Die Prager Tram ist ein inoffizielles Wahrzeichen der Stadt. Foto: Tobias Eisch

Die erste Fahrt mit der Tram hat bei unserem Landesblogger Tobias Eisch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aus dem Prager Alltag ist diese kaum wegzudenken, doch für die Bewohner der Hauptstadt wird sie immer unattraktiver.

Eine meiner ersten Erinnerungen an Prag ist eng verbunden mit der Tram. Bevor ich das erste Mal hier war, kannte ich Tschechien nur aus den Büchern von Autoren wie Neruda, Meyrink und Čapek. Meine Vorfreude darauf, die Stadt Kafkas endlich selbst zu besuchen war groß. Gerade am Hauptbahnhof mit dem Zug angekommen, stieg ich nach kurzer Suche in das rot-weiße Gefährt, um zu meiner Unterkunft zu fahren. Diese erste Fahrt über die Prager Gleise ist einmalig: Die Tram gleitet schwungvoll über die Schienen, vorbei an zahlreichen unbekannten Orten und Sehenswürdigkeiten. Bei dem Blick aus dem Fenster steigt die Vorfreude auf die kommende Zeit und nach jedem Gebäude, das vorbeizieht, kann man es kaum erwarten, alle die gesehenen Orte zu erkunden. Das aus den Büchern bekannte Prag präsentiert sich bei der Fahrt mit der Tram von seiner besten Seite. Dieser erste Kontakt mit der goldenen Stadt hat allerdings nicht nur mich beeindruckt, gerade bei Touristen hinterlässt die weiß-rote Straßenbahn einen bleibenden Eindruck. Wer einmal in die Beiträge zu Prag auf Instagram blickt, kann sich vor Fotografien der Tram vor Altstadtkulissen gar nicht retten.

Über die Bedeutung der Tram bei Touristen zu schreiben, ist wohl überflüssig. Es gibt bereits zahlreiche Berichte und Blogs zu diesem Thema. Dort wird ausführlich über die historische Linie 23 geschrieben und auch die täglich fahrende Schmierstraßenbahn „mazací tramvaj“ mit ihren über 12.000 Fans auf Facebook zieht nicht nur täglich die Blicke der Besucher Prags auf sich, sondern war schon oft Thema in den Berichten von Reisenden. Ich möchte lieber über eine Seite der Tram schreiben, die ich erst hier kennenlernen konnte, und zwar über ihre Bedeutung für die Stadt und ihre Bewohner.

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Die Tram vor der Prager Burg ist ein beliebtes Fotomotiv. Foto: Tobias Eisch

Smog-Alarm in Prag

Für die Stadtmobilität kommt der Tram eine tragende Rolle zu: Sie verbindet nicht nur die unterschiedlichen Teile der Stadt miteinander, sondern sie sorgt auch für eine bessere Luft in der Altstadt. Das hat Prag bitter nötig, die Stadt hat nach der Industriestadt Ostrau (Ostrava) die zweitschlechteste Luft in ganz Tschechien. Der Hauptgrund für die Luftverschmutzung ist die Mobilität, ungefähr 80 Prozent der Verschmutzung macht alleine der Straßenverkehr aus. Die Belastung ist zu manchen Zeiten sogar so hoch, dass ein Smog-Alarm ausgerufen wird. Dann müssen alle ihr Auto stehen lassen und auf den ÖPNV umsteigen. Vor der Pandemie wurde dieser etwa fünf bis sieben Mal pro Jahr ausgerufen. Prag hat eine Entlastung der Straße also dringend nötig.

An dieser Stelle könnten Tram und Metro gute Alternativen darstellen. Da diese elektrisch betrieben werden, stoßen sie keine direkten Schadstoffe aus. Eine sauberere Luft wäre zum Vorteil aller Bewohner und Besucher Prags. Alleine die gesundheitlichen Folgen verschmutzter Luft sind erheblich, sie kann Bronchitis, Atemnot und Atemwegsinfektionen auslösen. Sie ist auch verantwortlich für Herz-Kreislauferkrankungen und kann Lungenkrebs verursachen. Eine Smog-Wolke über Prag bewirkt also weit mehr als schlechte Fotos, sie wird zur dauerhaften Belastung für alle Menschen in Prag. Gerade zu Zeiten des Berufsverkehrs sind die Straßen Prags verstärkt belastet.

