Simon Römer lebt seit mehr als zehn Jahren in Tschechien. Um die von Russland angegriffene Ukraine zu unterstützen, sammelt er am kommenden Samstag unter dem Motto „Bier gegen Putin“ Spenden bei einem Straßenfest in Kuttenberg (Kutná Hora). LandesEcho hat mit dem gebürtigen Erzgebirgler gesprochen.

LE: Herr Römer, bereits letztes Jahr haben Sie bei einem Straßenfest in Kutná Hora (Kuttenberg) unter dem Motto „Bratwürste gegen Putin“ Spenden für die ukrainische Territorialverteidigung gesammelt. Wie kamen Sie auf die Idee?

Ich habe eine Freundin in Kiew namens Alina und als letztes Jahr der Krieg begann, habe ich gesagt, dass sie sich melden sollen, wenn sie etwas brauchen. Als sie mir schrieb, dass ihr Schwager Dima zur Territorialverteidigung geht und Schutzausrüstung braucht, habe ich gesagt, dass ich helfe. Erst dachte ich, dass wir die Ausrüstung hier kaufen und ihr schicken, aber sie sagte, dass sie auch in der Ukraine alles bekämen und vor allem Geld bräuchten. Also haben wir bei Freunden und Familie Geld gesammelt, sodass sich Dima einen Helm und eine ballistische Weste kaufen konnte. Zu der Zeit war die Territorialverteidigung technisch noch nicht gut aufgestellt. Als nächstes haben wir 3000 Euro gesammelt und davon in Deutschland einen gebrauchten Geländewagen für Dimas Brigade gekauft, den ich anschließend auch in die Ukraine gefahren habe. Dann stand das Straßenfest an, das meine Frau Lucie hier in Kutná Hora mitorgansiert, und ich dachte, dass das nochmal eine gute Gelegenheit wäre, um Spenden zu sammeln. Also habe ich mir überlegt, wie man das vielleicht auf eine witzige Art und Weise machen könnte und dann hatte ich die Idee, Bratwürste zu verkaufen. Also haben wir 300 Thüringer Bratwürste besorgt und die dann beim Stadtfest verkauft. Das Geld – fast 2000 Euro – ging wieder an die Brigade von Dima. Damals stand der Winter vor der Tür und sie konnten sich Thermounterwäsche und solche Dinge, was gerade gebraucht wurde, besorgen.

Über den Gesprächspartner: Simon Römer lebt seit mehr als 10 Jahren in Tschechien. Er war fünf Jahre lang ifa-Kulturmanager bei der Landesversammlung der deutschen Vereine in Prag. Heute arbeitet er remote als Projektmitarbeiter für eine Firma in Chemnitz. Seine Frau und er haben in den letzten Jahren ein altes Bauernhaus bei Kutná Hora saniert, wo sie mit ihren zwei Söhnen wohnen.

LE: Auch am kommenden Wochenende sammeln Sie wieder Geld für die Ukraine. Was ist diesmal geplant?

Man muss dazu noch sagen, dass wir letztes Jahr nur positiven Zuspruch hatten. Es gab nur einen einzigen Spinner, der uns die Welt, oder besser gesagt seine Welt, erklären wollte. Also haben wir – mein Schwager und ein Kumpel waren noch dabei – gesagt, dass wir das Ganze nächstes Jahr wiederholen wollen, aber diesmal mit Bier. Unsere Freundin Judith hat uns geholfen, Bier zu organisieren und so haben wir jetzt Bier von fünf kleinen, tschechischen Brauereien gespendet bekommen, das wir am Wochenende ausschenken werden: Genius Noci, Malešov, Clock, Raven und Faltus. 150 Liter Fassbier und auch Flaschenbier, was die Leute mit nach Hause nehmen können.

Judith Krulišová, Martin Horáček und Simon Römer (v.l.n.r.) hinter ihrer selbstgebauten Bar, wo sie am Samstag – im Rahmen des Straßenfestivals „Zažít město jinak“ – Spenden für die Ukraine sammeln wollen. Foto: Jonáš Römer

LE: Und was passiert in diesem Jahr mit dem gesammelten Geld?

Letztes Jahr haben wir vor allem Geld für´s Militär gesammelt. Das haben wir allen offen gesagt und das war dann auch kein Problem. Ich kann aber verstehen, dass nicht jeder damit einverstanden ist oder sich mit dem Gedanken anfreunden kann, Geld für das Militär zu geben. Deshalb kann man in diesem Jahr auswählen, ob die Spenden ans Militär gehen oder ob man für humanitäre Zwecke spenden möchte.

