Vor knapp eineinhalb Jahren hat die deutsche Sprache in acht tschechischen Kreisen einen höheren Status erhalten. Doch bisher blieb es bei einem symbolischen Schritt. Für die Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung und Förderung des Deutschen braucht es mehr Unterstützung aus Deutschland, forderte eine Diskussionsrunde auf dem Sudetendeutschen Tag.

Seit dem 28. Februar 2024 gilt in acht Kreisen Tschechiens Teil III der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Der historische Schritt der tschechischen Regierung sollte die Stellung der deutschen Sprache im öffentlichen Leben stärken. Dazu sieht Teil III der Charta eine Reihe von Maßnahmen vor, um die deutsche Sprache in der Schule und an Universitäten, in Behörden und in den Medien stärker zu etablieren. Doch eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten ist von der Umsetzung in den betroffenen Regionen kaum etwas zu sehen. Beim Sudetendeutschen Tag in Regensburg forderten Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft mehr Engagement – auch aus Deutschland.

Die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland organisierte eine Gesprächsrunde, um sich über den Stand der Umsetzung von Teil III der Europäischen Sprachencharta auszutauschen. (V.l.n.r.: Stephan Mayer MdB, Hartmut Koschyk (Moderation), Martin Herbert Dzingel, Irene Novák, Jörg Nürnberger)

Kaum Fortschritte bei Umsetzung

„Es hat sich gezeigt, dass die Tschechische Republik nicht imstande ist, das umzusetzen, was sie sich vorgenommen hat“, eröffnete Martin Herbert Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik die Gesprächsrunde, die die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland im Rahmen des Sudetendeutschen Tags in Regensburg organisierte. Im weiteren Verlauf erläuterte Dzingel den Status Quo und stellte einen eigenen Maßnahmenplan vor, den die Landesversammlung selbst entwickelte. Mit der Annahme von Teil III der Charta hat sich Tschechien verpflichtet, in den Kreisen Reichenberg, Aussig, Karlsbad, Falkenau, Eger, Böhmisch Krummau, Zwittau und Troppau mindestens 35 von 98 möglichen Maßnahmen gemäß einem Maßnahmenkatalog umzusetzen. Dort sollen – so der Plan – Behördengänge, bestimmte Unterrichts- und Studienfächer sowie Medieninhalte auch auf Deutsch angeboten werden. Zudem verpflichtete sich Tschechien zur Fort- und Weiterbildung von Deutschlehrkräften sowie zur Förderung deutschsprachiger Kulturveranstaltungen.

Irene Novák vom Deutschen Kulturverband in der Tschechischen Republik, die gemeinsam mit Dzingel die deutsche Minderheit im tschechischen Nationalitätenrat vertritt, betonte die Rolle der deutschen Sprache für die Zukunft der deutschen Minderheit, machte aber zugleich deutlich, dass man dafür die Unterstützung sowohl des Tschechischen Staates als auch der Bundesrepublik Deutschland benötige.

Gemeinsam die Qualität des Deutschunterrichts verbessern

„Was mir in Tschechien immer wieder auffällt, ist, dass die Qualität der Fremdsprachenausbildung, ganz besonders die des Deutschen, zu wünschen übrig lässt”, schilderte Jörg Nürnberger, Co-Vorsitzender des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, dessen Kinder selbst eine tschechische Schule besuchen, ein für ihn grundsätzliches Problem. „Die Qualität der Lehrkräfte, die als Absolventen der tschechischen Universitäten ins Schulwesen kommen, ist nicht ausreichend“, so Nürnbergers Urteil. Bei der Lösung sieht er die tschechische wie die deutsche Seite gleichermaßen in der Verantwortung: „Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass es in Tschechien ausreichend gut qualifizierte Lehrkräfte gibt“, so sein Appell. Dazu könne auch das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum beitragen, indem es ein Bewusstsein für die Situation in Tschechien schaffe, das auf deutscher Seite vielerorts fehle: „Daran müssen wir arbeiten“, formulierte Nürnberger die eigenen Hausaufgaben.

Deutschland in der Pflicht

Der CSU-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, Stephan Mayer, betonte die Verantwortung der deutschen Seite. Die Chancen der Charta seien historisch „Wenn ich mir vor Augen führe, was in Zukunft möglich ist – man kann in Zukunft bei Straf-, bei Zivil- und bei Verwaltungsprozessen Deutsch verwenden, man kann Beweismittel auf Deutsch einbringen, man kann Anträge auf Deutsch stellen – ist das schon ausgesprochen zukunftsweisend und fortschrittlich. Da könnten wir uns in Deutschland an der einen oder anderen Stelle eine Scheibe von abschneiden“, lobte Mayer den grundsätzlichen Willen der tschechischen Regierung, die deutsche Sprache noch stärker als zuvor zu fördern. 

Mit seiner Selbstkritik unterstrich Mayer zugleich die schwierige Position, von der aus die Gesprächsrunde im Konferenzraum der Donau-Arena in Regensburg ihre Kritik übte. Auch Mayer betonte die Verantwortung der deutschen Seite an der erfolgreichen Umsetzung des dritten Teils der Europäischen Sprachencharta: „Ich sehe die deutsche Politik, auch die deutsche Außenpolitik in der Verantwortung, den fruchtbaren Boden, der auf tschechischer Seite vorhanden ist, zu pflegen und zu unterstützen“, so der CSU-Politiker, der zugleich versprach, sich sowohl als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses als auch als Mitglied des Innenausschusses für das Gelingen der Umsetzung einzusetzen.

Der Faktor Babiš

Unabhängig vom Status Quo betrachtete die Diskussionsrunde die Förderung der deutschen Sprache in Tschechien als Teil eines Annäherungsprozesses der deutschen und tschechischen Zivilgesellschaften. Davon würde am Ende nicht nur die deutsche Minderheit profitieren, sondern alle, die in den von der Umsetzung des dritten Teils der Sprachencharta betroffenen Regionen leben und sich der deutschen Sprache bedienen wollen, worauf LV-Präsident Martin Herbert Dzingel hinwies. 

Die Runde diskutierte auch über politische Risiken. Einer möglichen Wiederwahl von Andrej Babiš im Oktober sah der Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik gelassen entgegen. Teil III der Charta rückgängig machen könne er nicht, so Dzingel. „Da müsste der Vertrag aufgehoben werden. Das ist nicht einfach, und politisch wäre das eine Schande für den Staat.“ Babiš selbst habe während seiner ersten Amtszeit als Premierminister (von 2017 bis 2021) der Beantragung des erhöhten Schutzstatus für die deutsche Sprache zugestimmt. Auch wirtschaftliche Interessen würden eine Rolle spielen, betonte Nürnberger. „Herrn Babišs Unternehmensgruppe hat vielfältige wirtschaftliche Interessen in Deutschland. Er wird sich nicht erlauben können, das Verhältnis zu Deutschland zu belasten, ohne dass er sich selbst schadet.“

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Tschechien stärkt Rechtsstellung und Förderung des Deutschen

Im Jahr 2023 beschloss Tschechien, die rechtliche Stellung und Förderung des Deutschen stark auszubauen. Zu diesem Zweck wurde entschieden, Teil III der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen auf Deutsch anzuwenden. Am 28. Februar 2024 ist diese Maßnahme in Kraft getreten.

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