Mit 43 Jahren erfüllte sich dem tschechischen Lokführer Ladislav Crha ein Kindheitstraum: Er arbeitet auf einer Dampflokomotive. Seit Anfang Mai ist er der Heizer der Zittauer Schmalspurbahn.
Ladislav Crha stammt aus einer Eisenbahnerfamilie. Er konnte sich schon als Kind viel bei seinem Vater abgucken, welcher ebenfalls Lokführer war. Er begleitete ihn gerne zur Arbeit und beobachtete ihn auf Schritt und Tritt. „Ich bin mein ganzes Berufsleben bei der Bahn tätig“, betont Crha. Wie man eine Dampflokomotive führt, lernte er schließlich beim Eisenbahnverein in Turnau (Turnov). Vor 17 Jahren war er zudem Teil der Gründung des Eisenbahnvereins in Friedland in Böhmen (Frýdlant), den er heute als Vorsitzender leitet. In dem ehemaligen Heizwerk des Ortes richtete der Verein auch ein Museum der damaligen Schmalspurbahnstrecke im Friedländer Zipfel ein.
Anfängliche Sprachbarrieren
Zu Beginn seiner Arbeit als Heizer war noch ein Dolmetscher notwendig. Mittlerweile kommt er mit seinen deutschen Kollegen jedoch auch alleine ganz gut zurecht. „Die professionelle Kommunikation funktioniert schon problemlos, aber um frei zu plaudern, brauche ich noch etwas Zeit“, sagt der Eisenbahner aus Weißbach an der Tafeldichte (Bilý Potok pod Smrkem). Er fährt täglich mit seinem Auto über Polen zum Bahnhof in Bertsdorf. Da seit 1976 keine Reisezüge mehr die Orte Friedland in Böhmen (Frýdlant) und Hermsdorf (Heřmanice) passieren, kann er nicht mehr mit Zug zur Arbeit fahren. In den Folgejahren war die Strecke zwar weiterhin noch im Kursbuch der Tschechischen Bahn enthalten, alle Züge verkehrten jedoch als Schienenersatzverkehr mit Bussen. Die offizielle Stilllegung der Strecke erfolgte 1984 und die Gleise wurden 1997 abgebaut.
Ein wohl überlegter Berufswechsel
In Tschechien ist Crha bisher insbesondere Elektro- und Güterzüge gefahren. Eine Dampflokomotive fuhr er dagegen nur ein paarmal im Jahr, bei sogenannten Sonderfahrten. „Dafür habe ich Prüfungen abgelegt“, betont er jedoch stolz. Als Heizer muss Crha nun in jeder Schicht die Dampflok mit rund zwei Tonnen Schwarzkohle füttern. Die Menge hängt dabei immer von der Strecke und der Anzahl der Passagiere ab. Zudem beobachtet er auch sorgfältig den Druck des Wassers im Kessel.
Mit dem Gedanken, bei der Schmalspurbahn zu arbeiten, spielte er schon seit 2018. Doch erst jetzt war die Zeit reif für ein Umsteigen, wie er begründet: „Die Chance, bei der Schmalspurbahn anzutreten, war ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Wir arbeiten hier mit mehr Ruhe. Unser Arbeitgeber respektiert zum Beispiel, dass es einen Feierabend gibt. Bei uns in Tschechien hat es niemanden interessiert. Das schätze ich hier am meisten“.
Länderübergreifende Mitarbeitersuche
Der Mangel an Arbeitskräften in der Region zwang die Betreiber der Zittauer Schmalspurbahn, die Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft mbH (SOEG), sich auch hinter der Grenze nach Mitarbeitern umzuschauen. „Die Menschen, die eine Dampflok fahren können, sind nicht viele“, konstatiert Alfred Simm, Marketingleiter der SOEG. Crha ist dabei nicht der einzige Tscheche, welcher bei der Schmalspurbahn tätig ist. Des Weiteren verkauft eine Tschechin Fahrkarten auf der Station Zittau-Vorstadt und ein tschechischer Schaffner begleitet. die Züge.
Die Zittauer Schmalspurbahn ist schon seit 1890 in Betrieb. Bis heute verkehrt sie auf insgesamt 16 Kilometer Strecke. An Wochentagen pendeln zwei Züge auf der Strecke, am Wochenende drei. Zu besonderen Anlässen, wie beispielsweise dem Historik Mobil Event, sind bis zu sechs Züge aktiv, womit die Strecke ihre volle Kapazität erreichen würde. 2019 erlebte die Zittauer Schmalspurbahn zudem einen Besucherrekord. Sie begrüßte in Ihren Wagons fast eine Viertelmillion Fahrgäste, darunter auch zunehmend Tschechen.