Vertreter der Opposition im Stadtrat von Karlsbad (Karlovy Vary) forderten das örtliche Informationszentrum auf, ihre Marketingkampagne für russischsprachige Touristen zu stoppen. Die Kampagne richtet sich an russischsprachige Menschen, die hauptsächlich in Deutschland leben, und sollte den Tourismus ankurbeln.
Karlsbad gehört zu den berühmtesten und traditionsreichsten Kurorten der Welt. Besonders beliebt ist er schon immer bei russischsprachigen Touristen. Der russische Tourismus ließ den Kurort florieren und Russinnen und Russen waren viele Jahre lang die wichtigste Kundschaft, nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Touristen, sondern auch auf die Dauer ihres Aufenthalts. Viele Hotels in Karlsbad waren hauptsächlich auf ein russischsprachiges Klientel spezialisiert.
Ukrainekrieg hält Touristen fern
Doch nach der Annexion der Krim 2014, der Corona-Pandemie und zuletzt aufgrund der nach dem russischen Angriff auf die Ukraine auferlegten Sanktionen bleiben genau diese Gäste aus. Russische Touristen stellen nur noch ein Minimum der Besucher des Kurortes. In diesem Jahr lag der Anteil der Besucher aus Russland in der Region Karlsbad bei nur 1,2 Prozent, wobei der Anteil der Übernachtungsgäste 4,5 Prozent betrug. 2019 betrug der Anteil der russischen Gäste 8,7 Prozent, bei den Übernachtungen sind es sogar 17 Prozent gewesen.
Die Mehrheit der russischen Touristen, die nach Karlsbad reist, kommt allerdings nicht direkt aus Russland, sondern aus EU-Ländern, in denen sie dauerhaft oder für längere Zeit lebt. Auch hier ist im Vergleich zu den Vorjahren ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. „Im Jahr 2019 haben sie hier 350.000 Übernachtungen verbracht, in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 10.000, der Rückgang ist also enorm“, beschreibt der Direktor des Karlsbader Infozentrums Josef Dlohoš.
Die Einreise nach Tschechien hat sich für russische Staatsbürger im Laufe des Jahres deutlich erschwert, denn das Land stellt ihnen seit März 2022 aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine keine touristischen Visa mehr aus. Seit dem 25. Oktober gibt es zudem ein Einreiseverbot für russische Staatsbürger mit gültigem Schengen-Visum, die wegen Tourismus, Sport oder Kultur reisen.
Ob allerdings mit „russischen Touristen“ russische Staatsbürger oder in der EU lebende russischstämmige Personen, die die Staatsbürgerschaft ihres jeweiligen europäischen Landes haben, gemeint sind und wie die Statistik gemessen wurde, bleibt unklar. Das Karlsbader Infozentrum ließ eine Anfrage des LandesEcho dazu unbeantwortet.
Heftige Kritik an Werbeslogan
Um russischsprachige Touristen wieder anzulocken, wurde der Start einer Marketing-Kampagne diskutiert. Im Herbst, nach einer Vereinbarung zwischen der Stadt und den Hoteliers, die besonders auf die Kampagne drängten, bereitete die Stadt schließlich eine Online-Kampagne auf Russisch vor. Die Anzeige sollte nur online erscheinen, das heißt nur auf Computern oder Smartphones in Europa und nur bei Personen, die ihre Geräte auf Russisch eingestellt haben. Vor allem russischsprachige Menschen, die in Deutschland leben, sollten mit der Kampagne angesprochen werden.
Zunächst war für die Kampagne das Motto „Karlsbad versteht dich“ vorgesehen. Der Vorschlag wurde jedoch zurückgezogen: „In der aktuellen Situation haben wir den Slogan als unglücklich empfunden“, sagte der stellvertretende Karlsbader Bezirkshauptmann Vojtěch Franta (Piraten). „Nach dem Hinweis haben wir die Kampagne durch den Slogan ‚Karlsbad heilt. Das Spa heilt‘ ersetzt“, so Direktor Josef Dlohoš. Wir wollen keinerlei Sympathie für das ausdrücken, was in der Ukraine passiert. Wir unterstützen den Krieg dort sicher nicht“, Dlohoš weiter. Doch während die Region Karlsbad vor allem gegen die konkrete Formulierung protestierte, sind die Abgeordneten der Opposition in Karlsband gegen die Kampagne als solche.
