Heute lesen Sie den zweiten Teil unserer Lückenschluss-Eisenbahnserie. Unser Autor Jürgen Barteld, Eisenbahner mit Herz und Seele, stellt Ihnen ausgewählte Bahnstrecken im deutsch-tschechischen Grenzgebiet vor, die die beiden Länder (wieder) näherbringen sollen. Diesmal betrachten wir die Strecke zwischen Weipert und Cranzahl.

Bescheidener Saisonbetrieb

Beim Nachdenken über einen Lückenschluss der einstigen Bahnverbindung am Erzgebirgskamm zwischen Moldau (Moldava v Krušnych horách) und Holzhau (LE 2/2020) kommt der Beobachter sogleich auf die ganz nahe gelegene Strecke von Komotau (Chomutov) hoch nach Weipert (Vejprty). Von Weipert hinüber ins Sächsische sind zwar die Schienen erhalten geblieben und sogar betriebsfähig, ein beständiger, stabiler Verkehr ist aber nie zustande gekommen. Nach hoffungsvoller Wiederbelebung zu Beginn der 2000er und dem EU-Beitritt Tschechiens verflog rasch alle Euphorie. Das „Aus“ schien schon einige Male besiegelt.

Seit Jahren darbt der Übergang, quasi not-gesichert durch saisonalen Wochenend-Zugverkehr nach und von Cranzahl. Waren es im letzten Jahr ganze zwei Zugpaare von und nach Komotau, so kommt heuer ein drittes hinzu. Die Züge rollen jedoch nur samstags und sonntags sowie an Feiertagen vom 25. April bis 28. September, denn es ist ein touristisches Angebot. Die Leistung wurde vom Bezirk Aussig (Ústí nad Labem) zum ersten Mal nicht bei der Tschechischen Bahn (Česke dráhy) bestellt, sondern einer der vom Bezirk favorisierten neuen „Player“ erhielt den Auftrag, nämlich die aus Deutschland kommende „Länderbahn“, und zwar auf zehn Jahre.

„Das Jahr 2015 war eine Katastrophe!“

Wie gar mancher Interessent ist auch der Weiperter Jan Martášek auf die neue Runde gespannt. Selbst Eisenbahner, im Güterverkehr tätig, setzt er sich seit Jahr und Tag unverzagt für den Erhalt der Linie 137 ein. Martášek bleibt Optimist, trotz der schon erlittenen Tiefschläge, denn „2015 war das schwärzeste Jahr, eine Katastrophe: ohne Zugverbindung hinüber nach Cranzahl. Und auf sächsischer Seite weniger Fahrten zwischen Annaberg und Chemnitz! 2016 fuhr die Tschechische Bahn wenigstens frühs wieder nach Cranzahl. Gerade hatte sich wieder Publikum eingestellt, da brachten 2018 lange Baustellen und Ersatzverkehr bei der DB Erzgebirgsbahn einen neuerlichen Einbruch. Sehr erfreulich aber dann die vorjährige Saison mit wieder deutlichem Fahrgastzuwachs. Unsere Facebook-Seite zeigt tatsächlich Wirkung!“ Über 2200 Interessenten verfolgen das Geschehen der „137“ auf der besagten Facebook-Seite.

