Smážený sýr - Gebackener Käse (auch Smažák genannt) ist ein echter Klassiker der tschechischen Küche. Foto: Detmar Doering
Smážený sýr - Gebackener Käse (auch Smažák genannt) ist ein echter Klassiker der tschechischen Küche. Foto: Detmar Doering

Smažený sýr (Gebratener Käse) – im Volksmund auch kurz Smažák genannt - wird selbst von vielen Tschechen mit der Nahrungskultur der kommunistischen Zeit verbunden. Wirklich gerecht wird man dem landestypischen panierten Käseschnitzel damit aber nicht. Und seine ungeheure Beliebtheit lässt sich sowieso durch kein Gerücht aufhalten.

Es ist sogar überliefert, dass Václav Havel ihn gerne mochte – und der war als mehrfach inhaftierter Dissident, Menschenrechts-Aktivist und erster Präsident nach dem Ende des Kommunismus 1989 gewiss unverdächtig, totalitärem Gedankengut zu folgen. Und es fängt schon mit der definitiv prä-kommunistischen Geschichte an: Die Wurzeln des Gerichts gehen nämlich bis ins Mittelalter zurück und sollen in Italien liegen. Von dort aus breitete sich die Idee, dass man Käse frittieren könne, im Lauf der Zeit fast überall in Europa aus. Der Stolz der tschechischen Kulinarik ist historisch gesehen also gar nicht so richtig tschechisch. Das ist ja nichts Neues, denn was sich überall „Nationalküche“ nennt, ist meist ein spezifisches Sammelsurium vieler (manchmal modifizierter) Gerichte aus fremdländischen Küchen. Die „Nationalküche“ im eigentlichen Sinne gibt es möglicherweise gar nicht. Das macht aber nichts, ebenso wenig wie die Tatsache, dass es für den tschech(oslowak)ischen Smažák erst seit 1953 einen definierten offiziellen Produktstandard gibt.

Was nicht heißt, dass man nicht schon lange vorher den frittierten und panierten Käse im Lande mochte, der heute zu den beliebtesten und meistgegessenen Leckereien Tschechiens gehört und auch irgendwie gut zum leckeren tschechischen Bier passt. Schon in der Ersten Republik sah man ihn vielfach auf den Speisekarten. Da gehörte er wohl eher zur Haute cuisine. So fand man kürzlich eine Speisekarte mit paniertem und frittiertem Käse und Remoulade als Angebot, die 1936 im damaligen Grandhotel Šroubek am Wenzelsplatz, das heute Grandhotel Evropa heißt (wir berichteten hier), dem Gast gegeben wurde. Das war damals das nobelste Hotel in Prag überhaupt, wo nur die Reichen, Schönen und Stars dinierten. Panierter Käse als Edelspeise? Bevor man darüber die Nase rümpft, sollte man beachten, dass gebackener Camembert (wenngleich in besserer Käsequalität und kleineren Portionen) in anderen europäischen Ländern und sogar in Frankreich gerne auch in feineren Restaurants serviert wird. Der heutige tschechische Smažák kann auf eine vornehme Tradition zurückblicken und hat eine ebenso vornehme Verwandtschaft.

Jetzt muss man das – mit allem Respekt und aller Liebe – doch ein wenig relativieren. Der übliche tschechische Smažák von heute ist wohl ein anderer als der im Grandhotel Šroubek von 1936. Er ist vor allem sehr füllend! Das verdankt er der Metamorphose, die er tatsächlich in den Zeiten des Kommunismus durchlief. Da kamen viele Faktoren zusammen. Zum einen wurden in den 1970ern zum ersten Mal Fritteusen auf den Markt gebracht, die den Zubereitungsvorgang beschleunigten. Zudem war Dank der Planwirtschaft gutes Fleisch rar und eher teuer, was die Zubereitung der ebenfalls populären Konkurrenz des panierten Schnitzel nicht vereinfachte. Deshalb wurden als Alternative in den Geschäften (vorpräparierte) Dreierpacks mit paniertem Käse angeboten, die schlappe 8 Kronen kosteten und dadurch zum günstig Schnitzelersatz wurden. Und es gab noch einen ideologischen Hintergrund. Die Politik versuchte gleichermaßen das Modell der häuslichen Familie zu unterminieren (weil das Regime aus ideologischen Gründen die staatliche Erziehung zum „neuen Menschen“ mit korrektem Klassenbewusstsein bevorzugte) und gleichermaßen möglichst viele Frauen ins Arbeitsleben zu integrieren. Dazu musste sichergestellt werden, dass Haushaltstätigkeiten wie Kochen den geringstmöglichen Zeitaufwand erforderten.

