits ab der ersten Klasse lernen hier etwa 250 Kinder Deutsch, mindestens eine Stunde pro Tag und unterteilt in kleine Gruppen mit Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern, was eine angenehme Unterrichtsatmosphäre schafft und dafür sorgt, dass die Lehrerinnen und Lehrer auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen können. Der Unterricht selbst ist modern gestaltet, auch digitale Methoden kommen zum Einsatz. Seit der Corona-Pandemie bietet die Schule unter dem Titel „DomŠkola“ auch Online-Unterricht von zuhause an. Sowohl bei Schülern als auch den Eltern ist die Schule beliebt, schon lange kann sie der hohen Nachfrage nach Schulplätzen nicht mehr nachkommen. Und dabei sind die Schulgebühren für eine private Schule über die Jahre hinweg relativ niedrig geblieben. Viele Schüler wechseln anschließend auf das Thomas-Mann-Gymnasium, ebenfalls in Prag 8. Beide Schulen befinden sich in der Trägerschaft der Landesversammlung der deutschen Vereine und sie sind mit ihrem Bildungsangebot ein fester Baustein in den heutigen deutsch-tschechischen Beziehungen.
Zähe Verhandlungen mit Stadtrat
Doch vor zwei Jahren ist dieser Baustein ins Wackeln geraten, als Prag 8 der Grundschule die Kündigung des Mietvertrags überreichte. Sie und zwei weitere Mieter in dem Gebäude müssten bis 2026 ausziehen. Aus welchen Gründen die Kündigung erfolgte, ist nicht ganz eindeutig. „Wir haben mehrere Gründe gehört“, sagt Zuzana Svobodová, Direktorin der gemeinnützigen Gesellschaft, die sowohl für die Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung als auch für das Thomas-Mann-Gymnasium verantwortlich ist. Das Gebäude müsse umfassend saniert werden, während des Schulbetriebs sei dies aber nicht möglich und deshalb sei den Mietern gekündigt worden, erklärte Prag 8 in einer Stellungnahme im Herbst 2021. „Es ist aber auch möglich, dass Prag 8 das Gebäude dem Prager Magistrat anbieten möchte, da aktuell ein Mangel an Gebäuden für staatliche Schulen herrscht“, vermutet Svobodová. Eine klare Antwort habe man aber nicht. Seitdem versucht die Schule, mit Prag 8 über eine Verlängerung des Mietverhältnisses zu verhandeln. Unter anderem bot die Schule an, sich finanziell an der Sanierung des Gebäudes zu beteiligen, denn die wäre auf jeden Fall nötig, wie auch Svobodová sagt. Vor einem Jahr stand man schon vor einer Einigung, einen Tag vor der geplanten Unterzeichnung des neuen Mietvertrags für 25 Jahre machte Prag 8 aber einen Rückzieher. Kurz vor den Kommunalwahlen könne man keine Verbindlichkeiten eingehen. Mit der neuen Stadtteilregierung, die auf die Wahlen im Herbst folgte, habe man auch von Anfang an verhandelt, und ihr ein Angebot gemacht, erzählt Svobodová. Der neue zuständige Stadtrat für Schulwesen, Matěj Fichtner (ANO), lehnte dieses aber ab und verlangte eine höhere finanzielle Beteiligung der Schule an der Sanierung. „Auf das darauffolgende zweite Angebot der Schule hat er nicht mehr reagiert“, sagt Svobodová. Auch andere An- oder Rückfragen seien von Fichtner unbeantwortet geblieben. Vor Kurzem kündigte Prag 8 zudem an, erst einmal den baulichen Zustand des Gebäudes prüfen zu wollen. Damit gehen weitere Monate ins Land, in denen die Schule und Eltern nicht wissen, wie es weitergeht.
Petition eingereicht
„Der aktuelle Stadtrat hat ein großes Problem mit der Kommunikation“, berichtet Vladislava Vojtíšková, die für die aktuell größte Oppositionspartei „Osmička žije“ (dt. „Die Acht lebt“) in der Stadtbezirksversammlung von Prag 8 sitzt und gleichzeitig Mutter eines Kindes ist, das auf die Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung zur Schule geht. Sie und andere Eltern sammelten über 1500 Unterschriften und überreichten dem Stadtrat von Prag 8 eine Petition zum Erhalt der Schule. „Wenn die Schule in einen anderen Stadtteil umziehen müsste, wäre das für viele Eltern ein Problem, da viele Kinder noch zu jung sind, um sich allein für weite Strecken auf den Schulweg zu machen“, erklärt Vojtíšková. Dazu kommt, dass es für Kinder aus der deutschen Minderheit, die einen ganz speziellen Bedarf im Sprachunterricht haben, gar keine Alternative in der Umgebung gibt. Die Deutsche Schule Prag liegt am anderen Ende der Stadt. Wegfallen würden auch die außerschulischen Aktivitäten, die die Schule für die Kinder aus der deutschen Minderheit anbietet. Zudem sind jene Eltern, die ihre Kinder jetzt für das nächste Schuljahr anmelden wollen, mit der Ungewissheit konfrontiert, ob die Kinder die Schule auch über die vollen fünf Jahre hinweg werden besuchen können.
Eine eigene Schule bauen?
Zumindest kurzfristig könnte es einen Kompromiss geben. Während einer öffentlichen Sitzung der Stadtbezirksversammlung am 17. Mai, während der Vize-Bürgermeister Fichtner auf die Petition reagieren musste, deutete er an, dass man möglicherweise den Mietvertrag noch um ein bis zwei Jahre verlängern könnte. „Das würde uns definitiv helfen und uns Zeit verschaffen, eine Lösung zu finden“, ist sich Svobodová sicher. Zu den vorstellbaren Lösungen gehört auch, ein eigenes Schulgebäude zu bauen oder das Gebäude des Thomas-Mann-Gymnasiums zu erweitern. Dafür müsste das Thomas-Mann-Gymnasium aber das anliegende Grundstück kaufen, das sich ebenfalls im Besitz von Prag 8 befindet. „Bauen ist teuer, aber es wäre wahrscheinlich günstiger als die Investition, die Prag 8 für das aktuelle Schulgebäude verlangt“, sagt Svobodová und fügt hinzu: „Ich bin aber optimistisch, dass die Schule weiter existieren wird und dass wir eine Lösung finden.“