Ein Portrait von Gudrun Pausewang.
Prägte Generationen von Lesern: die Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang. Credit: Wikimedia Commons / Arbeitskreis für Jugendliteratur / Anna Meuer (CC BY-SA 3.0 DE)

Am 23. Januar 2025 jährt sich der Todestag der Schriftstellerin Gudrun Pausewang zum fünften Mal. In Tschechien lange Zeit nahezu unbekannt, prägte die sozialkritische Autorin in Deutschland ganze Generationen von jungen Lesern.

Oft wurde ihr vorgeworfen, mit Büchern wie „Die Wolke“ oder „Die letzten Kinder von Schewenborn“ ihr jugendliches Publikum geradezu traumatisiert zu haben. Mit ihren realistischen Darstellungen einer Atombombenexplosion oder eines Reaktorunfalls galt sie vielen als unbequem. Als entschiedene Gegnerin des Nationalsozialismus, Pazifistin und Umweltschützerin verarbeitete sie ihre Anliegen in der Literatur. Ihre Themen waren stark von ihrer Biografie, ihrer böhmischen Herkunft und ihrer Erfahrung von Flucht und Vertreibung geprägt.

Eine Kindheit in Böhmen

1928 wurde Gudrun Pausewang im ostböhmischen Wichstadtl (Mladkov) als ältestes von sechs Kindern geboren. Die Eltern, inspiriert von der Wandervogel- und Lebensreformbewegung, hatten sich in der Heimat des Vaters niedergelassen. Gudruns Großvater Julius Pausewang hatte das „Stadtla-Lied“ komponiert, das als Hymne der Adlergebirgler gilt. Die Familie strebte ein einfaches, autarkes und naturnahes Leben auf einem Gutshof an. Diese Kindheit beschreibt Pausewang in ihrer „Rosinkawiese“-Trilogie als wegweisend: „Meine Eltern haben mir die beste Vorbereitung auf das Leben geboten. Wir haben gelernt, ohne Komfort auszukommen, in Notsituationen nicht den Kopf zu verlieren und unsere Ansprüche auf ein Mindestmaß herunterzuschrauben.“

Auch wenn sie an vielen Stellen das Leben auf der Rosinkawiese als Idylle beschreibt, war das karge Leben oft von Geldsorgen geprägt. Vorübergehend zog die Familie nach Breslau, wo der Vater Arbeit fand.

NS-Begeisterung, Flucht und Neuanfang

Im Gegensatz zu anderen Zeitgenossen beschönigte Pausewang die NS-Verstrickungen ihrer Familie nicht: Der Vater war vom Nationalsozialismus überzeugt, die Mutter antisemitisch, beide begrüßten den Einmarsch der Deutschen. Der Tod ihres Vaters 1943 an der russischen Front und Hitlers Tod 1945 trafen das junge Mädchen schwer. Nach Kriegsende floh die Familie nach Hamburg, Gudrun war 17 Jahre alt. 1948 bestand sie ihr Abitur in Wiesbaden, studierte und ging anschließend für mehrere Jahre nach Südamerika, wo sie als Lehrerin arbeitete. Dort entwickelte sie ein Bewusstsein für soziale Ungleichheit, das in ihren Büchern spürbar wird. Zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes kehrte sie 1972 nach Deutschland zurück. Bis zu ihrer Pensionierung 1989 war sie Lehrerin in Hessen. 1998 promovierte sie in Frankfurt über „Vergessene Jugendschriftsteller der Erich-Kästner-Generation“.

Gesellschaftliche Anerkennung und Erfolge

Pausewang engagierte sich für die Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen und betonte in Interviews die Bedeutung des Brückenbauens. Auch gegen aktuellen Rechtsextremismus bezog sie klar Stellung. In ihrem Roman „Der Schlund“ (1993) schildert sie den Aufstieg einer rechtsextremen Partei – ein Werk, das heute erschreckend aktuell wirkt.

2001 gab es erstmals eine tschechische Ausgabe der „Rosinkawiese“, erst im vergangenen Sommer wurde das Buch neu aufgelegt (LE 9/24). Ihr Übersetzer Vojtěch Terber hält den Gedanken einer tschechisch-deutschen Versöhnung nach wie vor für aktuell.

Leerstellen und Kritik

Pausewangs Werke sind nicht frei von problematischen Aspekten. Ihre Ikonographie erinnert oft an den Holocaust, etwa in „Die letzten Kinder von Schewenborn“, wo Szenen von Leichenbeseitigungen Assoziationen zu Bildern aus Vernichtungslagern wecken. Ihr Blick auf den Nationalsozialismus bleibt manchmal unkritisch, was teils auf die Perspektive ihrer Quellen wie den Tagebuchnotizen ihrer Mutter zurückzuführen ist. Partisanenaktionen wie gesprengte Bahnschienen beschreibt sie als Aggression, ohne die verzweifelte Selbstverteidigung dahinter zu erkennen. Die Annexion der Tschechoslowakei wird hingegen nicht als brutaler Angriff wahrgenommen.

Darüber hinaus bleibt ihr Naturverständnis gelegentlich ideologisch aufgeladen. Sie glorifiziert teilweise das „Natürliche“ und lehnt das „Materielle“, durch Konsum Verdorbene ab. In „Die letzten Kinder von Schewenborn“ wird das Baby mit Behinderungen, das nach einer atomaren Katastrophe geboren wird, vom Vater getötet – eine Szene, die eugenisches Gedankengut impliziert. Ihre Prägung durch die Lebensreformbewegung, die in einigen Aspekten mit der NS-Ideologie korrespondierte, ist hier erkennbar. Kritisch wurde ebenso ihre Auseinandersetzung mit dem Holocaust in dem Buch „Reise im August“ (1992) gesehen, in dem sie die Deportation eines Mädchens nach Auschwitz detailliert schildert. Ihre schonungslose Darstellung irritierte einige Leser, wirkte sie doch wie eine Vereinnahmung der Opferperspektive.

Ein Vermächtnis mit Fragen

Gudrun Pausewang hinterließ ein literarisches Werk von politischer Brisanz. Ihre Bücher ermuntern, Verantwortung zu übernehmen. Das ist unbestritten, doch es bleiben Fragen hinsichtlich ihrer Darstellungsweise. Wie erzählt sie historische Ereignisse und Verläufe? Hat sie ihren eigenen Standpunkt, ihre eigene weltanschauliche Position genügend reflektiert? Dieses kritische Hinschauen, das sie selbst immer einforderte, ist ein Anliegen, das auch für ihre Schriften gelten und in ihrem Sinne sein sollte.

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