Das gelang mit dem Smažák (vor allem wenn schon fertig als Kühlkost vorbereitet) und den Fritteusen spielend. Und auch ein nicht vorgefertigtes Smažák war ja leicht und schnell zuzubereiten. Man braucht für das Rezept dickere Scheiben harten Käses (oft rechteckig, in Restaurants auch dreieckig, auf jeden Fall mit über 40% Fett), wälze sie in der Panade aus Semmelbröseln, Mehl und Ei und frittiere sie in einer Pfanne mit Öl bis sie knusprig braun sind. Dazu gibt es Remoulade und eine Beilage aus Kartoffeln – etwa Püree, Bratkartoffel oder in den meisten Fällen Pommes Frites. Alle damit verbundenen Eigenschaften funktionieren auch im Kapitalismus prächtig. Das liegt daran, dass Smažák nicht nur leicht zuzubereiten ist, sondern auch fast allen Menschen schmeckt.

Insbesondere Kinder lieben das Käseschnitzel. Und Erwachsene ebenso. Das liegt natürlich auch am vielen Fett, das in der Dosis, in der viele Tschechen ihren Smažák zu sich nehmen, geradezu lebensgefärlich ist, wie Ärzte immer wieder beteuern. Aber Fett ist ja ein Geschmacksträger, weshalb es wenig ausmacht, dass die beiden hauptsächlich verwendeten Käsesorten eigentlich eher heimisch hergestellte und daher äußerst geschmacksarme Varianten westeuropäischer Käsearten sind. Meist handelt es sich um Eidam (die tschechische Version des holländischen Edamers) oder um dem französischen Camembert vage nachempfundenen Hermelin (den sieht man oben als Fertigprodukt in der Kühltheke bei Vávra in Vinohrady). Den Eidam bekommt man in Kneipen häufiger serviert, aber der Hermelin hat Vorteile, wenn man Smažák selbst zubereitet. Der Edelschimmelüberzug verzögert ein wenig das Auslaufen des geschmolzenen Käses – eine Dauergefahr beim Selbermachen. Den Eidam-Smažák sollte man daher etwas dicker panieren als den Hermelin-Smažák, um das Auslaufen zu verhindern. Wegen des dicken Panierens wird er übrigens auch manchmal Obalovaný sýr genannt – Eingepackter Käse.

Was diesen tschechischen Käses an Geschmackstärke fehlt (denn nur sehr selten wird die ein klein wenig pikantere Blauschimmel- sorte Niva verwendet), das holen die Käse spielend durch ihre Konsistenz wieder rein. Die ist schon fest und knautschig. Vielleicht konnte man deshalb den Käse als Schnitzelersatz verkaufen. Zudem wird das Spielkind im Manne erweckt, weil man ab einem bestimmten Punkt zähe Fäden ziehen kann. Irgendwie stimmen milder Geschmack, Konsistenz und Spaßfaktor zusammen.

Wo kann man in Prag denn ein gutes Smažák serviert bekommen? Dafür gibt es sogar spezielle Websites mit Tipps, wo man eher exotische Varianten, etwa als Hamburger, finden kann (etwa diese hier). Diese zu erwartende Verfeinerungstendenz ist ein Indikator, dass um dieses Gericht herum noch eine lebendige Genusskultur besteht. Aber ehrlich: Die im wesentlichen gleichbleibende Qualität ist ja das Markenzeichen des klassischen tschechischen Käseschnitzels, bei dessen Zubereitung ja auch wenig schief gehen kann. Und das findet man in fast jeder Biergaststätte, Kantine oder Imbissbude, ja und gar nicht so selten immer noch in luxuriöseren Etablissements und Restaurants. Selbst ein chinesischer Asia-Imbiss in der Slezska bietet die so ganz unasiatische Delikatesse auf seiner Fensterwerbung an, wie man oben sieht. Die zubereiteten Smažák in den Bildern zu diesem Beitrag wurden zum Beispiel in der Gaststätte Potrefená husa Na Verandách aufgenommen und verzehrt, die Teil der Brauerei Staropramen in Prag-Smíchov ist. Die Antwort lautet also: Eigentlich bekommt man fast überall in der Stadt (und auf dem Lande und auch in der benachbarten Slowakei) an ein leckeres Smažák. Dobrou chuť!


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