Mit einem Marionettentheater für Erwachsene tourt die deutsche Minderheit in der Slowakei durchs Land.
Einen Kasper dürfte Von Dubravay eigentlich gar nicht schnitzen. Sein Marionettentheater ist keins für Kinder, sondern ausschließlich für Erwachsene. Er und seine Mitstreiter sind damit die einzigen in der Slowakei, wie Von Dubravay sagt. In seiner Werkstatt in dem alternativen Klub- und Nachbarschaftshaus YMCA im Zentrum von Pressburg (Bratislava) tummeln sich wilde Gestalten in teils obszönen Positionen. Unter ihnen der berüchtigte König Ubu, die Hauptfigur der letzten Premiere seines Theaters.
Dass der 40-jährige Künstler nun trotzdem beim Kasperle gelandet ist, liegt wohl an seiner Schwäche für die klassische Form des Theaters. Und am Stoff. Denn bei dem Stück „Glück auf – Gašpar im Hauerland“ handelt es sich um das erste Puppentheaterstück über die deutsche Minderheit in der Slowakei. Die Hauptfigur heißt also nicht Kasper, sondern Gašpar, ist aber ein Nachfahre von Kasperle und Meister Hämmerlein. Er begibt sich auf eine Reise durch die Mittelslowakei, die Sagen und Legenden rundum Krahule (Blaufuß). „Das Hauerland ist eine Bergbauregion“, erklärt die Regisseurin und Drehbuchautorin Zoja Zupková, warum in dem Stück Gold und ein schlaues Bergmännchen eine wichtige Rolle spielen.
Gesellschaftskritisch und unkonventionell
Gašpar triftt auf seinem Weg auch auf einen Bären und den Teufel höchstselbst, lernt, dass Gold nicht alles ist und findet am Ende doch mehr, als er sich eigentlich erhofft hatte. Was sich wie ein klassisches Märchen anhört, hat einen ernsten Hintergrund. Der Bergbau hat nicht nur Reichtum gebracht, sondern auch die Natur zerstört. „Rodungen sind auch ein aktuelles Thema“, spielt Zupková auf Baumfällungen zugunsten von Tourismus wie Skigebiete, aber auch die durch die Trockenheit beschleunigte Borkenkäfer-Plage an.
Vor allem geht es aber um eine Vorstellung der deutschen Minderheit in der Slowakei, die sich dort die Karpatendeutschen nennen. Ihre Geschichte und Bräuche wach zu halten ist Ziel des Stückes. Deshalb ist das Theaterstück nicht nur für die Minderheit selbst, sondern richtet sich auch an die slowakische Mehrheitsgesellschaft. „Wir spielen mit zwei Schauspielern, die deutsch sprechen. Das Stück hat zwei Varianten, die den Schwerpunkt jeweils auf Deutsch und Slowakisch legen“, erklärt Zupková das Prinzip.
Unterstützt vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und dem Deutschen Kulturforum östliches Europa war es im Dezember an sieben Aufführungsorten in der Ost-, Mittel- und Westslowakei zu sehen. Hauptzielgruppe sind junge Menschen. „Deshalb haben wir auch die unkonventionelle Darbietungsform gewählt. Wir wollten etwas anderes machen, als Jugendliche gemeinhin mit Tradition und Minderheit verbinden“, erklärt die Projektleiterin Katrin Litschko.
„Je besser ein Theater desto weniger Zuschauer!“
Dem Unkonventionellen widerspricht nicht die klassische Form Von Dubravays. Denn er unterläuft sie mit seinen sieben Figuren, die kindgerecht und modern zugleich erscheinen. Von Dubravay knüpft damit an ein Theater an, das in der Slowakei tief verwurzelt ist. „Das Puppentheater hier hat vielleicht nicht so eine lange Tradition wie in Tschechien, aber es war früher für alle Generationen gedacht. Die Konzentration ausschließlich auf Kinder führten erst die Kommunisten nach 1945 ein, um gezielt Kritik zu unterdrücken.“ Es ist bezeichnend, dass weder er noch Regisseurin Zupková früher Puppen mochten. „Ich hatte sogar vor ihnen Angst“, gesteht Zupková.
Das verordnete Kindertheater aus dem Sozialismus wirkt bis heute nach, wie Von Dubravay sagt. Die Vorstellungen seiner Theatergruppe sind selten gut besucht, davon zu leben ist schwer. Er nimmt es mit einer Mischung aus Fatalismus und Ironie: „Je besser ein Theater desto weniger Zuschauer.“ Auch wenn er die feste Bühne, die sie im YMCA-Haus bis jetzt hatten, aus Kostengründen verlassen muss, macht er weiter. „Das ist das schöne am Puppentheater: Alles passt in ein Auto und ich kann es überall aufbauen“, sagt Von Dubravay, der auch die Kulissen herstellt.
Das Theaterstück über die deutsche Minderheit wird Von Dubravay womöglich noch öfter aufbauen können. Mit den Vorstellungen im Dezember ist das Projekt zwar beendet. Aber Projektleiterin Litschko hat bereits Gelder für eine Fortsetzung beantragt. „Wir haben eine Vielzahl von Anfragen erhalten. Für dieses Jahr planen wir weitere Vorstellungen“, so Litschko. In Zukunft soll verstärkt auch die zweisprachige Version zum Einsatz kommen, um die Minderheit noch mehr slowakischen Zuschauern nahe zu bringen. Von Dubravays Puppen verschwinden bis dahin nicht in der Kiste, sondern können gemeinsam mit den Kulissen derzeit im Karpatendeutschen Museum in Bratislava besichtigt werden.
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