Pappverpackung mit Toast mit Räucherlachs, Frischkäse, Gurken und Rucola, dazu ein Schokotörtchen – genossen im Garten Grébovka mit Blick auf Prag.
Picknick mit geretteten Leckereien: Toast mit Lachs und ein feines Schokotörtchen – genossen mit Aussicht im Garten Grébovka in Prag. Credit: Lucie Bruchhold

Günstig essen und Lebensmittel retten – klingt zu schön, um wahr zu sein? In Prag nutzen viele die App „Too Good To Go“, um Überraschungstüten voller übrig gebliebener Speisen abzuholen. Unsere Landesbloggerin Lucie hat das Konzept getestet – und zieht ein ehrliches Fazit zwischen Schnäppchen, Nachhaltigkeit und Enttäuschung.

Das Prinzip ist schnell erklärt: Restaurants, Cafés, Bäckereien oder Supermärkte bieten über die App sogenannte „Überraschungstüten“ oder auch „Mystery Bags“ an – gefüllt mit Lebensmitteln, die am Ende des Tages übrig bleiben und sonst vermutlich im Müll landen würden. Nutzerinnen und Nutzer können diese Tüten zu stark reduzierten Preisen reservieren und dann zur angegebenen Zeit abholen. Die Idee: weniger Lebensmittelverschwendung, mehr Nachhaltigkeit, faire Preise. Auf dem Papier also eine Win-win-Situation. Tatsächlich habe ich durch die App schon einige richtig gute Mahlzeiten bekommen – für unter drei Euro.

Lachs-Toast und süßes Törtchen in der Sonne genießen, mit Ausblick auf den Grébovka Park in Prag.

Der Alltag mit „Too Good To Go“ in Prag

Inzwischen ist die App ein fester Bestandteil meiner Wochenplanung geworden. Meistens stöbere ich abends durch die Angebote für den nächsten Tag. Denn: Wer früh bucht, hat die größte Auswahl. Manche Läden stellen ihre Tüten zu festen Zeiten ein, andere eher spontan – man muss ein bisschen dranbleiben, um die besten Deals zu erwischen. Besonders beliebt (und schnell weg!) sind in Prag die Tüten von asiatischen Restaurants, italienischen Bistros oder auch von kleinen veganen Cafés. Die Preise variieren stark – von 49 bis zu 349 Tschechischen Kronen (zwischen 2 und 14 Euro) ist alles dabei. Natürlich bekommt man für mehr Geld in der Regel auch mehr Inhalt – aber es ist und bleibt eine Überraschung. Ich habe schon ganze Mahlzeiten abgeholt – warm, duftend und ordentlich verpackt, zum Beispiel in einem indischen Kantinenrestaurant. Oder in einer georgischen Bäckerei, wo es einmal eine würzige Linsensuppe und drei verschiedene Sorten gefülltes Gebäck gab. Manchmal ist die Ausbeute richtig vielfältig, manchmal eher wild gemischt: verschiedenste Stücke Sushi für 299 Kronen (ca. 12 Euro oder drei Stück Pizza für 59 Kronen (ca. 2,40 Euro) – da zeigt sich, dass der Begriff Überraschungstüte durchaus wörtlich zu verstehen ist.

Überraschung aus der Bäckertüte: Marmorkuchen, Macarons und Hefeteilchen – eine süße Mischung aus einer Prager Bäckerei.

Was gut funktioniert

Ein echtes Plus ist für mich die unkomplizierte Nutzung: Ich reserviere mein Essen direkt über die App, zahle gleich und hole es zur angegebenen Zeit im Restaurant oder Laden ab. Die Abholzeiten sind unterschiedlich – manche Läden bieten ein Zeitfenster von mehreren Stunden, andere geben nur 30 Minuten. Mit ein bisschen Planung lässt sich das aber gut in den Alltag integrieren. Ich kombiniere die Abholungen oft mit meinem Arbeitsweg oder einem Einkauf. Auch die Infrastruktur in Prag spielt mir dabei in die Karten: Mit Bus, Bahn oder Tram bin ich überall schnell da. Und: In der App gibt es eine praktische Kartenfunktion, mit der ich sehe, wo in meiner Nähe gerade Tüten verfügbar sind– super praktisch, auch spontan. Was ich besonders schätze: Inzwischen gibt es bei vielen Anbietern die Möglichkeit, gezielt vegetarische oder vegane Optionen auszuwählen. So kann ich besser einschätzen, was mich erwartet. Außerdem wurde ich vor Ort auch schon gefragt, ob ich lieber eine fleischfreie Variante möchte – ein kleiner, aber feiner Service.

