Während in Deutschland von Preissenkungen bei Lebensmitteln die Rede ist, tut sich in Tschechien nur wenig. Und das, obwohl es häufig dieselben deutsche Ketten sind, die den Markt in Tschechien beherrschen. In der Slowakei denkt man sogar an eine staatliche Alternative.
Irre: das Pilsner Urquell ist heute im Angebot. Umgerechnet ein Euro für die gängige Halbliterflasche. Das hat es ewig nicht gegeben in meinem Prager Supermarkt der deutschen Kaufland-Kette. Zuletzt war der Preis dafür auf umgerechnet fast 1,40 Euro geklettert.
So erfreulich begann mein Wochenendeinkauf an diesem Freitag. Doch von einer generellen Preissenkung konnte an dessen Ende keine Rede sein. Im Gegenteil: Kostete vor einem Jahr ein größerer Wochenendeinkauf maximal umgerechnet 130 Euro, so hatte ich diesmal 175 Euro für etwa die gleichen Dinge zu bezahlen. Während ich das als vergleichsweise Besserverdienender in Tschechien schlucken kann, fällt das den meisten der Einheimischen deutlich schwerer.
Neben Lebensmitteln vor allem Drogerieartikel teuer
Sie sparen vor allem bei Obst und Gemüse. Paprikaschoten für mehr als vier Euro pro Kilo bleiben von ihnen ebenso unbeachtet wie Bio-Tomaten oder Bio-Nektarinen, obwohl die ebenfalls im Angebot waren. Die meisten verzichteten auch auf die eigentlich von allen geliebten Aprikosen; das Kilo kostete deutlich mehr als zwei Euro. Frühkartoffeln wurden für 1,30 pro Kilo abgegeben.
Dramatisch hoch nach wie vor die Preise für Drogerieartikel wie Zahnpasta, Haarwäsche oder Toilettenpapier. Im Preis neuerlich zugelegt seit einer kürzlichen werbewirksamen Aktionspreisgeschichte einer anderen deutschen Kette mit dem tschechischen Landwirtschaftsminister hat das Mehl. Bei Butter muss man Glück haben. Einen Tag ist das Stück für 1,30 Euro zu haben, dann wieder kostet es mehr als das Doppelte. Äußerst schwankend auch die Eierpreise. Sie liegen pro Stück zwischen 13 und 25 Cent. Da hilft es, das Kleingedruckte zu lesen, was aber vor allem vielen älteren Leuten schwerfällt.
Wer raucht, ist selbst schuld. Hier langt der Staat mit der Tabaksteuer jedes Jahr neu zu. Ich zahle für meine Sorte umgerechnet jetzt 6,50 Euro pro Schachtel. Fleisch und vor allem Fisch zu kaufen, will gut überlegt sein. Bei Fleisch gibt es große Unterschiede zwischen verpackter Ware und der am speziellen Verkaufspult, wo man allerdings längere Schlangen erdulden muss. Fisch essen die meisten Tschechen eh deutlich weniger als die Deutschen. Der fällt somit kaum ins Gewicht.
Einkaufen in Tschechien lohnt sich für Deutsche aktuell nicht
Kein Wunder, dass bei all dem die vor allem im Norden des Landes lebenden Tschechen seit Monaten massenhaft zum Einkauf nach Polen fahren, um wegen der Null-Mehrwertsteuer auf Lebensmittel dort Schnäppchen zu machen. Nach Deutschland kommen derzeit vor allem qualitätsbewusste Tschechen, die zudem die deutlich größere Auswahl dort loben. Der Zustrom wird sich erhöhen, wenn Preissenkungen im großen Nachbarland sich verstätigen sollten. Umgekehrt lohnt sich der Einkauf in Tschechien für Deutsche derzeit nicht. Wenn man vom günstigen Tanken absieht. Die Dieselpreise haben aber jüngst auch wieder deutlich angezogen.
Da es bereits Protestdemonstrationen wegen der Preise gab, hat der Staat kürzlich reagiert und eine großangelegte Kontrolle vorgenommen. Das Ergebnis war jedoch eindeutig: Eine unlautere Preisabsprache der großen – meist ausländischen und dabei vor allem deutschen Ketten – konnte nicht nachgewiesen werden.
Die deutschen Handelsketten verlieren dennoch an Ansehen, weil in den Medien darauf verwiesen wird, dass sie in Deutschland viele Lebensmittel billiger verkaufen als in Tschechien. Zudem muss man die Tschechen nicht daran erinnern, dass sie im Durchschnitt immer noch deutlich weniger verdienen als die „reichen deutschen Nachbarn“. Schon die längst normalen gleichen Preise wie in Deutschland vor dem Ukraine-Krieg schlugen damit vergleichsweise größere Lücken ins tschechische Familienbudget.
Staatliche Lebensmittelketten als Lösung?
Noch härter trifft es derzeit die Slowaken. Hier wuchsen die Lebensmittelpreise nach Beginn der russischen Invasion der Ukraine nach EU-Angaben um 63 Prozent. In Tschechien lag die Zahl bei 54, in Deutschland bei 46 und in Österreich bei 33 Prozent. Der Grund: Es gibt zu wenig Konkurrenz der Handelsketten in der Slowakei und die erlauben sich höhere Margen als anderswo.
Nach einem Bericht der Zeitung Pravda vom Freitag hat der frühere slowakische Sozialminister Milan Krajniak vorgeschlagen, eine staatliche Lebensmittelkette zu gründen. Sie könnte den Wettbewerb vergrößern und dazu beitragen, dass die Preise durch die Margen „unchristlicher“ Händler nicht künstlich erhöht würden. „Doch“, so das Blatt, „das gesamte Netzwerk aufzubauen, vom Landwirt über den Lebensmittelproduzenten bis hin zum Händler und den einzelnen Verkaufsstellen, ist keineswegs einfach. Wer würde das tun? Und wäre eine solche staatliche Kette in der Lage, ein ausreichend vielfältiges Angebot und nicht nur günstige Preise anzubieten?“
Der derzeitige Landwirtschaftsminister Jozef Bíreš schlägt die Einführung von Gutscheinen vor, mit denen ausgewählte Lebensmittel gekauft werden könnten. Sie wären für Menschen gedacht, die von Armut bedroht sind. Davon gibt es in der Slowakei deutlich mehr als in Tschechien. Tröstlich ist das für die Tschechen dennoch nicht. Zumal die sich lieber mit Deutschland als mit der Slowakei vergleichen.