Die Opposition (bestehend aus der Karlsbader Bürgeralternative (Karlovarská občanská alternativa), Piraten, SPD und STAN) forderte eine sofortige Beendigung der Marketingkampagne und schrieb einen offenen Brief an die Stadtverwaltung, in dem sie davor warnten, dass die Kampagne ihrer Meinung nach dem Ansehen Karlsbads schaden könnte. Die Verfasser des offenen Briefes wollen, dass Karlsbad seinen Ruf als „russische Stadt“ ablegt und wieder „ein sicherer Hafen für frei denkende Menschen aus der ganzen Welt, einschließlich Russland“ wird.
Verantwortliche rechtfertigen Werbekampagne
Bürgermeisterin Andrea Pfeffer Ferklová (ANO) verteidigte die Kampagne. Sie solle in erster Linie nicht auf russische Staatsangehörige, sondern auf russischsprachige Menschen, auf Angehörige anderer Staaten der ehemaligen Sowjetunion abzielen. „Sie richtet sich nicht an Russland, sondern an Menschen, die in Europa, vor allem in Deutschland, leben und russisch sprechen. Wir zielen nicht auf Russen in Russland ab, damit sie zu uns kommen. Das muss man differenzieren“, sagte die Bürgermeisterin der Tschechischen Nachrichtenagentur ČTK.
Sind russische Touristen eine Sicherheitsbedrohung?
In ihrem Schreiben problematisiert die Opposition, dass einige in der EU lebende Russinnen und Russen die europäischen Werte nicht teilen würden: „Die russischstämmige Bevölkerung in den europäischen Ländern, die traditionell sehr stark mit ihrem Heimatland verbunden ist, ist meist nicht aktiv gegen den Krieg, im Gegenteil, einige in Europa lebende Russen organisieren Kundgebungen zur Unterstützung des russischen Regimes und der Lockerung der Sanktionen.“
Laut den Vertretern der Opposition könne die Kampagne somit eine Sicherheitsbedrohung für die große Anzahl an ukrainischen Kriegsflüchtlingen in der Region darstellen. Der Initiator des Schreibens Adam Klsák (STAN) fügte hinzu, die Stadt solle sich nach anderen touristischen Zielgruppen umsehen.
„Wir müssen akzeptieren, dass der massive Reiseverkehr aus der totalitären und nun offiziell terroristischen Russischen Föderation nach Europa beendet ist“, fügten die Verfasser des Schreibens hinzu und verwiesen auf die Tatsache, dass das Europäische Parlament und die Regierungen einiger europäischer Länder, darunter Tschechien, Russland nun als Staat bezeichnen, der Terrorismus unterstützt.
Franzensbad will ukrainische Kriegsveteranen behandeln
Dagegen beginnt der westböhmische Kurort Franzensbad (Františkovy Lázně), der auch im Karlsbader Bezirk liegt, sich mit möglichen zukünftigen ukrainischen Kunden zu befassen. „Wenn sich der Kriegskonflikt beruhigt, denken wir daran, dass es in der Ukraine sicherlich viele Kriegsveteranen geben wird, deren Gesundheitszustand nicht optimal ist und die behandelt werden müssen. Deshalb dachten wir, dass wir die Kapazitäten des Karlsbader Bezirks, vor allem in der Nebensaison, für diesen Zweck anbieten könnten“, sagte Josef Ciglanský, Direktor des Bades FranzensbadVorläufigen Informationen zufolge sollen die Kosten für den Aufenthalt der Veteranen von der ukrainischen Regierung übernommen werden.