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Das Leben in der Großstadt – LandesBlog

Das Leben in der Großstadt. Foto: Anna Plachetka

Das Praktikum unserer LandesBloggerin Anna neigt sich dem Ende zu, weshalb sie ihre Zeit in Prag noch einmal Revue passieren lässt.

Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Zwar liegt mein Geburtsort nicht weit entfernt von mehreren größeren Städten (Bochum, Dortmund, Essen…), dorthin zu kommen, hat sich damals für mich als Jugendliche jedoch immer angefühlt wie eine halbe Weltreise – erst 20 Minuten zur Bushaltestelle laufen, dann fünf Minuten mit dem Bus zum Bahnhof fahren und dann noch mal 20 bis 30 Minuten Zugfahrt bis in die Stadt. Hier in Prag mit der Tram ohne lange Wartezeiten überall hinzukommen – und vor allem nachts nach einem Barbesuch auch wieder zurück nach Hause fahren zu können – war für mich definitiv ein Highlight. Diese Mobilität werde ich sicher vermissen.

Das Tram-Netz in Prag bietet viel Mobilität. Foto: Anna Plachetka.

Das Tram-Netz in Prag bietet viel Mobilität. Foto: Anna Plachetka.

Verlockungen an jeder Ecke

Was ich gerade zu Beginn meiner Zeit hier in Prag mehr als Fluch denn als Segen empfand, sind die vielen Reize, mit denen man tagtäglich umgeben ist. Beinahe in jeder Straße lauerten Geschäfte, deren Waren mir zuriefen: „Kauf mich, kauf mich“. Ständig diesem Überangebot ausgesetzt zu sein und dem Kaufimpuls widerstehen zu müssen, hat mich anfangs viel Energie gekostet. Mit der Zeit habe ich mich wohl daran gewöhnt, denn jetzt macht es mir nicht mehr so viel aus.

Die große Anzahl an schönen Cafés, die es in Prag gibt, hat mich hingegen weniger gestört. Hier gibt es sicher mehr Cafés als man in zwei Monaten besuchen kann, ich habe mich jedoch ins Zeug gelegt, eine Menge von ihnen auszutesten. Eines meiner Lieblingscafés war die Nostress Bakery, wo es morgens sehr leckere warme Croissants gibt. Glücklicherweise habe ich die Bäckerei bereits in meiner zweiten Woche hier entdeckt und dort das ein oder andere Mal gefrühstückt.

In der Nostress Bakery gibt es die leckersten Croissants. Foto: Anna Plachetka.

In der Nostress Bakery gibt es die leckersten Croissants. Foto: Anna Plachetka.

Dem Gewusel entfliehen

An den Wochenenden habe ich Prag am liebsten zu Fuß erkundet. Dabei bin ich meist ohne ein bestimmtes Ziel durch die Stadt gelaufen, auf der Suche nach schönen Ecken und verwinkelten Gassen. Das Zentrum der Altstadt habe ich dabei meist gemieden, da es mir dort gerade an den Wochenenden durch die vielen Touristen viel zu voll war. Ich bin sehr dankbar, dass ich durch meinen zweimonatigen Aufenthalt die Möglichkeit hatte, Prag auch zu Zeiten erkunden, zu denen es relativ leer war. So schön ich Prags Architektur und die vielen kleinen Gässchen auch finde, so vermisste ich es mit der Zeit jedoch immer mehr, dem Betondschungel auch mal zu entfliehen. An den Wochenenden bin ich deshalb gern in den Letná-Park gegangen, der unweit von meiner Unterkunft liegt, und habe mich dort mit einem Buch in die Sonne gesetzt.

Im Letná-Park kann man dem Getümmel der Stadt ein wenig entfliehen. Foto: Anna Plachetka.

Im Letná-Park kann man dem Getümmel der Stadt ein wenig entfliehen. Foto: Anna Plachetka. 

Stöbern im Shakespeare Bookstore

In meiner Zeit hier in Prag habe ich einige Bücher verschlungen. Auf der Suche nach Nachschub entdeckte ich unweit der Haltestelle Malostranská den Shakespeare Bookstore, der eine große Auswahl englischsprachiger Literatur bietet. Der Laden hat einen ganz besonderen Charme und lädt zum Stöbern ein. Auf zwei Etagen findet man sowohl neue als auch gebrauchte Bücher. Zuletzt habe ich dort den Roman „Beautiful world, where are you“ (Schöne Welt, wo bist du) von Sally Rooney gekauft, welchen ich sehr weiterempfehlen kann.

Der Shakespeare Bookstore bietet eine große Auswahl englischsprachiger Literatur. Foto: Anna Plachetka

Der Shakespeare Bookstore bietet eine große Auswahl englischsprachiger Literatur. Foto: Anna Plachetka

Letztendlich doch kein Stadtmensch

Zurückblickend bin ich auf jeden Fall dankbar, durch mein Praktikum hier in Prag Einblicke in das Leben in der Großstadt erhalten zu haben. Für mich persönlich habe ich festgestellt, dass ich die Vorteile des Stadtlebens auf kurze Zeit zwar genießen kann, auf lange Sicht jedoch die Ruhe, die frische Luft und die Nähe zur Natur zu sehr vermisse. Ich bin eine echte Frischluft-Fanatikerin und hier ist es mir leider allzu oft passiert, dass ich nach einem tiefen Atemzug plötzlich die Nase voll hatte mit Abgasen oder Zigarettenqualm. Die gute Anbindung, die vielen süßen Cafés und die Möglichkeit, alles Nötige schnell bekommen zu können, werde ich zwar vermissen, meinem Geldbeutel wird der Abstand aber mit Sicherheit guttun.


Moin und dobrý den aus der goldenen Stadt. Anna

Ich heiße Anna Plachetka und werde die LandesEcho-Redaktion die nächsten zwei Monate als Praktikantin unterstützen. Da mein Vater aus Tschechien stammt, hoffe ich, hier ein paar Kontakte zu knüpfen und meine mäßigen Sprachkenntnisse ein bisschen verbessern zu können. Ich studiere Kulturwissenschaften und Digitale Medien in Lüneburg und habe das vergangene halbe Jahr im Auslandssemester in Schweden verbracht. Nach meinem Studium möchte ich eine Schnittstelle zwischen Kultur und Medien besetzen, um marginalisierten Gruppen eine Stimme geben zu können. Jetzt bin ich aber erstmal gespannt, welche neuen Inspirationen und Eindrücke die Zeit in Prag für mich bereithält und freue mich schon sehr über die im Vergleich zu Schweden äußerst erschwinglichen Bierpreise.

 

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