Der diesjährige 73. Sudetendeutsche Tag in Regensburg stand unter einem neuen Stern der Annäherung. Zum ersten Mal sprach ein tschechischer Minister im Namen der gesamten Regierung vor den Vertriebenen und zahlreichen Gästen in der Donau-Arena. Doch nicht nur die Beziehungen zu den Sudetendeutschen, auch das Verhältnis zu Bayern sahen viele auf einer neuen Ebene der Freundschaft.

(Unser Video-Bericht unten)

Unter dem Motto „Schicksalsgemeinschaft Europa“ fand am Pfingstwochenende vom 26. bis 28. Mai in der Donau-Arena Regensburg das traditionelle Treffen der Sudetendeutschen statt. „Wir sind zutiefst bestürzt über das Schicksal der Ukrainer. Wir Sudetendeutschen sind Teil eines Netzwerks der europaweiten Solidarität mit dem ukrainischen Volk“, erklärte Steffen Hörtler, bayerischer Landesobmann der Landsmannschaft. Flucht und Vertreibung dürfe es nie wieder geben.

Dass die Ukraine im Zentrum des Sudetendeutschen Tages stand, zeigte sich bereits bei dem inoffiziellen Auftakt am Freitag, der mit ukrainischer Musik seine Gäste begrüßte. Nach einer Podiumsdiskussion zum Thema „Europa – Schicksalsgemeinschaft zwischen Krieg und Frieden“ wurden im Vorfeld des Sudetendeutschen Tages auch noch die Kulturpreise verliehen. Der Große Sudetendeutsche Kulturpreis ging an den Architekten Johannes Probst, der unter anderem das Sudetendeutsche Museum in seinem Portfolio hat. Den Kulturpreis für Bildende Kunst und Architektur ging an die Amerikanistin und Literaturwissenschaftlerin Dr. Heike Schwarz und den Kulturpreis für Literatur und Publizistik erhielt die Schriftstellerin Tina Stroheker. Die Gablonzer Band „Mauke“ wurde mit dem Sudetendeutschen Kulturpreis für Volkstumspflege ausgezeichnet.

Auf diesen kulturellen Abend folgte dann am Samstag die offizielle Eröffnung des Sudetendeutschen Tages. Bevor dieser mit der Verleihung des Europäischen Karlspreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft seinen ersten Höhepunkt erreichte, begrüßte die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) ihre Gäste. Die Landsmannschaft stehe heute für das Europäische, das diese mit dem Karlspreis ehre. „Sie werden die Fackel des Friedens, der Solidarität und des Miteinanders in Europa von Regensburg aus weitertragen“, sagte sie zu den Preisträgern.

Karlspreis für Arbeit in Deutsch-Tschechischem Gesprächsforum

„Wir befinden uns an einem wichtigen Wendepunkt der Geschichte“, erklärte der Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt (CSU), bei der Verleihung des Europäischen Karlspreises. Dies habe vor allem etwas mit dem Mut der aktuellen tschechischen Regierung, aber auch mit dem beständigen Kurs der Verständigung der Landsmannschaft zu tun. Damit spielte er auf kürzliche positive Aussagen über die Landsmannschaft seitens des tschechischen Präsidenten Petr Pavel und des tschechischen Premiers Petr Fiala an, die in Tschechien auch Gegenreaktionen hervorriefen.

Für Verständigung sei Dialog nötig. Dieser Dialog brauche Menschen, die in der Lage seien, ihn zu führen. „Die heutigen Karlspreisträger sind Menschen, die dies in besonders herausragender Weise betrieben haben“, würdigte Posselt Christian Schmidt (CSU) und Libor Rouček (ČSSD) für ihre Arbeit im Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum.

Christian Schmidt (links) und Libor Rouček (rechts) empfingen den Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft von Bernd Posselt (Mitte) Credit: Tobias Eisch

„Du hast dich in diesem Gesprächsforum und darüber hinaus ein Vierteljahrhundert lang für den deutsch-tschechischen und sudetendeutschen Dialog eingesetzt“, sagte er zu Schmidt. „Du bist ein absoluter Menschenrechtler“, erklärte Posselt gegenüber Rouček. Dieser sprach in seiner Dankesrede von sich selbst als einem Träumer, der einst von Freiheit und dem Fall des Kommunismus träumte und nun von einer Europäischen Föderation. Neben den Erfolgen der Versöhnung gebe es allerdings noch einiges zu tun. So wünschte er sich eine offizielle Würdigung Posselts für seine Arbeit der Verständigung vonseiten Prags und dass eine tschechische Stadt die Landsmannschaft zur Ausrichtung eines Sudetendeutschen Tags einlade.

Bayerisch-Tschechischer Supermonat

Zur Hauptversammlung am Pfingstsonntag füllten sich die Ränge schneller als noch zur Preisverleihung und Eröffnung am Samstag. Somit konnte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) – Schirmherr der sudetendeutschen Volksgruppe – in einem gut gefüllten Festsaal den Einzug der Fahnenabordnungen anführen.