Was weniger gut funktioniert

So praktisch das Prinzip der Überraschungstüte auch ist – es bringt ein paar Stolpersteine mit sich. Erstens: Man weiß nie genau, was man bekommt. Das ist Teil des Konzepts und macht den Reiz aus – kann aber auch mal bedeuten, dass der Inhalt nicht ganz dem eigenen Geschmack entspricht. Mal ist die Tüte bunt gemischt und kreativ, mal besteht sie eher aus Basics oder eher einfachen Resten vom Tag. Das gehört dazu und ist kein Drama, aber es bleibt eben ein kleines Risiko, dem man sich bewusst sein muss. Zweitens: Die Qualität kann schwanken. Manche Restaurants packen wirklich frische, liebevoll zubereitete Mahlzeiten ein – das freut mich jedes Mal aufs Neue. Bei anderen merkt man, dass das Essen schon eine Weile vorbereitet wurde, wie zum Beispiel bei Sushi. Dann ist es vielleicht nicht mehr ganz auf Höchstniveau, aber trotzdem noch genießbar und völlig okay. Drittens: Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Nachhaltigkeitsaspekt ein bisschen vorgeschoben wird. Denn ja – theoretisch rette ich Lebensmittel vor dem Müll. Aber praktisch wird aus dem Überschuss eben auch ein Geschäftsmodell gemacht. Die Tüten sind selten reine Spendenaktion, sondern Teil eines wirtschaftlichen Kalküls. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man sich ausschließlich wegen des Umweltgedankens für die App entscheidet.

Belegte Brote mal anders: Pastrami, Avocado, Ei und ein Cube-Croissant mit Schokofüllung – eine gelungene Mischung aus der letzten Tüte.

Neue Funktionen – neue Möglichkeiten?

Seit Kurzem bietet die App in Prag auch Lieferungen an – allerdings nur für größere Lebensmittelpakete von Supermärkten oder Großproduzenten. Man kann dabei entweder eine Art „Mysterybox“ bestellen oder gezielter aus Kategorien wie „Snacks“, „Mahlzeiten“ oder „Speisekammer“ wählen. Einige Boxen sind konkret benannt – etwa der „Tortilla Chips Mix“ oder das „Barilla-Pesto-Paket“. Das ist nett, wenn man auf Vorrat kaufen möchte – aber für mich persönlich ersetzt es nicht das spontane Abendessen. Außerdem: Geliefert wird nur an ausgewählte Punkte oder nach Hause – mit deutlich längerer Vorlaufzeit. Für den Alltag ist das eher ein Zusatzangebot.

Fazit: Too Good To Go – kein Allheilmittel, aber eine sehr gute Option

Die App „Too Good To Go“ ist für mich nicht die Lösung aller Probleme, aber eine praktische Ergänzung im Alltag. Ich spare Geld, entdecke neue Orte in der Stadt, esse oft besser als erwartet – und habe gleichzeitig das Gefühl, etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu tun. Aber: Es bleibt ein Kompromiss. Es kann vorkommen, dass die Überraschung nicht immer erfreulich ist, und der ökologische Nutzen lässt sich manchmal schwer einschätzen – besonders, wenn man mit dem Auto quer durch die Stadt fahren muss, um eine kleine Mahlzeit zu retten. Wer jedoch die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, hat es leichter, da die Restaurants oft gut erreichbar sind und sich die Abholungen oft problemlos in den Alltag integrieren lassen. Für mich überwiegen dennoch die Vorteile – gerade in einer Stadt wie Prag, wo das Angebot groß ist und die Wege kurz sind. Ich habe durch die App Restaurants kennengelernt, in die ich sonst nie gegangen wäre. Und wenn man sich einmal an das Spiel mit dem Ungewissen gewöhnt hat, macht es sogar Spaß. Und ganz ehrlich: Als Studentin freut man sich über jedes gute Essen, das nicht das halbe Monatsbudget frisst.

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