Im März erschien die zweite Auflage des Buches „Schicksale der Deutschen“. Hinter dem Buch steckt ein engagiertes Autorenteam, das sich für eine Aufarbeitung der Vertreibung von 1945 bis in die Gegenwart einsetzt.
Man schrieb das Jahr 1945. Unendliches Leid hatte der Zweite Weltkrieg den Menschen gebracht. Das war auch im Sudetenland und im dortigen grenznahen Isergebirge nicht anders. Mit dem Schweigen der Waffen und der Kapitulation Hitlerdeutschlands gab es für die seit Jahrhunderten dort friedlich nebeneinander lebenden Deutschen und Tschechen nur einen Wunsch: Lasst es wirklich vorbei sein, denn schlimmer kann es wohl nicht mehr kommen. Wie sich zeigen sollte, ein verhängnisvoller Irrtum, zumindest was die Deutschen angeht. Mit dem ersten aus 40 Viehwaggons bestehenden Zug, der am 28. Januar 1946 den Bahnhof Reichenau (Rychnov u Jablonce nad Nisou) verließ, begann das, was im Tschechischen „Odsun“ (Vertreibung) hieß, in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR hartnäckig als „Umsiedlung“, seltener auch als „Evakuierung“ bezeichnet wurde. Begriffe, die kaum Rückschlüsse darauf zuließen, was damals tatsächlich geschah.
Autoren-Trio arbeitet Geschichte auf
Doch ungeachtet dessen, dass es heute immer weniger wirkliche Zeitzeugen gibt und sich zum Glück inzwischen wieder Normalität im täglichen Umgang der Menschen miteinander entwickeln konnte, bleibt vieles davon noch immer lebendig. Man kann und soll so etwas auch nicht vergessen. Aber was können und müssen wir gemeinsam tun? Die Geschichte so darstellen, wie sie tatsächlich gewesen ist. Vor zehn Jahren, anlässlich des 70. Jahrestages der schlimmen Ereignisse, stellten sich dieser Aufgabe die Journalistin Petra Laurin, die Völkerkundlerin Christa Petrásková, beide aus Gablonz (Jablonec nad Nisou), sowie die ebenfalls aus der Neißestadt stammende damalige Vorsitzende des „Verbandes der Deutschen und Freunde der deutschen Kultur“ in Prag, Irene Novák. Sie gestalteten damals eine zweisprachige Wanderausstellung zur Vertreibung, die vom Beginn bis in das Jahr 1948 reichte. Gleichzeitig erschien eine Broschüre sowohl in tschechischer als auch in deutscher Sprache. Der Erfolg machte Mut. So entstanden Fortsetzungen über die Zeiträume 1948 bis zum „Prager Frühling“ 1968, von dessen Niederschlagung bis zur Samtenen Revolution 1989, und einem abschließenden Teil, der bis in die Gegenwart reicht.
„Schicksale der Deutschen“
Natürlich hatte sich während der Recherchen und Forschungen eine solche Menge an Material angesammelt, dass die Autorinnen der Versuchung nicht widerstehen konnten, daraus ein weiteres Buch zu gestalten: „Schicksale der Deutschen“. Es entstand ein wiederum zweisprachiger Band über den gesamten Zeitraum – eine Fleißarbeit ersten Ranges, die 2018 erschien. Dazu Petra Laurin: „Natürlich ist für den Leser interessant, welche Ausmaße das damals alles hatte. Aber uns interessierten vor allem die Menschen, deshalb konzentrierten wir uns verstärkt darauf, was nach der Vertreibung aus ihnen geworden ist.“ Dabei habe man ganz bewusst jene mit einbezogen, die aus den verschiedensten Gründen bleiben durften oder teilweise sogar mussten. Denn deren Schicksal war ja nicht weniger hart. Von einem Tag auf den anderen verloren auch sie die Heimat, waren Fremde im eigenen Land. Das Buch erzählt, was das im Einzelnen hieß, mit welchen Diskriminierungen sie sich auseinandersetzen und welche Schmach sie erdulden mussten, während anderswo ehemalige Freunde, Bekannte und Nachbarn inzwischen eine neue Bleibe gefunden hatten, aus der nun unter großen Anstrengungen eine neue Heimat werden sollte. Selbstverständlich kommt dabei im letzten Kapitel der Partnerschaft zwischen Gablonz und der Stadt Kaufbeuren, besonders ihrem dereinst von den Vertriebenen gegründeten Stadtteil Neugablonz, besondere Bedeutung zu. Illustriert wird das Ganze durch zahlreiche authentische Dokumente, Zeitungsausschnitte, Pläne und vor allem historischen Fotos, verknüpft mit solchen aus der Gegenwart.
Zweitauflage erhielt Aktualisierung
Die Resonanz nach Erscheinen des Buches war überwältigend. Weitere Schicksale und Erinnerungen betroffener Menschen beider Nationalitäten tauchten auf. Auch diese sollten nicht verloren gehen. Zudem war es sinnvoll geworden, einige neue Aspekte zu berücksichtigen. All das bewog das Autorinnen-Trio dazu, eine zweite, erweiterte und aktualisierte Auflage zu gestalten. Diese ist seit wenigen Tagen beiderseits der Neiße im Handel erhältlich. Das Fazit: „Es geht keineswegs darum, alte Wunden wieder aufzureißen oder erneut gegenseitige Schuldzuweisungen zu aktivieren“, so Petra Laurin. „Anliegen des neuen Buches ist es erneut, die tatsächliche Geschichte darzustellen, die Erinnerung wach zu halten und damit einen Beitrag zu leisten, dass sich so etwas zwischen unseren Völkern nie wiederholt.“
Titel: Osudy Němců – Schicksale der Deutschen, Neue erweiterte Ausgabe
Autorinnen: Petra Laurin, Irena Novák, Christa Petrásková
Herausgeber: Haus der deutsch-tschechischen Verständigung, Reinowitz
ISBN: 978-80-909356-1-7
Preis: 22 Euro
Außer im Buchhandel, ist das Buch beim Mobilen Vertriebs- und Allroundservice Wolfgang Berndt, Oderwitz, Tel: 035842/24250, E-Mail: satz-druckvermittlung@gmx.de, erhältlich.
Dieser beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 4/2025
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