Im letzten Teil unserer Serie betrachten wir die Magistrale im Elbtal, die sich an der Grenze ihres Leistungsvermögens befindet.
Vindobona, Hungaria, Metropol oder Balt-Orient-Express sind Namen, die nicht nur bei Eisenbahnfreunden für Fernweh sorgen. Auch die Nachfolger der legendären Züge nehmen ihren Weg allesamt durchs landschaftlich äußerst reizvolle Elbtal, auf der für den transeuropäischen Personen- und Güterverkehr so wichtigen Magistrale via Aussig (Ústí nad Labem) und Tetschen-Bodenbach (Děčín) nach Dresden und weiter bis Berlin, Hamburg und Skandinavien. In der Gegenrichtung ist es der Schienen-Korridor via Prag und Brünn in die Slowakei, nach Österreich, Ungarn und zum Balkan.
Trassenniveau über Hochwasser-Marke
Bereits in den 1830er Jahren waren sich die Bahnbaupioniere einig, dass die erste deutsche Ferneisenbahn Leipzig-Dresden eine Verlängerung in die benachbarte k.-u.-k.-Monarchie Österreich-Ungarn erhalten soll. Anfängliche Ideen, Wien auf direkterem Weg über Zittau und das Jeschkengebirge zu erreichen, wurden rasch zu Gunsten des Elbtals verworfen. Dennoch dauerte es noch bis zum ersten Spatenstich. Dieser geschah am 1. August 1845 auf dem Gelände des heutigen Dresdner Hauptbahnhofs. Als weise vorausschauend sollte sich der Entschluss erweisen, die Trasse von Anfang an so zu planen, dass sie über dem höchsten bekannten Wasserstand der Elbe, dem Hochwasser vom März 1845, liegt. Schließlich konnte die Strecke Dresden – Bodenbach (auf dem linkselbischen Teil des heutigen Děčín) und damit auch die durchgängige Verbindung zwischen Dresden und Prag am 6. April 1851 eröffnet werden. Und sogleich bestätigte sich: Die Linie durchs Elbtal zu führen, war goldrichtig, denn neben erheblichen Gütertransporten, vorerst geprägt von preisgünstiger böhmischer Kohle, etablierte sich auch der internationale Fernreiseverkehr.
Das Eisenbahnmotiv Nordböhmens: Die rechtselbische Bahnstrecke Ústí nad Labem – Kolín unterhalb der Burg Schreckenstein (Střekov). Wenn die geplante Neubaustrecke fertig ist, werden hier in einigen Jahren deutlich weniger Güterzüge unterwegs sein. Foto: Felix Bührdel
Nach wie vor Nummer Eins: der „Vindobona“
Erst das nahende Ende des Zweiten Weltkrieges brachte eine Zäsur. Nachdem alliierte Bomber den Bahnhof Pirna förmlich auslöschten, musste der Zugverkehr Mitte April 1945 eingestellt werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen tschechisch-deutschen Eisenbahngrenzübergängen gab es im Elbtal allerdings keine Sperre auf Dauer. Schon im Sommer 1945 rollten wieder Güterzüge, der erste grenzüberschreitende reguläre Reisezug folgte zwei Jahre später. In den 1950er Jahren wurden schließlich weitere internationale Fernverbindungen eingerichtet, versehen mit den eingangs erwähnten Namen, die teils heute noch verwendet werden. „Vindobona“ wurde einst als Schnelltriebwagenverbindung zwischen Berlin und Wien mit dem Reichsbahn-Flaggschiff VT 18.16, dem „TransEuropaExpress/TEE der DDR“, international bekannt. Gleichfalls als „Vindobona“ verbindet heute der österreichische Railjet-Premiumzug die Spree- mit der Donaumetropole. Auch ein „Hungaria“ verkehrt noch immer von und nach Budapest via Prag, während der „Metropol“, letzter Nachtzug im Elbtal, inzwischen seinen Laufweg von Budapest über Polen nach Berlin erhalten hat und somit nicht mehr durch das Elbtal rollt. Der Balt-Orient-Express, zuletzt mit Kurs Berlin-Bukarest, ist längst Geschichte.
Stromlos über die Grenze
Der jähe Einbruch der Schienenverkehrsleistungen nach der politischen Wende 1989 ist inzwischen längst Vergangenheit. Das Elbtal zählt zu den meistbefahrenen Bahnstrecken Deutschlands. Neben dem Fernverkehr im Zweistundentakt bietet auch der Personennahverkehr ein sehr gutes Angebot: Zweistündlich quert die in der letzten Ausgabe vorgestellte Linie U 28 zwischen Dolní Žleb (Niedergrund) und Schöna die Staatsgrenze. Technikinteressierte lassen diesen Diesel-Triebzug allerdings gelangweilt vorbeiziehen und verfolgen lieber die Grenzquerung der mit Elektrolokomotiven bespannten Züge. Diese müssen die Grenze nämlich mit Schwung passieren, das heißt, ohne dass sie die benötigte Elektroenergie aus der Oberleitung beziehen können. Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen Stromsystemen, welche die deutsche und tschechische Bahn nutzen: Gleichstrom in Tschechien, Wechselstrom in Deutschland. Der Reisende bekommt von diesem Wechsel nichts mit: Der Zug bewegt sich schließlich einfach weiter, während sich an der Zugspitze mittels weniger Taster der technische Grenzübertritt vollzieht. Elektrisch geht es übrigens nur im Elbtal über die Grenze – ein Grund dafür, weshalb die Route auch für den Güterverkehr so wichtig ist.
Eine Zwei-Stromsystem-E-Lok bringt einen Autozug über die Elbbrücke in Mittelgrund (Prostřední Žleb). Diese Brücke soll in den nächsten Jahren erneuert werden. Foto: Felix Bührdel
Des einen Freud‘, des anderen Leid
Nicht alle freut dies: Während sich die Wanderer auf der Bastei über die kleine „Modelleisenbahn“ unten im Tal freuen, leiden Anwohner seit Jahren unter dem Bahnlärm. Und auch die Eisenbahn selbst sieht sich zunehmend ausgebremst: Die bogenreiche Strecke entlang der Elbe lässt keine hohen Geschwindigkeiten zu. „Zum Frühstücken nach Prag“, ein Werbespruch für die Autobahn A 17 zwischen Dresden und Prag, ist per Bahn nicht möglich. Immerhin bieten die Speisewagen der EuroCity-Züge einen adäquaten Ersatz. Frühstücken im Zug während der Fahrt durchs reizvolle Elbtal, danach Stadtbummel in Prag oder in Dresden – klingt das nicht verlockender als Stress auf der Autobahn oder bei der Parkplatzsuche? Da dies aber allenfalls ein Nebenaspekt im Kampf zwischen Straße und Schiene ist, wird derzeit der Bau einer Neubaustrecke parallel zum Elbtal durch das Osterzgebirge vorbereitet (LE 6/21, S. 25). Tatsächlich wird diese Lücke erst in vielen Jahren geschlossen werden. Bei uns schließt sie sich mit diesem Beitrag unserer gleichnamigen Serie, die oben am Erzgebirgskamm mit Moldau-Holzhau begann.
Dieser Beitrag ist zuerst in der Juni-Ausgabe des LandesEcho erschienen.