Dort finden sich selbstverständlich auch die bei Bahnfreunden und Radler so beliebten Sonderzugfahrten. 2019 veranstaltete der Verein LOKO-MOTIV Krimau (Křimov) gar 13 Touren, jeweils morgens ab 9 Uhr ab Klösterle an der Eger (Klášterec nad Ohři) via Komotau nach Weipert und nachmittags retour. Am historischen Triebwagen war ein Güterwagen für Fahrräder angehängt. Ebenso wie auf der Linie hoch nach Moldau nutzen die Cyklisten aus dem Egertal auch hier sehr gern die Bahn, steigen an den Unterwegshalten aus, um oben am Gebirgsplateau nach Herzenslust zu radeln. Ähnlich die Wanderer, die Pilzsammler ohnehin. Für die Radsportler führte auch der ständige ČD-Zug eigens einen Beiwagen mit. Wie aber der neue Anbieter dem gerecht wird, ist noch offen. Die nun eingesetzten, bei der Vogtlandbahn abgelegten Triebwagen des Typs „RegioSprinter“ aus den 1990er Jahren können bestenfalls fünf Räder aufnehmen. Eine entsprechende Nachfrage des LE bei der „Länderbahn“ ist bislang unbeantwortet geblieben.Zugmeldung aus Weipert nach Cranzahl - Foto: Frank Barteld

Tarifliches Niemandsland

Noch nicht geklärt ist zwei Monate vor dem Betriebsbeginn auch die Tariffrage, der Abschnitt Weipert – Cranzahl ist sozusagen tarifliches Niemandsland. Die ČD hatte dies recht pragmatisch gelöst und für den Grenzübertritt einen 35-Kronen-Fahrschein ausgereicht. Der auf deutscher Seite zuständige Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) sieht sich in der Angelegenheit als „nicht zuständig“. Jan Martášek kann da nur den Kopf schütteln, geht aber von baldiger Klärung aus. Für ihn und seine Mitstreiter ist erst einmal enorm wichtig, dass es einen auf zehn Jahre bestellten (Saison-)Personenzugverkehr gibt. „Wir sehen doch, wie beiderseits des Erzgebirgskammes das Europa der Regionen wächst, hier noch mit dem neuen Schub des Montan-Welterbes. Die Eisenbahn gehört einfach dazu, denn sie verbindet.“

Zarte Pflänzchen der Hoffnung treiben erstaunlicherweise auf deutscher Seite. Ein Privatanbieter organisiert den Zschopauern Sonderzugfahrten zu ihrer Partnerstadt Laun (Louny) auf kürzestem Schienenwege, also via Weipert – Komotau. Ein Triebzug der DB Erzgebirgsbahn reichte nicht aus, er musste als Doppeleinheit gefahren werden. Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil in den vergangenen Jahren keiner der markanten roten „Desiro“-Züge mehr nach Komotau kam, so wie es anfangs der Fall war. Also durchgängig Chemnitz – Komotau. Und selbst wochentags mit Umsteigen in Weipert möglich! Einzig: Es fuhren viel zu wenige mit. Auf deutscher Seite gaben Spardiktate der Sache den Rest. Da waren längst größere Träume verschwunden. Wer den Lückenschluss Moldau – Holzhau anstrebt, sollte all die auf der Linie 137 gemachten Erfahrungen ein wenig im Blick haben.

August 1968 brachte neuen Rückschlag

Hans-Werner Schellenberg, von der Pike auf gewachsener Eisenbahner des Betriebs- und Verkehrsdienstes, war in seinen letzten Arbeitsjahren bei der DB Erzgebirgsbahn u.a. als Fahrdienstleiter auf dem Bahnhof Cranzahl tätig. Dafür lernte er auch das zur Verbindung nach „nebenan“ notwendige Tschechisch. Der Kontakt zu den Kollegen drüben weitete sich über die Arbeitsaufgaben hinaus; der Hans besucht gern die einst sprichwörtlichen „böhmischen Dörfer“. Nur allzugut erinnert er sich der gefühlten Eiszeit zwischen den „Bruderländern“ – vor und nach 1968:

