Im Restaurant “Výtopna” bringt nicht ein Kellner, sondern ein Zug das Essen zum Gast. Ob sich ein Besuch lohnt, verrät unsere Landesbloggerin Lena.
Aufmerksame Leserinnen und Leser des LandesEcho haben sicherlich schon bemerkt, dass ich mir neben den traditionellen tschechischen Restaurants und Erlebnissen auch gerne anschaue, was Prag sonst noch zu bieten hat und ob sich teure Preise oder lange Wartezeiten lohnen. Dieses Mal verschlug es mich in das Restaurant Výtopna (dt. Heizwerk) am Prager Wenzelsplatz (Václavské náměstí). Seit März 2022 hat das Restaurant geöffnet und ist das einzige seiner Art in der gesamten Tschechischen Republik. Jedoch konnte ich nicht einfach nach Feierabend zum Wenzelsplatz spazieren, denn um einen Tisch in dem begehrten Restaurant zu bekommen, sollte man zwischen drei und fünf Tagen vorher reservieren oder sich auf stundenlange Wartezeiten gefasst machen.
Ich reservierte also einen Tisch für zwei Personen für das kommende Wochenende. Im Restaurant angekommen fiel mir sofort der Aufbau des Raumes ins Auge. Statt an einzelnen Tischen sitzen die hungrigen Besucher an langen Tafeln, die alle miteinander verbunden sind. Eine Tafel zieht sich durch den gesamten Innenraum des Restaurants, eine weitere führt an den Fenstern entlang mit Blick auf den Trubel auf dem Wenzelsplatz.
Zug um Zug zum vollen Bauch
Die langen Tafeln dienen nicht nur der Geselligkeit, sondern sind essentiell für das Funktionieren des Gesamtkonzepts des Restaurants. Denn statt Kellnerinnen und Kellnern bringen Modellzüge auf Schienen das bestellte Essen und die Getränke an den richtigen Tisch. Die Eisenbahnwelt der Výtopna ist mit über 900 Metern Gleisen und fünf Zugbrücken ausgestattet, die ohne Verspätung direkt am Sitzplatz halten.
Ganz ohne Personal kommt das Restaurant jedoch nicht aus. Bestellt haben wir wie gewohnt beim Kellner, auch für Nachfragen zum Essen oder Empfehlungen zu Getränken kann das Personal jederzeit befragt werden. Wir bestellten also beide einen Burger mit Pommes und teilten uns den “Bierzug” (pivní vlak), dieser brachte uns vier verschiedene Sorten Bier zum Testen.
Die Wartezeit betrug etwa zehn Minuten für die Getränke und 30 für das Essen. Wir waren jedoch die ganze Zeit gut unterhalten und beobachteten die vorbeifahrenden Züge, die Essen und Getränke über die Tische transportierten. Einige der Züge hatten sogar Namen, so konnten wir mehrmals beobachten, wie die Züge Tomáš oder Eliška an uns vorbei zu ihren Tischnummern fuhren.
Gegessen wird am Gleisbett
Auch bei uns war es dann soweit, ein Zug mit zwei Waggons wurde aus der Küche losgeschickt und fuhr problemlos und selbstverständlich ohne Zwischenhalt zur Nummer A33. Dort blieb er kurz stehen und blinkte mehrfach, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wir nahmen also unser Essen vom Waggon, dieses war sicher in Behältern mit Deckel verpackt. Danach fuhr der Zug schnell weiter, denn obwohl der Tisch vier Gleise aufzuweisen hatte, eins für jede Seite des Tisches und eins in der Mitte, um weiterfahrende Züge schnell durchzulassen, bildete sich schnell Stau und natürlich wollten auch die Leute weiter hinten an der Tafel schnell an ihr Essen und Getränke gelangen.
Die Auswahl auf der Speisekarte erinnert an ein Steakhouse. Es gibt Burger, Pommes, Tatar und verschiedene Fleischgerichte, worüber die Tageskarte näher informiert. Für Vegetarier oder Veganer ist das Restaurant also nicht zu empfehlen, obwohl es einen Portobello-Burger gibt, der auch ohne Käse bestellt werden kann. Nach eigenen Angaben unterstützt das Restaurant heimische Landwirte und setzt auf Bio-Qualität. Zudem können die Kunden das Fleisch nach Reifungszeitpunkt und Rinderrasse auswählen. Bei so viel Mühe zum Detail fällt der Preis im Vergleich zu anderen Restaurants in Prag eher hoch aus, jedoch auch nicht unweigerlich höher als in anderen Restaurants am Wenzelsplatz.
Unfälle passieren
Bevor wir das Restaurant wieder verließen, waren wir noch kurz damit beschäftigt, unsere leeren Biergläser im richtigen Moment auf einen vorbeikommenden Zug zu stellen, der diese wieder in die Küche transportiert. Die Teller wurden jedoch von menschlichen Kellnern abgeräumt. Diese waren trotz der Unterstützung auf Rädern gut beschäftigt, denn nicht alle Gäste verstanden, ob das Essen auf dem vorbeikommenden Zug für sie bestimmt war oder ob sich der Zug nur auf Durchreise zu einer anderen Nummer befand. So mussten die Kellner einige Male Essen tauschen oder nochmal neu herrichten lassen.
Außerdem verursachte ein unaufmerksamer Gast einen Zugunfall, indem er sein benutztes Besteck statt auf seinen Teller auf den Schienen platzierte, sodass der nächste vorbeikommende Zug vom Gleisbett abkam und zwischen Gleisen und Fensterbrett feststeckte.
Unser Essen sowie unsere Getränke blieben glücklicherweise unversehrt und so verließen wir satt und gut unterhalten nach etwa 90 Minuten das Restaurant. Als ich aus der Tür trat, wurde mir noch einmal bewusst, wie wenig Tschechisch ich während des Aufenthalts gehört habe. Wer also ein authentisches tschechisches Restaurant sucht, ist bei Výtopna an der falschen Adresse. Für ein ungewöhnliches Essen in ausgelassener Atmosphäre ist es jedoch einen Besuch Wert.