Hauptsächlich organisiere ich das jetzt mit Judith, die schon seit Kriegsbeginn sehr aktiv in der Ukraine-Hilfe ist. Sie hat inzwischen schon mit vielen Aktionen Spenden gesammelt. Am Anfang ging es noch ziemlich einfach, Geld zu sammeln, aber irgendwann gibt es einen Punkt, wo du kreativer werden musst, deshalb ist auch die Bratwurst-Aktion entstanden.

„Am Anfang des Krieges ging es noch ziemlich einfach, Geld für die Ukraine zu sammeln, aber irgendwann gibt es einen Punkt, wo du kreativer werden musst, deshalb ist auch die Bratwurst-Aktion entstanden.“

LE: Vor allem in Ostdeutschland sind viele Menschen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Viele meinen, damit würde man den Konflikt nur anheizen. Manche stellen sich sogar offen auf Putins Seite. Wie sind die Reaktionen, wenn Sie nach Hause ins Erzgebirge fahren und den Leuten dort von Ihrer Aktion erzählen?

Die Aktion, die wir jetzt machen, wäre im Erzgebirge wahrscheinlich gar nicht möglich. Dann wirst du beschimpft als linksgrüner Kriegstreiber und die ostdeutschen „Osteuropa-Experten“ versuchen einem dann, die Welt zu erklären. Dass zum Beispiel die Amerikaner den Krieg angezettelt hätten und so weiter. Darauf hätte ich keine Lust, aber wahrscheinlich würde ich die Aktion trotzdem organisieren, wenn ich noch dort wohnen würde.

In Dimas Brigade sind vor allem Familienväter, teils in meinem Alter. Ohne Ausrüstung, ohne militärische Grundausbildung. Die würden jetzt sicher auch viel lieber mit ihren Kindern ins Freibad gehen anstatt an einem blöden Krieg teilzunehmen. Die meisten Diskussionen hatte ich dabei immer mit deutschen Freunden. Aber natürlich gibt es auch super Leute im Erzgebirge, die immer wieder Geld spenden und unsere Aktionen unterstützen. Das meiste Geld kommt von meinen Freunden aus der Heimat.

LE: Was denken Sie, warum die Tschechen hier ganz anders ticken?

Ich denke wegen 1968 [der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts; Anm. d. Red.]. Die Tschechen haben deshalb schon länger Vorbehalte gegenüber Russland. Ich hatte das eigentlich gar nicht, das kam erst jetzt mit dem Krieg. Ich denke, es liegt auch an der Erfahrung von 1968, dass die Tschechen am Anfang so solidarisch eingestellt waren, aber das ändert sich jetzt auch langsam, also bin ich gespannt, wie dieses Jahr die Stimmung bei dem Straßenfest sein wird. Unter anderem werden in den sozialen Medien aktuell viele Roma gegen die ukrainischen Geflüchteten aufgebracht und damit eine Minderheit gegen die andere ausgespielt.

LE: Kamen im letzten Jahr auch Ukrainer zu dem Straßenfest?

Ja, das war eigentlich sogar das Schönste an der Aktion. Die Organisatorinnen des Straßenfests haben neben unseren Bratwurststand noch eine Gruppe ukrainischer Frauen eingeladen, die dort Selbstgebackenes verkauft haben. Die sind permanent zu uns gekommen und haben Bratwürste gekauft. Wir wollten von ihnen eigentlich kein Geld nehmen, aber sie haben darauf bestanden und gesagt, dass es für ihre Jungs sei. Die bräuchten das.

LE: Sind Sie mit Dima auch noch im Kontakt?

Soweit ich weiß, geht es ihm gut, so genau kann man das aber nie sagen. Ich weiß, dass er auch in Bachmut gekämpft hat.

LE: Zurück zum Straßenfest am kommenden Wochenende in Kutná Hora. Wo genau kann man Ihren Stand finden?

In der Straße Vladislavova von 9.30 bis 18.00 Uhr. Wir verkaufen das Bier in einem Zelt von einem lokalen Weinhändler. Übrigens gibt es gegen eine Spende auch Bierdeckel und Aufkleber.

Das Gespräch führte Manuel Rommel


Wenn Sie die Aktion unterstützen wollen, schreiben Sie eine E-Mail an pivoprotiputinovi@gmail.com

Mehr über das Straßenfest „Zažít město jinak“, das in Kuttenberg von der Organisation Kutnopolis organisiert wird, erfahren Sie hier: https://www.kutnahora.cz/calendar/zazit-mesto-jinak-2022 oder auf Facebook.

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.