Wer ist die deutsche Minderheit in Tschechien und wo trifft sie sich? In dieser Ausgabe stellen wir Ihnen das Begegnungszentrum (BGZ) in Trautenau (Trutnov) vor.

Die Stadt Trautenau liegt im Nordosten Tschechiens in der Nähe der polnischen Grenze. Sie ist umgeben von Bergen und wird auch das „Tor zum Riesengebirge“ genannt. Der Sage nach suchten bei der Gründung der Stadt Trautenau zwei Männer dort in den Wäldern nach einem Steinbruch, als ihnen einekreisende Krähe etwas Ungewöhnliches anzeigte. Durch das Dickicht erkannten sie einen Drachen, der an dieser Stelle sein Revier hatte. Sie flohen schnell zu ihrem Herrn, Albrecht von Trautenberg, um ihn über ihre Entdeckung zu unterrichten. Der stolze Albrecht von Trautenberg machte sich sofort in den Wald auf, fand die Höhle des Drachen und befreite die Gegend von dem Untier. Zu seinen Ehren soll die daraufhin an der Stelle gegründete Stadt „Trautenau“ genannt worden sein. Noch heute finden sich im Stadtwappen sowohl die Krähe als auch der Drache wieder.

Der Rübezahl-Brunnen in Trautenau. Foto: Wikimedia Commons/ Koroner (CC BY-SA 3.0)

Bibliothek und Bildungsreisen

Auch in Trautenau haben die Kriege und Umwälzungen des 20. Jahrhunderts tiefe Wunden hinterlassen, die noch heute spürbar sind. Erst nach der Samtenen Revolution war es den verbliebenen Deutschen möglich, ein Begegnungszentrum zu gründen. Seit 1992 bietet das Zentrum eine umfangreiche Bibliothek, die auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht, sowie Seminare und Deutschkurse an. Großen Zuspruch finden auch Bildungsreisen des Vereins der deutsch-tschechischen Verständigung, der das BGZ betreibt.

Seit 2016 leitet Štěpánka Šichová das Büro. „Ich bin hier in Trautenau geboren und gehöre eigentlich der ‚zweiten Welle‘ der Leute im Sudetenland an. Die ersten waren die Deutschen, die hier schon ein paar hundert Jahre gelebt haben. Meine Großeltern kamen dann nach dem Zweiten Weltkrieg hierher. Ich mag die Region und dazu gehört einfach auch die deutsche Minderheit, die hier zuhause ist, und auch die deutsche Sprache. Als ich klein war, kam mein Vater zu mir und fragte: ‚Möchtest du Deutsch lernen?‘ Das war noch vor der Wende und ich sagte: ‚Ja, warum nicht.‘ Aber meine Eltern und Großeltern waren keine Deutschen“, erzählt Šichová.

Seit 2016 leitet Štěpánka Šichová das BGZ. Foto: privat

Ein BGZ für alle

Mit den Schulen in Trautenau und Umgebung existiert eine gute Zusammenarbeit. Für die Jugend werden verschiedene Projekte durchgeführt. Außerdem hat das BGZ gute Kontakte zu den Museen in Trautenau, Schatzlar (Žacléř), Hohenelbe (Vrchlabí) undAdersbach (Adršpach) sowie zum Staatlichen Bezirksarchiv Trautenau und der Städtischen Galerie. Das BGZ arbeitet auch mit den Heimatkreisen (Trautenau, Braunau, Hohenelbe) zusammen. „Wir versuchen vor allem, dass die Leute, die hier leben, wissen, dass es ein Begegnungszentrum für die deutsch-tschechische Verständigung gibt. Für die ganze Region organisieren wir z.B. einen deutsch-tschechischen Kindertag oder das Projekt ‚Verschwundene Dörfer‘. Wir geben uns Mühe für alle hier zu sein. Die tschechische Mehrheit soll wissen, dass auch Deutsche hier leben“, sagt Šichová über die Arbeit des BGZ.

Am BGZ engagiert sich auch Renate Smutná , die der deutschsprachigen Minderheit angehört. Gemeinsam mit Štěpánka Šichová leitet sie einen Deutschkurs für Kleinkinder. „Je älter ich bin, desto mehr fühle ich mich als Deutsche oder deutsche Tschechin oder tschechische Deutsche. Ich weiß nicht, was ich eigentlich bin. Als ich jung war, war mir das ganz egal. Da war ich mehr Tschechin, aber jetzt, wirklich je älter ich bin, desto mehr will ich darüber erfahren und ich habe jetzt viel mehr Möglichkeiten durch das BGZ, neue Leute kennen zu lernen, nach Berlin zur Jugendkonferenz zu fahren oder zu Seminaren nach Prag“, erzählt Smutná.

Renate Smutná (rechts) mit ihrer Mutter Renate Hammová. Foto: privat

Neugierig geworden? Mehr über das BGZ und die deutsche Minderheit in Trautenau erfahren Sie in der Broschüre „Begegnungen. Die deutsche Minderheit in Tschechien“, erhältlich in den BGZ oder zum kostenlosen Download auf der Webseite der Landesversammlung.