„… der Übergang zwischen Cranzahl, genauer Bärenstein und Weipert war ja offiziell geschlossen. Alljährlich passierte ein Prüfzug die Pöhlbachbrücke zwischen den Bahnhöfen. Und es gab eine Weisung, wonach der Dienstvorsteher des Bahnhofs Cranzahl regelmäßig  die Bahn-Telefonverbindung nach Weipert zu prüfen hatte. Außerdem hielt man im Weiperter Empfangsgebäude einen Aufenthaltsraum für deutsche Eisenbahner vor, sollte der Grenzübergang denn doch genutzt werden. 1968, im Februar, also mit noch ‚richtigem‘ Winter, eilten Männer der Lok-Einsatzstelle Buchholz mit zwei Dampflokomotiven und der riesigen Henschel-Schneeschleuder hinüber auf die Weipert-Linie, um ihre tschechischen Kollegen aus den Schneemassen zu befreien. Noch gar lange kursierten die Berichte von der phänomenalen Betreuung der Buchholzer ‚Kämpfer‘. Aus Kollegen wurden rasch Freunde, die Stimmung war prächtig… Das sollte sich alsbald ändern: August ’68, der Einmarsch der Roten Armee in die ČSSR! Schon Wochen vorher campierten auch Einheiten der DDR-Volksarmee in den erzgebirgischen Wäldern. Offizielle und private Drähte waren weit über den Herbst ’68 hinaus gekappt. Die in Prag zwangsverordnete ‚Normalisierung‘ bedeutete für den Bahnübergang erst einmal weitere Ruhezeit.

Anfang der 1970er Jahre kam eine Delegation des DDR-Ministeriums für Verkehrswesen per Salonwagenzug auf unserer Strecke nach Bärenstein, wo zwei Tage lang mit den tschechischen Vertretern über die Öffnung des Grenzüberganges verhandelt wurde. Der Grund: Entlastung der Elbtal-Linie wegen dort größerer Bauarbeiten. Vorgesehen war, Güterzüge mit Leerwagen via Weipert zu leiten. Diese rollten aber dann über Ebersbach – Rumburk. Erst mit der Wende 1989/90 konnte sich bei uns etwas ändern, und schon bald, zum 125. Streckenjubiläum Flöha – Annaberg rollte ein extra-feiner Gratulationszug der Komotauer Eisenbahner über die Brücke zwischen Weipert und Bärenstein.

Offiziell wiedereröffnet, nach fast vier Jahrzehnten Dornröschenschlaf, wurde der Übergang am 1. August 1993. Über ihn bezog die schmalspurige Fichtelbergbahn (Cranzahl – Oberwiesenthal) auch ab 2001 ihre Lokomotiv-Steinkohle. Doch im Reiseverkehr war durch die zustandsbedingte Stillegung des Abschnitts Wolkenstein – Annaberg natürlich auch der obere Teil der Linie samt Cranzahl – Weipert abgeschnitten. Erst im April 2004 konnte die Erzgebirgsbahn wieder bis Weipert fahren. Versuche im Güterverkehr, wie etwa mit Flußspat vom neu eröffneten Bergbau Hammerunterwiesenthal, Verladung in Weipert, nach der Nickelhütte Aue blieben Eintagsfliegen. Fortan war Jahr für Jahr erneut um den Bestand des dann erheblich reduzierten Personenzugverkehrs zu ringen. Bis heute.“

Update: Unterstützung durch den Verkehrsverbund Mittelsachsen!

Der Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) teilte kürzlich mit, dass auf der Bahnstrecke Cranzahl – Weipert Saisonverkehr bestellt wurde. Zwischen dem 25. April und 28. September rollen samstags, sonntags und am 1. Mai jeweils sechs Züge. Als Subunternehmer der beauftragten Erzgebirgsbahn führt die tschechische Länderbahn CZ die Fahrten durch.


Bitte beachten Sie aktuell die Pressemitteilung von „Die Länderbahn“:

Eilige Presseinformation Länderbahn

*Einstellung des grenzüberschreitenden Verkehrs nach Tschechien*

Auf Beschluss der tschechischen Regierung werden ab dem morgigen Samstag (14.3.), 0:00 Uhr, alle grenzüberschreitenden Zugverbindungen eingestellt.

