Wie in kaum einer anderen tschechischen Stadt ist das deutschsprachige Erbe in Troppau bis heute sichtbar. Ein Stadtspaziergang mit einem besonderen Zeitzeugen.
Troppau vor 1945 – eine Kleinstadt mit 45 000 Einwohnern. Opava 2019 – eine Kleinstadt mit 60 000 Einwohnern. Die Stadt ist beides gleichzeitig: Troppau und Opava. Hans Korbel kennt sie beide gut und ist damit ein idealer Stadtführer. Wer auf das Gebäude der Sparkasse Česká Spořitelna auf dem Platz der Republik schaut, sieht ein Stück Troppau. Das dominante, spätgotische Gebäude hat auch heute noch Stil. An der Fassade scheint noch die deutsche Inschrift Troppauer Sparkasse durch. Nebenan steht das Hotel Koruna – ein hohes Gebäude, die Fassade mit roten Kacheln verziert. An dessen Stelle stand vor einigen Jahrzehnten das Hotel Krone. Das benachbarte Haus war einem Bombenangriff zum Opfer gefallen. So fehlte dem Hotel Krone die Stabilität und es musste abgerissen werden. Nun stehen sie nebeneinander: die alte Troppauer Sparkasse und das moderne Hotel Koruna.
Hans Korbel, Geschäftsführer des Begegnungszentrums Troppau, erklärt den Übergang von Troppau zu Opava. Der größere, deutschsprachige Teil der Einwohner, wurde mit einigen Ausnahmen wie der Familie von Hans Korbel aus der Stadt vertrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg verblieben in Troppau nur noch 8000 Einwohner. Dabei handelte es sich vor allem um die tschechischsprachige Bevölkerung, die einst am Stadtrand gewohnt hatte. „Nach Kriegsende zogen die Tschechen ins Stadtzentrum. Deshalb ist die Stadt, im Gegensatz zu anderen Dörfern in der Umgebung, nicht verschwunden“, erläutert Korbel.
Vor der im 14. Jahrhundert erbauten Konkathedrale Mariä Himmelfahrt stehend weist Korbel auf die zwei unterschiedlich hohen Kirchtürme hin. Laut einer Sage wurden sie von zwei Brüdern erbaut. Da der eine den anderen übertreffen wollte, riss er seinem Konkurrenten das Gerüst ein, sodass nur einer der Türme fertiggebaut werden konnte. Tatsächlich sei es jedoch ein bisschen anders gewesen: Ein Turm wurde von der Stadt erbaut, der andere vom Deutschen Ritterorden. Damit deutlich wurde, welcher Turm zu welcher Institution gehörte, wurde der eine mit Zinnen, ähnlich einer Ritterburg, gestaltet. „Ob es wahr ist, weiß ich nicht. Ich war damals noch nicht auf der Welt“, kommentiert der 78-jährige mit feinem Humor.
Die beiden Türme sind längst nicht die einzigen in Troppau. Es gibt weitere Kirchen. Eine der architektonisch bemerkenswertesten ist die Hedwig-Kirche des Architekten Leopold Bauer, dessen Handschrift noch weitere Gebäude in Troppau tragen. „Erste Planungen für die Kirche gab es bereits in den 1890er Jahren. Vollendet wurde sie erst in den 1930ern, dann von den Nazis umgewidmet. Es dauerte bis nach 1990, dass die Kirche geweiht werden und ihrem eigentlichen Zweck dienen konnte“, erzählt Korbel über das bewegte Schicksal der Kirche.
Troppau war auch reich an Klöstern mit weiteren Kirchen und Kirchtürmen. Heute leben nur noch in einem Kloster Mönche. Und dann sind da die vielen Türmchen an Häusern, die wie nach oben verlängerte Erker emporragen. „Deshalb wird Troppau auch die Stadt der tausend Türme genannt. So viele hat nicht einmal Prag“, erzählt Hans Korbel. Man sieht Troppau an, dass es einst Hauptstadt des Kronlandes Schlesien war. Zu den höchsten Türmen und Wahrzeichen gehört der Renaissance-Rathausturm, der weithin zu sehen ist.
Wer mit Hans Korbel durch seine Heimatstadt geht, erfährt vieles, was in keinem Reiseführer steht. Er führt seine Besucher in die Wall Street, die so heißt, weil sich dort nach 1989 so viele Banken ansiedelten. Heute ist die Straße immer noch prächtig, aber eine Bank findet man hier nicht mehr. Ganz in der Nähe steht die Statue namens Opavia. Ihr Schicksal gleicht dem der Stadt, immer in Abhängigkeit von jenen, die die Macht im Land ausüben. An ihrer Stelle standen schon einige andere Statuen. Zuerst die Figur der Maria Theresia. Diese wurde von ihrem Sohn, Kaiser Franz Joseph II, abgelöst. Anschließend nahm Schiller den Platz im Grünen ein. Nach dem Krieg wollte auch ihn keiner mehr und man setzte den Kommunistenführer Klement Gottwald auf den Sockel. Er durfte bis 1963 bleiben. Böse Zungen meinen, alle Statuen seien aus der gleichen Bronze gegossen. „Da war ich zwar schon auf der Welt. Dass es wahr ist, kann ich aber nicht beweisen“, schließt Korbel seinen Rundgang.
Der Text entstand im Rahmen eines Medienseminars von LandesEcho und der Landesversammlung der deutschen Vereine, das vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) finanziert wurde.