Es war einmal eine Zeit, da an langen Winterabenden in vielen Dörfern des Schönhengster Landes (Hřebečsko) Federn geschlissen wurden. Dazu kamen Frauen und junge Mädchen in verschiedenen Häusern zusammen, um günstige Federbetten für ihre Aussteuer zu beschaffen. In den Arbeitspausen gab es Kaffee und Krapfen, während der Arbeit der Mädchen am Federnschleißen erzählte man sich Geschichten. Es wurde viel gelacht und gesungen.
Wenn man von Mährisch Trübau (Moravská Třebová) über Altstadt (Staré Město) nach Reichenau (Rychnov na Moravě) fährt, liegt auf der rechten Seite der Straße hinter den Feldern, östlich von der Gemeinde Reichenau der Reichenauer Berg. Der 541 Meter hohe Gipfel wird weitgehend von dichtem Wald umrahmt. Der Berg ist heute ein Naturschutzgebiet mit einer Fläche von 341 Hektar.
Seit jeher kursieren rund um den Berg Legenden und Sagen, die schon im 19. Jahrhundert viele Forscher anzogen. Unter anderem reisten der deutsche Mineraloge Glockner, die österreichischen Geologen Tschermak und Tietze und später auch der tschechische Forscher Skořepa in die Region, um die geheimnisvolle Erhebung zu erkunden. Die zauberhaften Geschichten überdauerten aber auch diese naturwissenschaftlichen Forschungen und werden bis heute erzählt und gelesen. Zum Beispiel diese:
Das versunkene Schloss
Einst stand auf dem Seekamm, dort wo sich in alten Zeiten ein See ausbreitete, ein stattliches Schloss, umgeben von einem breiten Graben. Das Schloss und viele umliegende Güter gehörten einer Jungfrau, die einen gottlosen und schändlichen Lebenswandel führte, arge Zauberei trieb und Menschen und Vieh in der Umgebung großen Schaden zufügte.
Wie der Herr, so der Knecht: Dienerschaft und Hausgenossen der Jungfrau standen ihrer Herrin an Verworfenheit nichts nach, so dass man den Langmut Gottes bewundern musste, der so lange seinen strafenden Arm ruhen ließ.
Doch irgendwann ging der Pakt, den sie mit dem Fürsten der Hölle geschlossen haben musste, noch ehe sie sich bekehren konnte, wohl doch seinem jähen Ende entgegen. Das schreckliche Strafgericht ließ nicht auf sich warten.
Um Mitternacht am Jakobstag erschien der Böse: Die Jungfrau fühlte den Boden unter sich wanken, dumpf dröhnte unterirdischer Donner herauf und wolkenbruchartig prasselte ein entsetzliches Unwetter nieder. Unter fahlem Leuchten der Blitze versanken die Zinnen des Schlosses, zischende Wasserwogen schlugen donnernd darüber zusammen, während der Luzifer mit dem in Stücke zerrissenen Leibe der Jungfrau zur Hölle fuhr. An jenem Tage, da das Schloss versank, wollen Anwohner finstere Türme über der Fläche des Sees gesehen haben, die nach dem ersten Hahnenschrei wieder versanken.
Heute umgibt den Wanderer eine feierliche Stille, wenn er die Seewiesen erreicht. Nur selten unterbricht der Ruf eines Vogels diese andächtige Ruhe. Bei dem geheimnisvollen Rauschen der Wipfel scheinen sich die Bäume heimlich noch immer Märchen und Sagen ins Ohr zu flüstern.
Reise ins sagenhafte Reichenau
Die Gemeinde Mährisch Reichenau:
Sie hat heute 633 Einwohner und gehört zum Kreis Pardubitz (Pardubice). Außer dem Reichenauer Berg schmückt sie sich mit folgenden Sehenswürdigkeiten: der Barockkirche Hl. Mikuláš, der Marienquelle im Wald, dem historischen Reichenauer Pfarrhaus, einer umfangreichen religiösen Skulpturensammlung sowie dem Wald-Bike-Park „RyLes“. Im Ort gibt es außerdem eine schlichte Herberge, eine Post und eine Kneipe.