Hunderte Teilnehmer aus Tschechien, Deutschland und Österreich gedachten am vergangenen Samstag der Opfer des sogenannten Brünner Todesmarschs vor 80 Jahren. Der „Versöhnungsmarsch“ fand in diesem Jahr bereits zum 20. Mal statt.
Auch in diesem Jahr erinnerten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Brünner Versöhnungsmarschs der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung Brünns Ende Mai/ Anfang Juni 1945. Die Veranstaltung im Rahmen des Brünner Stadtfestivals „Meeting Brno“ am vergangenen Samstag, den 31. Mai 2025, startete mit einem Gedenken am Massengrab in Pohrlitz (Pohořelice) und endete im Augustinergarten in Alt-Brünn. Auf dem 32 Kilometer langen Weg rasteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Großraigern (Rajhrad), an der Stadthalle in Mödritz (Modrice) sowie am Gymnasium Brno, bevor sie gesammelt ins Brünner Stadtzentrum in Richtung des Augustinergartens am Mendelplatz zogen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer trugen auch in diesem Jahr eine Europaflagge vor sich her. Auch eine Ukraine-Flagge begleitete den Marsch. Im Rahmen des Umzugs sperrte die Polizei kurzzeitig einige Kreuzungen. Der Tag endete mit einem Gedenkakt und dem Anzünden von Kernen vor dem Denkmal für die Vertriebenen aus Brünn.

Besuch des Minderheitenbeauftragten Bernd Fabritius
Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Versöhnungsmarsches befanden sich neben dem deutschen Botschafter Andreas Künne und der Schirmherrschaftsministerin der Sudetendeutschen, Ulrike Scharf (CSU), auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Bernd Fabritius (CSU). Von tschechischer Seite aus nahmen unter anderem Umweltminister Petr Hladík (KDU-ČSL) sowie Marketa Vaňková (ODS), die Brünner Oberbürgermeisterin, an der Gedenkveranstaltung teil. Auch österreichische Politiker und Angehörige der Vertriebenenverbände aus Deutschland und Österreich waren bei der Veranstaltung am Samstag anwesend.
Mehr als eine Gedenkveranstaltung
„Dass wir es geschafft haben, heute hier zusammenzustehen, das verdanken wir der Tatsache, dass es Menschen gibt, die nicht nur zuschauen, die sich nicht nur beschweren, sondern die aufstehen und etwas tun. Und das ist genau das, was wir brauchen in diesen Zeiten, wo wir von innen und von außen wieder bedroht werden“, richtete der Deutsche Botschafter Andreas Künne seine Worte an das Publikum im Augustinergarten, nachdem die Abschlussveranstaltung aufgrund von Regen kurzzeitig unterbrochen werden musste. „Meeting Brno ist eine Organisation, die man – wenn es sie nicht gäbe – erfinden müsste“, lobte der Botschafter die Initiative unter der Leitung von Petr Kalousek. Auch Ulrike Scharf und Bernd Fabritius lobten das zivilgesellschaftliche Engagement und den Charakter der Veranstaltung, die längst viel mehr sei als eine Gedenkveranstaltung: „Der Brünner Versöhnungsmarsch hat sich zu einer Veranstaltung von europäischer Bedeutung entwickelt, um über Gedenken und Versöhnung, über Nachbarschaft und Freundschaft und damit implizit über Frieden in unserem gemeinsamen Europa nachzudenken“, beschreibt es der Bundesbeauftragte Bernd Fabritius. „Der Brünner Versöhnungsmarsch ist mehr als ein Gedenken, er ist ein Marsch für die Menschlichkeit“, befand Ulrike Scharf.

Meilenstein deutsch-tschechischer Geschichte
Der Brünner Versöhnungsmarsch ist ein Meilenstein auf dem Weg der Aufarbeitung der Geschichte zwischen Deutschland und Tschechien. Im Jahr 2015 hatte die Stadt Brünn eine Versöhnungserklärung verabschiedet und in einem bis dahin einmaligen Vorgang ihr Bedauern über die Ereignisse rund um den Brünner Todesmarsch ausgedrückt. „Erinnerung darf nicht selektiv sein“, kommentierte der Deutsche Botschafter Andreas Künne am Rande des diesjährigen Versöhnungsmarschs gegenüber dem LandesEcho die Notwendigkeit, im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens auch an die Verbrechen zu erinnern, die an der deutschen Bevölkerung verübt wurden – neben den Verbrechen durch die Nationalsozialisten an der tschechoslowakischen Bevölkerung. Auch an ebenjene wird im Rahmen des Festivals „Meeting Brno“ erinnert: Beispielsweise am Kaunitz-Wohnheim, wo die Gestapo tschechische Widerständler folterte und ermorderte. Das Festival „Meeting Brno“ findet in diesem Jahr noch bis zum 21. Juni statt.
Vergeltung an deutscher Bevölkerung nach dem Krieg
In seinen Anfängen hatten tschechische Studentinnen und Studenten den Marsch organisiert. Seit 2015 findet der Versöhnungsmarsch im Rahmen des Festivals „Meeting Brno“ statt. Dabei laufen die Teildeunehmerinnen und Teilnehmer einen Teil der Strecke des sogenannten „Brünner Todesmarsch“ nach – in umgekehrter Richtung.
Ab dem 31. Mai 1945 wurden mehr als 27.000 Menschen, vorwiegend Frauen, Kinder und Alte aus Brünn in Richtung der österreichischen Grenze getrieben. Viele von ihnen starben auf dem mehr als 50 Kilometer langen Weg an Krankheit, Hunger und Erschöpfung. Mit der Vertreibung übte die tschechoslowakische Bevölkerung Brünns Vergeltung an den deutschen Bewohnern der Stadt, die für die Taten der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs in Kollektivhaft genommen wurden. Bezüglich der Opferzahlen des Brünner Todesmarschs kursieren unterschiedliche Angaben: Als nachweislich gesichert gelten etwa 2000 Todesopfer, 890 davon sind in einem Massengrab in Pohrlitz, weitere etwa 1000 auf Friedhöfen im angrenzenden Österreich begraben. Vertriebenenverbände gehen von bis zu 5000 Opfern aus.
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