Vom „hässlichsten Gebäude der Welt“ zum Ort mit der besten Aussicht über Prag? Warum sich ein Besuch des umstrittenen Fernsehturms in Žižkov lohnt – und was man dort oben alles entdecken kann.
Prag ist voll von Aussichtspunkten: Vom Hradschin, vom Letná-Park oder vom Laurenziberg (Petří) überall lässt sich die Stadt aus erhöhter Perspektive bestaunen. Doch keiner dieser Orte reicht an das heran, was man vom Prager Fernsehturm aus sieht. Zugegeben, er ist nicht gerade beliebt bei allen – einige nennen ihn liebevoll das „Raumschiff“, andere führen ihn regelmäßig auf Listen der „hässlichsten Gebäude der Welt“ auf. Aber wer einmal oben war, weiß: Die Aussicht entschädigt für alles.
Ich habe den Turm an einem sonnigen Frühlingstag besucht – als Studentin zahlt man 240 Kronen (11€) Eintritt, was ich für ein Erlebnis dieser Art durchaus fair finde. Für Familien oder größere Gruppen kann das allerdings schnell teuer werden. Besonders praktisch ist aber: Das Ticket ist zwei Monate lang gültig, man kann also spontan auf gutes Wetter oder den perfekten Sonnenuntergang warten. Und das lohnt sich. Ich hatte Glück – keine Warteschlange, schneller Aufzug, klare Sicht.

Ein technisches Wunderwerk mit Geschichte
Der Fernsehturm steht im Stadtteil Žižkov und ragt mit seinen 216 Metern über alles hinaus, was Prag sonst so architektonisch zu bieten hat. Gebaut wurde er zwischen 1985 und 1991 – ursprünglich nicht als Aussichtspunkt, sondern um das Fernseh- und Radiosignal in der hügeligen Stadt zu verbessern. Die Form ist ungewöhnlich: Drei Betonröhren, verbunden durch futuristische Kabinen – Hightech-Architektur aus dem sozialistischen Spätstil.
Damals war das Design äußerst umstritten, viele empfanden den Bau als störend im historischen Stadtbild. Ein besonders sensibles Kapitel ist die Wahl des Bauorts: Der Mahler-Park, auf dessen Gelände sich ein alter jüdischer Friedhof befand, wurde teilweise überbaut. Beim Legen des Fundaments stieß man auf Gräber, die unter Aufsicht der jüdischen Gemeinde umgebettet wurden. Trotzdem bleibt ein beklemmendes Gefühl – besonders, wenn man weiß, dass ein Teil des ehemaligen Friedhofs heute noch von der Plattform aus sichtbar ist.
Kunst, Kritik – und krabbelnde Babys
Was heute jedoch kaum noch zu trennen ist vom Bild des Turms, sind die riesigen schwarzen Babys, die scheinbar an ihm hoch- und runterkriechen. Die Skulpturen stammen vom bekannten tschechischen Künstler David Černý und wurden ursprünglich im Jahr 2000 nur temporär angebracht. Doch sie kamen so gut an, dass sie ein Jahr später dauerhaft installiert wurden. Mit ihren leeren Gesichtern wirken sie etwas unheimlich – aber irgendwie passen sie perfekt zu diesem surrealen Bauwerk.


Ich muss ehrlich sagen: Ich fand sie ziemlich gruselig. Die leeren Gesichter, die krabbelnde Bewegung, der übertriebene Maßstab – das alles wirkt ein bisschen wie aus einem dystopischen Science-Fiction-Film. Und vielleicht ist genau das der Punkt. Černý hat sich nie zur Bedeutung der Skulpturen geäußert. Vielleicht auch, weil ihre Wirkung für sich spricht.
Ein Blick, der sich einprägt
Die Aussicht von der Plattform in 93 Metern Höhe ist schlicht atemberaubend. Man hat Prag wirklich zu Füßen – die Altstadt, die Moldau, die Prager Burg, aber auch der weniger touristische Osten mit seinen Plattenbauten und Industrieanlagen wird sichtbar. An klaren Tagen reicht der Blick bis zu 100 Kilometer weit.

Auf dem Boden der Plattform sind viele bedeutende Sehenswürdigkeiten Prags markiert. Linien führen von einem Punkt am Boden direkt zum passenden Fenster, durch das man das jeweilige Gebäude oder Denkmal sieht. Dazu gibt es jeweils einen QR-Code, der weitere Infos bietet. Das macht den Rundgang nicht nur visuell, sondern auch informativ – ideal für alle, die mehr über die Stadt erfahren möchten, ohne eine klassische Führung zu machen.

Einer der drei Räume ist besonders gemütlich gestaltet: Dort baumeln transparente Sitzkugeln von der Decke, in die man sich setzen kann – fast wie in einer futuristischen Hängeschaukel. An den Wänden im mittleren Teil ist Kunst ausgestellt. Und auf Selfie-Fans wartet ein Spot mit leuchtenden Engelsflügeln – wer möchte, kann sich also direkt mit „Himmelsblick“ inszenieren. Es gibt ein paar Bänke im Mittelteil der Plattform, aber sie sind eher rar und stehen nicht direkt an den Fenstern. Ich bin also lieber herumgelaufen, habe die Richtung gewechselt und mir verschiedene Blickwinkel gesucht. Hier ist Prag nicht nur schön – es ist beeindruckend, weit, lebendig.

Für alle, die mehr wollen: Restaurant und Hotel in der Luft
Wer möchte, kann im Fernsehturm auch essen gehen – im Panorama-Restaurant auf 66 Metern Höhe. Oder sogar übernachten: Das Hotel ein Stockwerk darüber bietet eine Aussicht rund um die Uhr. Zugegeben: Für mein Studentinnen-Budget ist das eher unrealistisch. Aber allein die Vorstellung, dort einmal zu schlafen, ist faszinierend.

Fazit: Mehr als nur ein Sendeturm
Ob man den Prager Fernsehturm nun als hässlich oder ikonisch empfindet – er ist definitiv einzigartig. Und wer den vielleicht besten Blick auf Prag sucht, sollte ihn nicht auslassen. Ich hätte es nicht gedacht, aber für mich war es eines der eindrucksvollsten Erlebnisse meines bisherigen Aufenthalts in dieser Stadt. Also: Ticket besorgen, Wetter checken, Sonnenuntergang abwarten – und dann einfach genießen.
Über unsere Landesbloggerin: Ich bin Lucie Sophie und mache gerade meinen Master im Journalismus. Aktuell bin ich für ein Praktikum beim LandesEcho in Prag – eine spannende Zeit, in der ich viele neue Eindrücke sammle. Ursprünglich komme ich aus Magdeburg, wo ich auch mein Bachelorstudium absolviert habe. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meinen Freunden. Außerdem liebe ich es zu kochen (und zu essen!) und bin ein absoluter Musikfan – bei mir läuft alles von Hip-Hop über Punk bis hin zu klassischer Musik. Ich habe ein Faible für Design in all seinen Facetten – egal ob Fashion, Architektur oder DIY-Projekte – ich finde alles daran faszinierend. Deshalb schlägt mein Herz auch für Kunst. Tiere und die Natur bedeuten mir viel und auch sonst liegen mir soziale Themen, wie Gleichberechtigung, Inklusion und soziale Gerechtigkeit am Herzen.
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