Nur ein Bruchteil im Ausland lebender Deutscher nimmt wegen hoher Hürden an Bundestagswahlen teil. Der Weg zur Stimmabgabe könnte aber einfacher sein.
Am 23. Februar 2025 wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Doch für rund 3,5 Millionen Deutsche, die dauerhaft im Ausland leben, gestaltet sich die Wahlbeteiligung oft als herausfordernd. Die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland fordert umfassende Reformen, um die demokratische Teilhabe dieser Bevölkerungsgruppe zu verbessern. Eine Pressekonferenz der Stiftung in Berlin verdeutlichte, welche Hürden derzeit bestehen und welche Lösungsvorschläge es gibt.
Deutsche, die im Ausland leben, besitzen zwar grundsätzlich das aktive Wahlrecht für den Bundestag. Doch die Teilnahme ist oft mit hohen Hürden verbunden. Anders als in Deutschland ansässige Wähler werden Auslandsdeutsche (also deutsche Staatsbürger ohne Wohnsitz in Deutschland) nicht automatisch in das Wählerverzeichnis aufgenommen. Stattdessen müssen sie sich vor jeder Wahl aktiv registrieren lassen. Dieses Verfahren ist papierbasiert, aufwendig und erfordert oft lange Postlaufzeiten, die zudem in einigen Ländern unzuverlässig sein können.
Auch die ausschließliche Möglichkeit der Briefwahl stellt ein Hindernis dar. Die Postlaufzeiten und die Zuverlässigkeit der Post variieren weltweit, was oft dazu führt, dass Unterlagen verspätet eintreffen oder gar nicht ankommen. Nur rund 3,5 Prozent der wahlberechtigten Auslandsdeutschen nutzten bei der letzten Bundestagswahl ihr Wahlrecht.
Wie Deutsche im Ausland an der Bundestagswahl teilnehmen können
Zur Teilnahme an der Bundestagswahl müssen im Ausland lebende Deutsche eine Eintragung ins Wählerverzeichnis beantragen, und zwar bei der Gemeinde, in der sie zuletzt gemeldet waren. Dafür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Deutsche ohne inländischen Wohnsitz müssen nach Vollendung ihres 14. Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gelebt haben. Der Aufenthalt darf dabei nicht länger als 25 Jahre zurückliegen. Eine Sonderregelung besteht für Auslandsdeutsche, die persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen der Bundesrepublik erworben haben und von diesen betroffen sind. In diesem Fall wird der Antrag an jene Gemeinde gerichtet, mit der sie nach eigener Erklärung am engsten verbunden sind. Der ausgefüllte und persönlich handschriftlich unterschriebene Antrag muss bis zum 2. Februar 2025 postalisch im Original oder per Fax, E-Mail an die zuständige Gemeindebehörde übermittelt werden. Nach der Eintragung ins Wählerverzeichnis werden die Briefwahlunterlagen an den Wohnsitz im Ausland versandt. Mehr Informationen auf www.bundeswahlleiterin.de oder in unserem Artikel.
Stiftung Verbundenheit fordert Reform des Wahlrechts
Die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland sieht dringenden Handlungsbedarf und präsentierte während einer Pressekonferenz Anfang Januar fünf zentrale Forderungen, um die Wahlbeteiligung zu steigern und die demokratische Teilhabe von Auslandsdeutschen zu verbessern. Zunächst sollten bürokratische Hürden abgebaut und die Eintragung in das Wählerverzeichnis vereinfacht werden. Die papierbasierte Anmeldung sei nicht zeitgemäß und schrecke viele potenzielle Wähler ab. Als Zweites fordert die Stiftung eine Digitalisierung der Prozesse und nennt hier Frankreich und Italien als Vorbilder, wo ein digitales Wählerverzeichnis für im Ausland lebende Bürger existiert. Drittens sollte eine Stimmabgabe in den Auslandsvertretungen, also in den Botschaften und Konsulaten, möglich sein. Als vierten Punkt sieht die Stiftung die Einrichtung von Auslandswahlkreisen als eine Möglichkeit, die demokratische Teilhabe zu verbessern. Alternativ sollten Auslandsdeutsche die Möglichkeit erhalten, im Wahlkreis ihres letzten Wohnsitzes in Deutschland zu wählen. Zuletzt fordert die Stiftung die Einrichtung von E-Voting, also die Stimmabgabe im Internet, und verweist dabei auf Estland, das diese Möglichkeit bereits seit 20 Jahren anbietet.
Ausgearbeitet hat das Positionspapier im Auftrag der Stiftung Verbundenheit Oliver Junk, Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule Harz. „Ich bin verwundert, dass man mit diesem Problem in Deutschland so selbstverständlich umgeht“, so Junk während der Pressekonferenz. Deutschland entziehe durch seine Wahlrechtsverfahren den 3,5 Millionen Bürgern im Ausland faktisch die Möglichkeit, an Bundestagswahlen teilzunehmen. Junk sieht dabei eine Ungleichbehandlung der Wähler und fragt sich, ob diese Praxis nicht sogar verfassungswidrig ist.
Die Forderungen der Stiftung Verbundenheit zielen nicht nur darauf ab, das Wahlrecht für Auslandsdeutsche praktikabler zu gestalten. Sie verstehen sich auch als Teil eines größeren Projekts, die Demokratie in Deutschland zu stärken. Auslandsdeutsche bringen wertvolle Perspektiven ein, die für die internationale Politikgestaltung Deutschlands von Bedeutung sind. So sieht das auch der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk, Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Verbundenheit. Die Reformen würden im Ausland lebende Deutsche außerdem stärker an ihr Heimatland binden.
Memorandum zur Bundestagwahl
Daneben stellte die Stiftung Verbundenheit Rahmen der Pressekonferenz ihr Memorandum vor, mit dem sie im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 für eine Ausweitung der Unterstützung der deutschen Minderheiten sowie deutschsprachigen Gemeinschaften weltweit werben möchte. Neben einer umfangreichen Bestandsaufnahme dieser etwa 60 Millionen Menschen umfassenden Gruppe beinhaltet das Memorandum einen konkreten Aktionsplan mit Handlungsempfehlungen, etwa den Ausbau des Förderprogramms der Bundesrepublik für die deutschen Minderheiten, die Stärkung des Amtes des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten oder die verstärkte Unterstützung der deutschen Minderheit in Slowenien sowie deutschsprachiger Gemeinschaften in Israel oder Nord- und Südamerika sowie in Teilen Afrikas. Auch die Vereinfachung der Teilnahme an Bundestagswahlen für im Ausland lebende Deutsche ist eine Handlungsempfehlung für die künftige Legislaturperiode.
Das Memorandum der Stiftung Verbundenheit ist an die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen) sowie an Christian Lindner (FDP) und die Fraktionsspitzen von CSU, Alexander Dobrindt, sowie an Hubert Aiwanger der Freie Wähler mit der Bitte um eine Stellungnahme übersendet worden.
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