Erwin Scholz. Foto: LE Archiv

Kurz nach der Samtenen Revolution gründete sich mit dem Verband der Deutschen in der Tschechoslowakei ein neuer Dachverband der deutschen Minderheit. 1992 entstand daraus die heutige Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik. Ehemalige Präsidenten, die auch schon damals dabei waren, erinnern sich zurück. In unserem zweiten Teil lesen Sie die Erinnerungen von Erwin Scholz aus Reichenberg, dem ersten Präsidenten der Landesversammlung.

Als erster gewählter Präsident der Landesversammlung kann ich mich natürlich noch gut an die Gründung 1992 erinnern. Die Gründungfand in Reichenberg (Liberec) statt, und zwar im „Kollosseum“, einem ehemaligen Arbeiterheim, das von Deutschen gegründet worden war. In der kommunistischen Zeit war es abgebrannt, später hat man es wieder aufgebaut. Man muss dazu sagen, dass die Gründung der Landesversammlung maßgeblich vom Reichenberger Verband der Deutschen ausging, was auch ein Grund dafür war, dass die Landesversammlung ausgerechnet in Reichenberg gegründet wurde. Dort fand also unsere erste Wahl zur Landesversammlung statt. An dem Tag bekamen wir eine Bombendrohung und die Polizei musste das Haus durchsuchen.

Wir haben uns damals in Reichenberg alle zum ersten Mal gesehen, aber wir haben meines Erachtens nach trotzdem eine anständige Versammlung hingekriegt. Ich war damals auch der Versammlungsleiter. Nachdem Hilda Sura die Wahl nicht annahm, bin ich beim zweiten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählt worden.

Geführt habe ich die Landesversammlung damals die meiste Zeit von Reichenberg aus, da wir in Prag noch keinen Platz hatten. Leider musste ich das Präsidentenamt aus gesundheitlichen Gründen nach kurzer Zeit an den damaligen Vizepräsidenten Walter Piverka abgeben, aber ich blieb weiter im Präsidium und kümmerte mich um die Belange der deutschen Minderheit.

Über die Landesversammlung konnten wir ganz wunderbare Dinge erreichen und die Situation der deutschen Minderheit verbessern. Letztendlich ging es bei der Gründung der Landesversammlung vor allem um die Repräsentation der deutschen Minderheit, das sollte der Sinn und Zweck der Landesversammlung sein. Dass man eine Institution auf Landesebene hat, die ihr Gewicht in die Waagschale werfen kann, gerade auch wenn ich an Verhandlungen mit den tschechischen Ministerien denke, also vor allem mit dem Außen- oder Schulministerium. Da ist es wichtig, dass es über die Landesversammlung geht. Das alles wäre ja nicht möglich, wenn die regionalen Verbände alleine existierten. Und es ist auch wichtig, dass ab und zu gestritten wurde, manchmal über Sachen, die vielleicht nicht so sinnvoll waren, aber damit hat die Landesversammlung im Großen und Ganzen auch ihren Sinn erfüllt. Dabei hatte sie glücklicherweise immer Präsidenten an ihrer Seite, die sich der Sache voll und ganz gewidmet haben. Da denke ich vor allem auch an Irene Kunc, die hier als Frau sehr viel geschafft hat. Aber auch mit Martin Herbert Dzingel hat die Landesversammlung nun schon seit vielen Jahren einen guten Präsidenten. Ich war damals ja nur der „Anfänger“ und bin eigentlich überrascht, wie gut sich die Arbeit der Landesversammlung über die Jahre entwickelt hat.

Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir vor allem die kulturellen Großveranstaltungen der Landesversammlung. Für mich ist es ein Wunder, dass die immer noch so schön gestaltet werden und ich denke auch, dass sich die deutsche Minderheit hier sehr gut präsentiert. Zu ihrem Jubiläum gratuliere ich der Landesversammlung herzlich!

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