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Der dichte Straßenverkehr sorgt für eine starke Luftverschmutzung. Foto: Tobias Eisch

Die Tram im Alltag

Ich selbst nutze die Tram jeden Morgen für meinen Weg in die Redaktion. Sie bringt mich in kürzester Zeit zur Metro und nachdem ich einmal umgestiegen bin, steige ich direkt vor dem Haus der nationalen Minderheiten aus. Wie ich nutzen auch zahlreiche andere die Tram, um jeden Tag zur Arbeit zu kommen oder um in das Stadtzentrum zu gelangen. Sie ist aus dem Prager Alltag nicht wegzudenken. Doch die Nutzung des ÖPNV wird momentan eher unattraktiver.

Zum ersten August erhöhten sich die Fahrkartenpreise für den Prager ÖPNV. Der Preis für ein 30-Minuten Ticket stieg von 24 (0,94 €) auf 30 Kronen (1,18 €), das 90-Minuten Ticket kostet nun 40 Kronen (1,57 €) anstatt der vorherigen 32 (1,26 €). Der Preiserhöhungen im ÖPNV wurden durch die fehlenden Einnahmen im Zuge der Pandemie nötig. Da die Jahres- und Monatstickets nicht teurer geworden sind, werden die meisten Pendler von der Preiserhöhung nicht betroffen sein. Es weist allerdings auf eine Verkehrspolitik hin, die sich wieder stärker auf das Auto konzentrieren will.

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Die Ticketpreise haben sich im August erhöht. Foto: Tobias Eisch

Die Stadtverwaltung scheint verstärkt auf den Straßenverkehr zu setzen. Aktuell hat diese einen Vorschlag zur Aktualisierung der Parkgebühren vorgelegt. Mit diesen Veränderungen würden die bereits günstigen Kosten für das Langzeitparken auf der Straße weiter sinken. Auch den Anwohnern würde diese Reform eher schaden, da deren Anspruch halbiert werden würde. Doch schon jetzt ist es für die Bewohner schwer, überhaupt einen Parkplatz zu finden, da die Stellplätze sehr billig sind. Da kann sich die Suche nach einem Stellplatz in der Nähe schon etwas hinziehen. Mit 600 Kronen (ca. 23,60 €) ist das jährliche Parken in der Nachbarschaft auch verhältnismäßig billig, vor allem im Vergleich mit dem Preis für eine Jahreskarte des ÖPNV. Diese kostet momentan 3.650 Kronen (ca. 143,50 €). Die Auswirkung solch einer Reform in Verbindung mit der Erhöhung der Fahrkartenpreise kann eine weitere Verstärkung der Luftverschmutzung durch die stärkere Nutzung von Autos sein. Wenn parken billiger ist als mit der Tram zu fahren, ist der Berufsverkehr mit dem Auto weit attraktiver für die Pendler. Die Verwaltung hätte hier auch anders entscheiden und den ÖPNV weiter stärken können.

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Freie Parkplätze sind in Prag schwer zu finden. Foto: Tobias Eisch

Zu teuer für Pendler?

Da der ÖPNV von der Stadt Prag gefördert wird, hätten die Gelder, die nun bei den Parkplätzen verloren gehen, gut für eine Unterstützung des öffentlichen Nahverkehrs genutzt werden können. Denn für die Pendler gibt es weitere Hürden, die einen Umstieg auf das Auto attraktiver machen. Diese könnten mit mehr finanziellen Mitteln abgebaut werden. Doch auch hier deuten sich Schritte der Verbesserung an.

