Im Schönhengster Land vermutet man überall dort, wo ehemals Burgen auf den Bergen standen, in den verschütteten Kellerräumlichkeiten verborgene Schätze. In den Tagen der Karwoche öffnet sich die Erde und nur wenigen ist es dann vergönnt, diese Schätze zu heben.
Der Schatz im Goldberg
Der Goldberg ist ein sagenumwobener Berg, gelegen zwischen Knappendorf (Knapovec) und Hertersdorf (Horní Houžovec) nicht weit von Wildenschwert (Ústí nad Orlicí). Knappendorf gehörte seit 1349 zu den ältesten Kirchdörfern der Gegend.
Auf dem Gipfel des Golbergs befindet sich der Eingang zu einer geheimnisvollen Höhle. Nur am Palmsonntag, wenn in der Knappendorfer Kirche die Passion gelesen wird, steht sie offen. Wer da die Höhle betritt, gelangt nach einigen Schritten zu zwei feurigen Ziegenböcken, die die hier verborgenen Schätze bewachen. Diese Böcke stoßen fortwährend mit den Hörnern zusammen, so dass es fast unmöglich ist, zwischen ihnen hindurch zu gehen. Nur wer einen geweihten Gegenstand bei sich trägt, dem gelingt es ohne Schaden. Gleich steht er in einer hell erleuchteten, großen Höhle, die mit Goldschätzen gefüllt ist. Von diesen Schätzen kann man nehmen, so viel man will, darf sich aber nicht von Habsucht und Geiz verleiten lassen, zu lang in der Höhle zu verweilen. Denn sobald die Passion in Knappendorf vorüber ist, schließt sich der Eingang wieder für ein ganzes Jahr. Dann gibt es kein Zurück. Daher sollte man auch nur so viel nehmen, wie man tragen kann, ohne am Gehen gehindert zu werden. Außerdem darf man während des Hinein- und Hinausgehens kein Wort sprechen und sich nicht umsehen. Wer das alles befolgt, kommt mit den Schätzen glücklich heraus.
Einst nutzte eine arme Witwe an einem Palmsonntag die Gelegenheit, um zu den Schätzen in der Höhle zu gelangen. Mit ihrem kleinen Kind im Arm fand sie die Höhle und deren offenen Eingang. Und weil die Frau ihren geweihten Rosenkranz mitgenommen hatte, kam sie ohne Schaden zwischen den Ziegenböcken hindurch bis in die Schatzkammer. Damit sie aber mehr Gold in die Schürze raffen konnte, setzte sie ihr Kind auf eine Truhe, trug das Gold hinaus ins Freie und legte es mitsamt der Schürze auf die Erde. Dann wollte sie auch gleich ihr Kind holen, das sie schreien hörte. Aber im selben Augenblick schloss sich zum Entsetzen des armen Weibes der Eingang und ließ sich nicht mehr öffnen. Traurig wanderte die Witwe ihrer Wohnung zu, betrauerte ihr Kind und machte nach dem Rat frommer Leute mit dem Geld fromme Stiftungen.
Im nächsten Jahr aber ging sie am Palmsonntag wieder zum Eingang der Höhle, die wieder offenstand und fand ihr Kind frisch und gesund auf der Truhe sitzen und mit dem Gold spielen. Rasch ergriff sie ihren Liebling und trug ihn voller Freude hinaus ins Freie. Von nun an lebte sie zwar wieder in Armut, jedoch zufrieden und mit ihrem Kind und wünschte sich keine Schätze mehr.
Der Schatz im Purzhübl
So ähnlich geschieht es immer wieder im Richterwald östlich von Landskron (Lanškroun), wo sich eine Höhle mit einem schmalen Eingang an der bewaldeten Anhöhe des Purzhübl befindet. In ihrem Inneren sollen unermessliche Schätze ruhen. Alljährlich am Palmsonntag, wenn der Priester am Altar die Passion betet, verbreitert sich der Zugang, so dass man ohne Mühe die unterirdische Halle betreten kann, um nach Schätzen zu suchen. Doch sobald der Priester das letzte Amen spricht, schließen sich die inneren Pforten. Wer es versäumt, den Raum zur rechten Zeit zu verlassen, muss darin so lange warten, bis der nächste Palmsonntag wiederkehrt.
Der kostbarste Schatz
Am Südostrand des Schönhengstgaus liegt die kleine Sprachinsel Deutsch Brodek. Die Siedlungsgeschichte des Gebietes bei Konitz (Konice) beginnt 1078 durch das Kloster Hradisch bei Olmütz (Hradisko u Olomouce) und wird um 1350 von Runarz (Runaře) berichtet. Deutsch Brodek (Brodek u Konice) war der Hauptort der kleinen Sprachinsel. Und auch hier wurde von einem kostbaren Schatz in der Vergangenheit erzählt.
Während der Priester am Palmsonntag die Passion liest, stehen alle Schätze der Erde offen. Zu jener Stunde ging einmal eine Mutter mit ihrem kleinen Kind am Arm von Hausbrunn (Úsobrno) nach Wachtl (Skřípov). Im Hellgraben sah sie sich unvermittelt vor einem offenen Felsen und darin gleißte, geheimnisvoll lockend, Gold und Silber in mächtigen Haufen. Rasch entschlossen trat sie ein, setzte das Kind auf den Boden und raffte sich die Schürze voller Schätze. Schnell rannte sie hinaus, sie auszuleeren, um sie nochmals zu füllen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, denn kaum hatte sie die Höhle verlassen, schlug der Fels zusammen. Wilde Verzweiflung packte sie, aber alles Weinen, Klagen und Pochen nütze nichts. Der Felsen blieb zu und ihr Kind drin. Traurig ging sie heim. Das Geld verschenkte sie an Arme.
Eine einzige Hoffnung hielt sie aufrecht, die Hoffnung auf den nächsten Palmsonntag. Endlich war er da. Sie eilte zur Stelle. Der Fels war geöffnet und wieder gleißte es darin. Doch sie hatte keinen Blick dafür. Die Augen suchten nur ihr Kind. O Freude! Es saß auf dem gleichen Platz, gesund und rund und lächelte und streckte die Arme der Mutter entgegen. Mit einem Jubelruf riss sie es an sich und rannte hinaus. Was galten ihr alle Schätze der Welt, da sie ihr Kind nun wiederhatte?
Ja, zur Osterzeit müssen wir sehr vorsichtig sein. Am Palmsonntag und besonders am Karfreitag soll man öfter in unserer Region zur Nachtzeit einzelne bläuliche Flammen oder kleine, meist bläuliche Feuer auf der Erde sehen. Dort, wo man sie sieht, liegt nach dem Volksglauben ein Schatz vergraben. Ob noch heute in den Bergen die Schätze zu finden sind? Wer weiß?