Landesobmann Steffen Hörtler sprach von einem bayerisch-tschechischen Supermonat Mai. Foto: Tobias Eisch

Vor geballter bayerischer Politprominenz und dem tschechischen Bildungsminister Mikuláš Bek begrüßte Hörtler seine Gäste. „Der Sudetendeutsche Tag reiht sich als viertes Großereignis in den bayerisch-tschechischen Supermonat Mai“, erklärte Hörtler und bezog sich damit direkt auf Fialas und Pavels Besuche zur Kabinettssitzung, der Eröffnung der Landesausstellung zu Barock in Bayern und Böhmen und den Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen. Dort hatte Tschechiens Staatsoberhaupt Petr Pavel der Sudetendeutschen Landsmannschaft für ihren Beitrag zu den deutsch-tschechischen Beziehungen gedankt. Noch nie habe er als Sudetendeutscher eine solche Wertschätzung von allerhöchster tschechischer Seite gespürt, so Hörtler.

Die Trachtengruppen und Fahnenabordnungen grüßen den bayerischen Ministerpräsidenten. Foto: Tobias Eisch

Historische Momente

Ein eindeutiger Höhepunkt am Sonntag war die Rede des tschechischen Ministers für Bildung, Jugend und Sport, Mikuláš Bek (STAN). In perfektem Deutsch und freier Rede begrüßte er die Anwesenden als Landsleute im Namen der Regierung und des Premiers Petr Fiala (ODS). „Es ist das erste Mal so, dass ein tschechischer Minister hier steht, ohne dazu Mut zu brauchen“, erklärte Bek. Er sei glücklich darüber, dass eine Rede auf dem Sudetendeutschen Tag inzwischen Alltag geworden sei. Mit dem Krieg in der Ukraine habe man entdeckt, was verbinde, und gelernt, sich selbst aus den Augen der anderen zu sehen. „Unser Werk ist im Grunde vollbracht. Wir haben also die Grundlagen gelegt und wir müssen natürlich weiterarbeiten“, sagte er zu den tschechisch-deutschen Beziehungen. „Wir haben viel Hass, Schmerz und sogar Blut hinter uns, wir müssen für den Frieden arbeiten“, so Bek, bevor er seine Ansprache mit einem lateinischen Friedensgebet beendete.

Mikuláš Bek sprach als erster tschechischer Minister, der offiziell von der Regierung entsandt wurde, auf einem Sudetendeutschen Tag. Foto: Tobias Eisch

„Liebe Landsleute, ich gebrauche das Wort historisch nicht oft, aber das war ein historischer Moment“, bedankte sich Posselt (CSU) bei Bek. Tschechen und Sudetendeutsche verbinde vieles, sie seien eigentlich ein Volk mit zwei Sprachen. „Ich bitte im Namen der Sudentendeutschen um Vergebung für den Anteil der Sudetendeutschen an dem Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten“, erneuerte der Sprecher der Landsmannschaft seine Entschuldigung.

Es bleibt eine neue tschechische Erinnerungspolitik

Zum Ende des politischen Teils des Sudetendeutschen Tages hielt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die letzte Rede des Tages. „Es war ein herzliches Miteinander“, lobte er die freundschaftliche Atmosphäre seines Treffens mit Fiala vor drei Wochen und erinnerte sich an das gemeinsame Bratwurstessen in Regensburg. Der Großteil seiner Rede drehte sich allerdings um innenpolitische Themen mit Seitenhieben gegen die Opposition und die Ampelregierung in Berlin. In Bayern tobt bereits der Wahlkampf, im Herbst stehen Landtagswahlen bevor.

Daher bleibt von diesem Sudetendeutschen Tag vor allem die Rede von Bek, die Zeugnis eines sudetendeutschen Tauwetters in der tschechischen Politik ist. Diese sucht aktiv den Weg der Verständigung mit den Vertriebenen. Eine Wende der tschechischen Erinnerungspolitik, die mit dem Ende von Zemans Präsidentschaft in eine neue Richtung geht, wurde von Bek, Fiala und Pavel eingeleitet. Auch wenn diese an dem ohnehin schon freundschaftlichen deutsch-tschechischen Verhältnis wenig ändern wird, für die sudetendeutsch-tschechischen und bayerisch-tschechischen Beziehungen sind sie von Bedeutung und könnten den Weg für eine intensivere Zusammenarbeit ebnen.

v.l. Steffen Hörtler (SL Bayern), Sylvia Stierstorfer (Bayerische Beauftragte für Aussiedler und Vertriebene), Mikuláš Bek (Tschechischer Minister für Bildung, Jugend und Sport), Markus Söder (Ministerpräsident Bayern), Astrid Freudenstein (Zweite Bürgermeisterin Regensburg), Ulrike Scharf (Bayerische Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales) und Bernd Posselt (Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft) beim Einzug zur Hauptkundgebung. Foto: Tobias Eisch

Eingerahmt wurde das politische Programm des Sudetendeutschen Tages von zahlreichen kulturellen Veranstaltungen. Einer der Höhepunkte war neben dem Heimatabend mit Tracht, Musik und Tanz sowie dem traditionellen Böhmischen Dorffest der Auftritt der Band Mauke am Samstag.

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