Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, besuchte vergangene Woche das Internationale Sommercamp in Schatzlar. Im Gespräch mit dem LandesEcho macht er sich stark für mehr Jugendarbeit in den Vereinen der deutschen Minderheiten.
LE: Beim Internationalen Sommercamp vom 21. Juli bis zum 31. Juli 2025 kamen Jugendliche der deutschen Minderheiten aus Mittel-, Ost- und Südeuropa sowie Zentralasien zusammen. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, gerade im Minderheitenkontext Angebote zu schaffen, die sich speziell an junge Menschen richten?
Das ist absolut existenziell. Minderheitenarbeit ist nur dann zukunftsorientiert, wenn sie sich an junge Menschen richtet. Schlicht allein deswegen, weil die jungen Menschen die Zukunft sind. Wenn eine Minderheit den Fehler macht und keine Jugendarbeit betreibt, dann endet sie irgendwann. Die Erkenntnis ist wichtig. Deshalb bin ich dem Sommercamp dankbar für sein Interesse an der grenzüberschreitenden Vernetzung junger Menschen. Junge Menschen müssen eigene Formate entwickeln. Sie müssen Fragen stellen, die wir als Ältere früher nicht gefragt haben. Sie müssen erkennen, was für eine Verantwortung sie haben. Ich denke, das ist im Sommercamp wunderbar gelungen, deswegen gehört das ganz, ganz deutlich gefördert. Es ist wichtig, dass die jungen Leute das, was wir Ihnen heute sagen, in die Zukunft tragen. Sie sind dann noch da, wenn wir es nur noch in ihren Erinnerungen sind.
LE: Sie haben gerade davor gewarnt, was passieren kann, wenn in den Minderheiten zu wenig Jugendarbeit geschieht. War das ein Appell?
Ja, eindeutig. Das ist ein Appell an alle Verbände von nationalen Minderheiten, rechtzeitig zu erkennen, dass sie selbst endlich sind. Es ist ja oft so: Wenn man mitten in der Verantwortung steht, wenn man mitten in der Arbeit steht, dann hat man den Eindruck, unendlich zu sein. Dann denkt man nicht daran, dass nachfolgende Generationen kommen. Doch wenn man die nachfolgenden Generationen nicht anspricht, dann interessieren sie sich nicht, gehen in einer globalisierten Welt auf und verschwinden letztlich.
Dr. Bernd Fabritius ist Rumäniendeutscher. Er wurde am 14. Mai 1965 im siebenbürgischen Agnetheln (rumänisch: Agnita) geboren und siedelte 1984 gemeinsam mit Eltern und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland aus. Er ist seit 2014 Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen. Seit Ende Mai 2025 ist Bernd Fabritius erneut Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Das Amt hatte der CSU-Politiker bereits von 2018 bis 2022 inne.
LE: Welches Potenzial sehen Sie vor dem Hintergrund im Internationalen Sommercamp, das jährlich vom Institut für Auslandsbeziehungen und dem Goethe-Institut organisiert wird?
Das größte Potenzial. Ich kenne keine anderen Formate, wo junge Menschen aus unterschiedlichen Minderheiten, also aus unterschiedlichen Ländern, die Möglichkeit wahrnehmen, ihre eigene kulturelle Identität zu pflegen. Wir haben heute Jugendliche aus zwölf Ländern erlebt. Die ethnisch deutsche Minderheit in der Ukraine, in der Russischen Föderation, in Kasachstan, in Ungarn, in Rumänien oder in Tschechien lebt jeweils unter völlig anderen Rahmenbedingungen. Wenn die jungen Menschen dann ihre Erfahrungen austauschen können, miteinander sprechen können – Was ist bei euch anders als bei uns? Was können wir übernehmen? Was lernen wir von euch? Was macht ihr besser nicht so wie wir? – dann ist das eine unglaubliche Chance. Anders als vor 20 oder 30 Jahren sind junge Menschen heute weltweit unterwegs. Allein das Internet und die Digitalisierung führen dazu, dass geografische Grenzen zunehmend unbedeutend werden. Genau das kann man hier im Sommercamp erleben.
LE: Inwiefern ist dieser Austausch, die Zeit, die man hier im Sommercamp verbringt, das richtige Setting für Jugendliche, um zu einer eigenen Identität zu finden?
Es ist unbedingt das richtige Setting. Die Feststellung halte ich für besonders wichtig: Es geht im Jugendcamp nicht nur darum, eine weltweit verwendete Sprache zu lernen. Sonst könnte man das Sommercamp, statt auf Deutsch, ja genauso gut auf Englisch machen. Nein, im Sommercamp geht es um Bausteine der eigenen Identität, um die Muttersprache. Auch wenn einige der Teilnehmer gar kein Deutsch mehr sprechen, oder Deutsch nur als die Sprache der Eltern oder der Großeltern erleben: Das Erkennen der Muttersprache ist ein wichtiger Teil der eigenen Identität. Und wenn die hier gepflegt werden kann, finde ich das sehr positiv.
Das Gespräch führte Lennard Halfmann
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