In den Netzen der Länderbahn kommt es zu Einschränkungen auf folgende Linien:

*Alex*

Prag – München – Prag, verkehrt nur noch zwischen München und Schwandorf, SEV für ALEX 351 verkehrt zwischen Roding und Furth Wald (Schülerverkehr für die Notbetreuung)

Die CD organisiert auf tschechischer Seite Zugverkehr zwischen Domazlice und Prag.

*Oberpfalzbahn*

OPB 2: Marktredwitz – Cheb – Hof, verkehrt nicht (grenzüberschreitende Strecke) Einrichtung Ersatzverkehr Marktredwitz – Schirnding,  CD organisiert Zugverkehr zwischen Cheb und As auf tschechischer Seite

OPB 3: Schwandorf – Furth im Wald  – Domazlice, verkehrt nur noch zwischen Schwandorf und Furth im Wald

*Vogtlandbahn*

RB  1: Zwickau – Falkenstein – Kraslice, verkehrt nur noch bis Zwotental, SEV von und nach Klingenthal

RB 2: Zwickau – Plauen – Adorf – Cheb, verkehrt nur noch bis Bad Brambach

RB 5: Mehlteuer – Plauen – Falkenstein – Kraslice, verkehrt nur noch bis Zwotental, SEV von und nach Klingenthal

*Trilex:*

RB 61 / RE 2: Dresden – Zittau – Liberec, verkehrt nur noch bis Zittau

L7: Seifhennersdorf/Rybniste – Zittau – Hradek – Liberec (noch ungeklärt, Ausnahmegenehmigung zum Verkehr ohne Halt in Deutschland ist im tschechischen Verkehrsministerium beantragt), Ersatzverkehr zwischen Seifhennersdorf und Zittau wird organisiert

Diese Einschränkungen können weiteren Veränderungen unterliegen, über die dann informiert wird. Die Länderbahn steht in ständiger Verbindung mit den Aufgabenträgern und anderen Bahnunternehmen. Wir bitten unsere Fahrgäste um Beachtung.

Sowie die Pressemitteilung von  DB Regio AG, des Regionalverkehrs Sächsische Schweiz – Osterzgebirge und des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO):

*Einstellung grenzüberschreitender Bus-, Bahn- und Fährlinien *

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*Ersatzverkehr für Nationalparkbahn – Busse enden an Grenze*

Auf Beschluss der tschechischen Regierung werden ab dem morgigen Samstag (14.03.), 0:00 Uhr, alle grenzüberschreitenden Zug- und Busverbindungen eingestellt. Im Verkehrsverbund Oberelbe sind davon die Nationalparkbahn, die Fähre Schöna – Hřensko sowie die Buslinie T in Sebnitz und die Linie 398 Dresden – Teplice betroffen.

Die Züge der Nationalparkbahn U 28 fahren lediglich im Abschnitt Rumburk – Dolní Poustevna. Zwischen Sebnitz und Bad Schandau fahren Schienenersatzverkehrs-Busse, zwischen Bad Schandau und Schöna nutzen die Fahrgäste bitte die S-Bahn, die ab 14. März wieder bis Schöna fahren wird. Im tschechischen Abschnitt zwischen Děčín – DolníŽleb fahren ebenfalls Busse statt Züge.

Die Busse der Linie T in Sebnitz bieten keine Fahrten nach Dolní Poustevna an, der innerstädtische Verkehr rollt bis auf kleine Änderungen planmäßig weiter.

Die Busse der Linie 398 (Dresden – Altenberg – Zinnwald – Teplice) fahren nur bis Zinnwald Wendeplatz.

Die grenzüberschreitende Fähre Schöna – Hřensko stellt ihren Betrieb ein.

Genaue Fahrplanauskünfte sind in Kürze an der VVO-InfoHotline unter 0351 / 852 65 55 und im Internet unter www.vvo-online.de, www.bahn.de sowie www.rvsoe.de erhältlich.

                                                                                                                          

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