Als am 5. Mai vor 76 Jahren der Prager Aufstand ausbrach, um die Nazis endgültig aus der Stadt zu vertreiben, spielte die Troja-Brücke (Trojský most) eine strategisch wichtige Rolle im Geschehen. Deshalb wurde sie schon 1947 in „Brücke der Barrikadenkämpfer“ (Most Barikádníků) umbenannt und damit zu einem Gedenkort für die hier gefallenen Aufständischen.
Unter ihrem alten Namen war die Brücke in den Jahren 1924 bis 1928 von den Architekten František Mencl und Josef Chochol im kubistischen Stil erbaut worden. Der damals immer reger werdende Autoverkehr fuhr dabei noch über einen Fahrweg mit Holzbelag, was zwar damals nicht unüblich war, aber sich als recht laut und lärmig erwies – und auch nicht als ganz verkehrssicher (Rutschgefahr bei Nässe!). Ansonsten war lange Zeit das tragischste Ereignis, das man mit der Brücke verband, der Selbstmord des bekannten Architekten Bedřich Feuerstein (dem Erbauer des berühmten Krematoriums in Nymburk), der sich hier im Mai 1936 hinunterstürzte. Eifrige Retter konnten ihn zwar nach kurzer Zeit aus den Moldaufluten fischen, aber er verstarb dennoch im Krankenhaus, ohne je das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
„Eine Aura nationaler Identität“
Aber das wirklich blutigste Kapitel der Geschichte wurde hier eben während des Prager Aufstandes geschrieben. Die Brücke wurde damals von den deutschen SS-Truppen unter dem Oberkommando von Obersturmbannführer Otto Weidinger (ein Nazi-Überzeugungstäter, der auch später noch in allerlei Büchern die Untaten der SS verherrlichen sollte) als strategisches Einfallstor für den gegenüberliegenden Stadtteil Holešovice verbissen verteidigt. Als die deutschen Truppen am 8. Mai kapitulierten, wurde hier von ihnen noch am Tag darauf ein Durchbruchversuch unternommen. Die Verteidigung durch die Aufständischen, die hier Barrikaden errichteten, forderte von ihnen 41 Todesopfer ein. Nach dem Misslingen ihres Angriffs und in Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs der zur Hilfe eilenden Roten Armee, ergaben sich die deutschen Truppen, nachdem ihnen freies Geleit zugesichert worden war. Der Versuch, sich zu den amerikanischen Truppen, die am 6. Mai schon Pilsen (Plzeň) befreit hatten, durchzuschlagen und so der Gefangennahme durch die Rote Armee zu entrinnen, scheiterte aber.
Zwar wurde die Brücke unter der ersten (noch) demokratischen Regierung 1947 zum Gedenken in „Brücke der Barrikadenkämpfer“ umbenannt, aber das blieb zunächst nur eine Episode. Schon im Jahr darauf ergriffen die Kommunisten die Macht. Sie verschwiegen in ihrer Geschichtspropaganda für lange Zeit die Aufständischen, die ihnen zu „bürgerlich“ waren und für Freiheit und Demokratie kämpften, sondern gedachten nur der „Befreiung“ durch die Rote Armee. Immerhin drehte man hier noch 1949 einen Spielfilm mit dem Titel „Němá barikadá“ (Stumme Barrikade), der den tapferen Aufstand und die Geschehnisse an der Brücke zum Gegenstand hatte. Aber dann verschwand das Thema unter den Kommunisten. Das änderte sich erst in den 1970er Jahren. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 begannen die Kommunisten, die Aufständischen für sich zu reklamieren. Das war – angesichts der Tatsache, dass sie viele von ihnen nach ihrer Machtergreifung als Antikommunisten ins Gefängnis warfen – faktisch absurd. Aber es schien ihnen so etwas wie eine Aura nationaler Identität zu sichern.
Kurz: In den 1970er und 1980er Jahren wurden unter kommunistischer Ägide unzählige recht stattliche Denkmäler zu Ehren des Aufstandes errichtet. In dieser Zeit war die alte Brücke baufällig geworden und zudem war sie schon längst zu klein und schmal für das wachsende Verkehrsaufkommen. Um das Schlimmste zu verhindern, baute man einen provisorischen Steg für Fußgänger neben die Brücke, aber das war eine bloße Notlösung. Die alte Brücke musste durch eine neue Brücke ersetzt werden. Die wurde nun von den Architekten Jiří Trnka und Petr Dobrovský in den Jahren 1972 bis 1980 in einem einfachen funktionalistisch-brutalistischen Stil (wie er damals üblich war) erbaut. Sie war breit und groß genug und große Auffahrten sorgten für den guten Verkehrsabfluss – bis heute. Vor allem am Nordufer haben sich dafür viele von Beton überwölbte Stellen gebildet, die heute etwas verkommen sind und scheinbar vielen Obdachlosen Asyl gewähren.
Eines der größten Denkmäler des Prager Aufstands
Es ist also möglicherweise nicht der schönste und gepflegteste Ort Prags, den man nun unter der Brücke historisch bedingt als Platz für ein neues Denkmal für die an der (alten, möglicherweise schöneren) Brücke gefallenen Opfer der Kämpfe auswählte. Dafür hat man sich bei den Ausmaßen nicht lumpen lassen. Was im Jahre 1983 der Bildhauer Jan Hendrych (hauptverantwortlich) in Zusammenarbeit mit Petr Neumann (Architekt des Sockels), nebst seinen Kollegen Otakar Příhoda und Marcela Kačerová hier aufbaute, dürfte zu den größten Denkmälern für die Opfer des Aufstandes in ganz Prag gehören. Es handelt ich um einen größer angelegten Platz mit zwei breiten Treppen. In die zweite Treppe ist ein großer, aus Stein- und Betonplatten zusammengesetzter Quader eingelassen. Auf der Vorderseite befindet sich eine große Steinplatte, auf der der Kämpfe im Mai 1945 gedacht wird, und die die Namen aller dort gefallenen Aufständischen auflistet. Das Ganze ist sehr schlicht und würdig gestaltet – ohne falschen Pathos uns auch ohne vereinnahmende kommunistische Symbolik
Trotzdem fand man es anlässlich des 60. Jahrestages des Beginns des Aufstandes, am 5. Mai 2005, für notwendig, ein Stück post- oder nichtkommunistischer Erinnerungskultur in Ergänzung zu der alten Gedenkstätte anzubringen. Auf den grauen steinernen Platten, die sich vor dem Hauptkorpus des alten Denkmals befinden, wurde in einer Zeremonie eine kleine Tafel angebracht, die an den Jahrestag und die Opfer des Krieges im Allgemeinen und der des Aufstandes im Speziellen erinnert. Über der Inschrift befindet sich das Stadtwappen des Stadtteils Holešovice (Prag 7), der am gegenüberliegenden Ufer des Flusses liegt, aus dem aber die meisten gefallenen Aufständischen stammten.
Ahoj aus Prag! Seit September 2016 leben wir berufsbedingt in Prag. Wir – eigentlich Rheinländer – haben sie schon voll in unser Herz geschlossen, diese Stadt! Deshalb dieser Blog, in dem wir Fotos und Kurzberichte über das posten, was diese Stadt so zu bieten hat und was wir so erleben. Wir, das sind:
Lieselotte Stockhausen-Doering und Detmar Doering
… und unser Hund Lady Edith! Wer sich in Prag einmal umschauen möchte, wird auf diesem Blog nach einiger Zeit sicher Interessantes finden, was nicht jeder zu sehen bekommt, der die Stadt besucht. Viel Spaß beim Lesen!