Binnen einer Woche müssen zwei Minister auf Verlangen von Präsident Zeman gehen. Ein potentieller Nachfolger verweigerte sich.
Lubomír Zaorálek ist unter den tschechischen Politikern alles andere als ein heuriger Hase. Der derzeitige Prager Kulturminister gehört seit vielen Jahren zu den prominentesten Sozialdemokraten. Von 2002 bis 2006 war er Präsident des Abgeordnetenhauses, von 2010 bis 2013 Vizepräsident des Parlaments, von 2014 bis 2017 diente er als Außenminister.
Letzterer Posten wurde ihm nun erneut angeboten. Zaorálek soll Nachfolger des gerade aus dem Amt geworfenen Chefdiplomaten Tomáš Petříček werden. Dass sein Name wie kein zweiter im Zusammenhang mit dem Außenministerium genannt wurde, kann angesichts seiner Erfahrung auf diplomatischem Parkett nicht verwundern. Vor allem unter den Sozialdemokraten (ČSSD) ist er da allen anderen weit voraus.
Und es sind eben diese Sozialdemokraten, die als Juniorpartner in der Regierung von Premier Andrej Babiš das Außenamt für sich beanspruchen können. Der Vorschlag Zaorálek kam denn auch folgerichtig von ČSSD-Chef Jan Hamáček. Doch Zaorálek ziert sich, ist unter den jetzigen Umständen nicht bereit, vom Kultur- ins Außenministerium zu wechseln (inzwischen ist bekannt, dass Zaorálek Kulturminister bleiben wird, Anm. d. Red.).
Beziehungen zur EU und Russland dirigiert der Premier
Die „derzeitigen Umstände“ sind die, dass der Außenminister von allen wichtigen Entscheidungen abgekoppelt wurde. Alle Fragen, die mit der EU zusammenhängen – bis hin zum Impfstoff – hat Premier Babiš an sich gezogen.
Und – für Zaorálek noch schlimmer – die Politik gegenüber Russland wird in Prag auf der Burg, dem Amtssitz des Präsidenten, entschieden. Staatschef Miloš Zeman, dem ein möglichst enges Verhältnis zu Wladimir Putin am Herzen liegt, hat seinen außenpolitischen Chefberater Rudolf Jindrák auch zum „Russland-Beauftragten“ ernannt. Jindrák, der viele Jahre tschechischer Botschafter in Deutschland war, hat somit sehr viel mehr Macht in Russland-Angelegenheiten als der eigentlich dafür zuständige Außenminister.
Der bisherige Prager Chefdiplomat Petříček hat das nicht akzeptieren wollen. Er protestierte wiederholt offen etwa gegen die von Zeman gewünschte Beteiligung Russlands am weiteren Ausbau des tschechischen Atomkraftwerkes Dukovany – im Einklang übrigens mit dem Chef des Prager Geheimdienstes. Und Petříček gehörte auch zu den Gegnern einer Verimpfung des russischen Vakzins Sputnik V ohne vorherige Zulassung der EU.
Diese ständigen Widerworte passten Präsident Zeman nicht in den Kram. Und so forderte er schon vor längerer Zeit von Premier Babiš, den Außenminister abzusetzen. Wegen Sputnik V hatte kurz vor Petříček auch schon Gesundheitsminister Jan Blatný seinen Job verloren. Auch auf Drängen Zemans.
Präsident Zeman setzt Premier Babiš unter Druck
Premier Babiš folgte diesem Drängen, weil er Zeman braucht. Der entscheidet nach den Parlamentswahlen im Oktober, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Und Zeman hat deutlich gemacht, dass er Babiš nur dann erneut zum Premier zu machen bereit ist, wenn der ihm bei seinen Personalforderungen entgegenkommt.
Die bürgerliche Opposition und die nicht zum Babiš-Konzern gehörenden Medien in Tschechien sehen den offensichtlichen Machtzuwachs des Präsidenten mit großem Argwohn. Zeman reiße immer mehr Dinge an sich, die seinem Amt nicht zukämen, sagen die Kritiker.
Präsident Zeman hat „großen Drang zur Macht“
Der Chefkommentator der Hospodářské noviny beispielsweise attestierte dem Präsidenten am Dienstag in einem langen Leitartikel die größte Machtbesessenheit aller tschechischen Politiker: „Zeman versteht das Geschäft, versteht Angst und Schrecken zu erzeugen, ist zu allem fähig, ist rachsüchtig und hat einen großen Drang zur Macht.“
Zwar stehe in der Verfassung, dass der Präsident einen Minister „auf Vorschlag des Premiers“ abberuft. Aber de facto entledigten sich der Premier und Vizepremier Hamáček ihrer Minister auf Befehl des Präsidenten. Mit seinem Streben nach einem „kryptopräsidialen System“ wirke Zeman „toxisch und macht die Qualität der Demokratie in Tschechien zunichte.“
Wie weit Zemans Einfluss mittlerweile reicht, wird man genauer nach einem Gespräch zwischen Babiš und Zaorálek sehen. Letzterer verlangte am Dienstag nichts weniger, als dass der Premier dem Präsidenten in der Frage der außenpolitischen Kompetenzen endlich die Stirn bietet.