Das Jahresticket für den ÖPNV ist in Prag, verglichen mit Deutschland oder anderen europäischen Metropolen, mit 3.650 Kronen (ca. 143,50 €) sehr billig. Zudem bekommt man darüber Zugang zu einem sehr umfangreichen und gut ausgebauten Verkehrsnetz. Doch obwohl Prag über dieses preiswerte und umfangreiche Nahverkehrs-Angebot verfügt, hat es auch seine Schattenseiten. So haben sich zwar die Preise für die Jahrestickets mit der aktuellen Reform nicht erhöht, für viele sind diese allerdings bereits jetzt zu teuer. Wer in Prag nur den Mindestlohn verdient, müsste fast ein Viertel seines Monatseinkommens für das Ticket aufwenden.

Der aktuelle Mindestlohn liegt mit 15.200 Kronen bei umgerechnet ungefähr 598 Euro. Rund zwei Dutzend Experten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen erstellten für Tschechien das Konzept des würdigen Mindestlohns. In Prag läge dieser auf Grund der hohen Mietpreise und Lebenshaltungskosten bei 37.987 Kronen (1.447 €). Bei einem Mindestlohn, der weit unter der Hälfte davon liegt, ist das Jahresticket also eine große und kaum zu stemmende Investition. In Tschechien gibt es auch keine Pendlerpauschale, die das abfangen könnte. Bezahlbar ist dann nur noch das Monatsticket, auch wenn dieses auf lange Sicht teurer ist als das Jahresticket. Selbst bei einem vergleichsweise günstigen und gut ausgebauten ÖPNV ist so der Weg mit dem Auto leider für viele attraktiver.

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Für viele ist die Fahrt mit dem Auto attraktiver als der ÖPNV. Foto: Tobias Eisch

Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte allerdings das frisch eingeführte Monatsticket für sozial schwache Menschen bieten. Dieses kostet 165 Kronen (6,47 €) im Monat. Ob dieses Abhilfe schaffen wird und den ÖPNV mehr Pragern zugänglich macht, wird die Erfahrung mit der praktischen Umsetzung in den kommenden Monaten zeigen. Somit ist die Nutzung des ÖPNVs für sozial und ökonomisch Schwache eine kostengünstige Alternative zum Auto. Nichtsdestotrotz bleibt auch hier die Frage, ob eine ganzjährige Nutzung des ÖPNVs wirklich teurer als die Jahresgebühr für einen Parkplatz sein muss. Denn es bleibt ein trauriger Fakt, dass die Straßen Prags hoffnungslos überfüllt sind und der Smog ein großes Problem für die tschechische Hauptstadt darstellt.

Das Thema der Mobilität in Prag wird momentan also wieder heiß diskutiert. Wie unersetzlich die Tram für Prag wirklich ist, weiß ich erst, seitdem ich sie täglich nutze. Sie ist weit mehr als eine Attraktion für Touristen, auch wenn ich diese erste Fahrt durch die Altstadt wohl nie vergessen werde.


Tobias Eisch. Foto: Lucia VovkAhoj aus der goldenen Stadt

Mein Name ist Tobias Eisch und ich arbeite aktuell als Praktikant in der Redaktion des LandesEcho. Seit Anfang August bis Ende September schreibe, fotografiere, recherchiere und redigiere ich für das Magazin direkt aus dem Prager Büro. Normalerweise studiere ich in Regensburg den Master Ost-West Studien mit den Schwerpunkten Politikwissenschaft und Slavistik, daher kenne ich Tschechien hauptsächlich aus dem politischen Tagesgeschehen und aus Büchern. Ich bin allerdings auch nicht zum ersten Mal in der goldenen Stadt. Vor einigen Jahren durfte ich Prag im Zuge eines anderen Praktikums erleben und ich bin gespannt, wie sich die Metropole an der Moldau seitdem entwickelt hat. Aber auch das mache ich nicht ganz ohne Bücher, meine Ausgabe von Paul Leppins „Severins Gang in die Finsternis“ habe ich mir speziell für meinen Prag-Aufenthalt aufgehoben, um sie auch direkt in der passenden Umgebung zu lesen. Ich freue mich schon sehr darauf, Prag und Tschechien jetzt noch einmal aus einer ganz neuen Perspektive entdecken zu können und die deutsche Minderheit in Tschechien kennenzulernen.

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